15. Juni 2024 10:00

Ökonomie Der Zins als Preis

Auch auf Kreditmärkten haben Preiskontrollen verheerende Auswirkungen

von Karl-Friedrich Israel

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Bildquelle: Kunertus / Shutterstock Manipulierte Zinsen: Welche Auswirkungen ergeben sich hier für den Kreditmarkt?

Ökonomen aus allen Lagern sind sich einig: Preiskontrollen sind problematisch. Wenn wir Mindest- oder Höchstpreise für Güter oder Dienstleistungen festlegen, ergeben sich drei wesentliche Folgen. Es entstehen Ungleichgewichte, also entweder ein Überangebot oder eine künstliche Knappheit. Aufgrund des Ungleichgewichts ergibt sich eine Situation, in der die Diskriminierung zwischen Marktteilnehmern vereinfacht wird. Bei einem Überangebot können die wenigen Käufer zwischen den vielen Anbietern einfacher diskriminieren. Sie können sich den Verkäufer frei aussuchen, ohne dabei größere Kosten in Kauf nehmen zu müssen. Bei einer künstlichen Knappheit ist es genau andersherum. Die wenigen Verkäufer können zwischen den vielen willigen Käufern diskriminieren. Zuletzt entstehen durch die Preiskontrollen starke Anreize, auf Schwarzmärkte auszuweichen. Wenn sich Angebot und Nachfrage nicht frei auf Märkten entfalten können, wird man sich einem Gleichgewicht in der Schattenwirtschaft annähern. Dies kann vom Standpunkt der freien Marktwirtschaft sehr ineffizient sein. Aber in einer Marktwirtschaft mit Preiskontrollen ist ein Tausch in der Schattenwirtschaft immer noch effizienter als kein Tausch.

Wie genau sich diese drei allgemeinen Effekte von Preiskontrollen – Ungleichgewichte, Diskriminierung und Schwarzmärkte – in einem konkreten Fall manifestieren, hängt von vielen verschiedenen Umständen ab, wie zum Beispiel von der Art des Gutes oder der Dienstleistung, anderer gesetzlichen Rahmenbedingungen und Staatsinterventionen oder von den Präferenzen und Bedürfnissen der beteiligten Marktteilnehmer.        

Illustrieren wir das an einem Beispiel. Wenn wir eine Mietpreisbremse erheben, so können Mietpreise nicht auf das gleichgewichtige Marktniveau ansteigen. Die Folge ist, dass das Angebot von Mietwohnungen zurückgeht beziehungsweise nicht so schnell steigt, wie es sonst der Fall gewesen wäre. Mieter, die bei höheren Mietpreisen in günstigere Wohngegenden gezogen wären, versuchen nun trotzdem, eine Wohnung in den beliebteren Wohngegenden zu mieten. Wir erzeugen also eine künstliche Knappheit. Der Ansturm auf neu ausgeschriebene Mietwohnungen in Städten wie München und Berlin, aber mittlerweile selbst in Städten wie Kiel und Saarbrücken ist eine beobachtbare Folge dieser Preiskontrollen. In einer solchen Situation kann der Vermieter sich unter den vielen willigen Mietern frei entscheiden. Wenn er bestimmte Mieter nicht haben will – Ausländer, Homosexuelle oder Grünenwähler – kann er ohne Einbußen an einen der vielen anderen Anwärter vermieten. Diskriminierung wird also einfacher. Außerdem entsteht ein größerer Schwarzmarkt für Mietwohnungen. Mieter kündigen zum Beispiel ihre Mietverträge nicht mehr, sondern versuchen, die Wohnungen unterzuvermieten, auch wenn es ihnen gar nicht gestattet ist. Ein weiterer Effekt ist die abnehmende Qualität der Mietwohnungen. Dies ist eine Möglichkeit, wie Marktteilnehmer reagieren, um der künstlichen Knappheit entgegenzuwirken. Wenn es sich nicht mehr lohnt, Wohnungen in hoher Qualität anzubieten, kann man unter Umständen zumindest Wohnungen in niedriger Qualität anbieten. Man reduziert die Kosten durch das Aufschieben von Reparaturen und Instandsetzung.   

Ein anderer Bereich der Volkswirtschaft, in dem Preiskontrollen noch bedeutsamer sind als auf dem Wohnungsmarkt, ist der Kreditmarkt. Beim Zins vergessen fast alle Ökonomen die Standardanalyse von Preiskontrollen. Es erscheint fast so, als würden sie den Zins gar nicht als einen Preis verstehen. Zinsen werden systematisch von Zentralbanken manipuliert. In der Regel wird er auf ein Niveau gedrückt, das niedriger liegt als der gleichgewichtige Marktzins. Wir haben es also mit einer Art Zinspreisbremse zu tun – einem impliziten Höchstpreis für die Inanspruchnahme von Finanzkapital.

Wie wirkt sich diese Preiskontrolle aus? Die Standardanalyse sagt uns, dass wir es mit einer künstlichen Knappheit zu tun haben müssten. Das ist aber ganz offensichtlich nicht der Fall, wenn man lediglich das Finanzkapital, also das verliehene Geld, ins Auge fasst. Geld kann in unserem System aus dem Nichts geschaffen werden, solange es willige Kreditnehmer gibt. Es wird also nicht knapp. Jede Nachfrage kann bei einem gegebenen Zinsniveau prinzipiell befriedigt werden. Haben wir also hier einen Fall, bei dem die Standardanalyse versagt? Keinesfalls. Denn das Finanzkapital ist nicht das, worum es bei der Kreditvergabe eigentlich geht. Kredite werden vergeben, um es anderen Akteuren zu ermöglichen, auf reale Ressourcen zuzugreifen. Der Kreditnehmer wird durch das ihm zur Verfügung gestellte Finanzkapital in die Lage versetzt, mehr Güter zu kaufen. Er kann also zum Beispiel mehr Produktionsfaktoren kaufen, um in Produktionsvorhaben zu investieren. Die Menge der zur Verfügung stehenden realen Ressourcen wird allerdings durch eine Ausweitung des Finanzkapitals nicht erhöht. Die künstliche Knappheit entsteht also nicht auf der Ebene des Geldes – das kann gedruckt werden –, sondern auf der Ebene der realen Ressourcen, die zur Umsetzung von Investitionen genutzt werden können.    

Reale Ressourcen werden für Produktionsvorhaben frei, wenn Menschen sparen und weniger konsumieren. In solchen Momenten würde der Marktzins auf natürliche Weise sinken. Weitet man das Kreditangebot allerdings durch eine Vergrößerung der Geldmenge aus, so braucht es keine erhöhten Ersparnisse für ein fallendes Zinsniveau. Die Konsequenz ist, dass die Märkte für reale Ressourcen in ein Ungleichgewicht gestürzt werden. Zu den gängigen Marktpreisen übersteigt die Nachfrage das Angebot. Die Konsequenz ist Inflation auf den Märkten für Produktionsfaktoren und reale Ressourcen. Denn nur durch steigende Preise kann dieses Ungleichgewicht behoben werden.

Wie sieht es mit Diskriminierung aus? Hier ergibt sich eine weitere Besonderheit der Zinspreiskontrollen. Es kommt zunächst nicht wirklich zu erhöhter Diskriminierung vonseiten der Anbieter gegenüber den Nachfragern von Kredit. Es ist vielmehr so, dass die erhöhte Nachfrage nach Kredit durch neu geschaffenes Geld prinzipiell komplett bedient wird. Die Besitzer der realen Ressourcen erfreuen sich dann einer erhöhten Nachfrage, die den Absatz vereinfacht. Hier könnte man von größerem Diskriminierungspotenzial sprechen. Wirklich relevant wird das Problem aber an einer anderen Stelle. Wenn die politischen Entscheidungsträger nämlich erkennen, dass künstlich vergünstigte Kredite die Volkswirtschaft in Ungleichgewichte stürzen, drängt sich natürlicherweise das Verlangen auf, das Kreditvolumen auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. Stellen Sie sich ein Extrembeispiel vor: Der Zins wird auf minus zwei Prozent gesetzt. In diesem Fall könnten Sie Geld verdienen, wenn Sie Kredite aufnehmen. Die Nachfrage nach Kredit würde also ins Unermessliche steigen und die Geldmenge müsste ad infinitum ausgeweitet werden. Das Geldsystem würde in Nullkommanix in einer Hyperinflation kollabieren.

Wenn man also bei künstlich niedrigen Zinsen das Kreditvolumen begrenzen will, muss man die Kreditvergabe an andere Kriterien koppeln. Hier kommt die Diskriminierung ins Spiel. Die Politik wird beginnen, sich die zu fördernden Investitionsprojekte nach politischen Kriterien auszusuchen. Andere Projekte werden ausgegrenzt. In unserer Zeit geschieht genau das im Hinblick auf die ökologische Transformation und den „Klimaschutz“. Die Politik und zunehmend die Geldpolitik suchen sich gezielt Investitionsvorhaben aus, die klimaverträglich erscheinen. Diese werden zu besonders günstigen Konditionen gefördert, andere nicht. Es findet also eine klare Diskriminierung vonseiten der Politik statt.

Wie verhält es sich mit Schwarzmärkten im Fall von Zinsmanipulation? Auch hier haben wir eine Besonderheit, die sich dennoch in die allgemeine Analyse eingliedert. Die langanhaltende Niedrigzinspolitik hat ein äußerst inflationäres Wirtschaftssystem hervorgebracht. In einem solchen System werden sich zumindest einige Geldnutzer auf die Suche nach Alternativen begeben. Ein Auswuchs dieser Tendenz ist der enorm anwachsende Markt für Kryptowährungen. Natürlich sind diese in den meisten Fällen (noch) nicht kriminalisiert. Doch sollten Kryptowährungen eines Tages eine ernsthafte Konkurrenz zum staatlichen Fiatgeld darstellen, werden sie vermutlich spätestens dann vom Staat stärker bekämpft und in die Schattenwirtschaft abgedrängt werden.

Wir beobachten also auch im Falle von Zinsmanipulationen durch Zentralbanken eine ganze Reihe an negativen Effekten, die sich nahtlos in die allgemeine Analyse von Preiskontrollen eingliedern. Auch Zinsen sind Preise. Sie sind keine arbiträren Richtwerte des Finanzmarktes. Zinsmanipulationen sind eine besonders folgenschwere Form von Preiskontrollen. Sie stürzen die gesamte Volkswirtschaft in Ungleichgewichte, geben der Politik größere Einflussnahme, um Investitionen planwirtschaftlich zu steuern, und lenken die Energie der Marktteilnehmer darauf, dem inflationären System auszuweichen.   


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