Ökonomie: Die Grenzen des Wachstums
Technologischer Fortschritt ist unvorhersagbar
von Karl-Friedrich Israel (Pausiert)
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Es ist eine alte Warnung, dass die Menschheit an die Grenzen des Wachstums stoßen werde und sich früher oder später mit dem, was sie hat, begnügen müsse. Bereits im Jahr 1972 veröffentlichte der Club of Rome eine Studie unter dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“. Dass die damaligen Prognosen sich als weitestgehend falsch herausgestellt haben, tut der neuen Popularität von Warnungen dieser Art keinen Abbruch. Man ist sogar einen Schritt weitergegangen und behauptet heute nicht nur, dass wir an Grenzen stoßen würden, sondern auch, dass wir sogar deutlich vor dem Erreichen der Grenzen aufhören müssten zu wachsen, weil man sonst die Lebensbedingungen auf der Erde langfristig derart verschlechtern würde, dass unzählige Menschen großes Elend erleiden müssten.
Was ist dran an diesen Warnungen? Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass wir uns natürlichen Grenzen des Wachstums ausgesetzt sehen. Es gibt Naturgesetze, über die wir uns nicht erheben können, und es gibt nur eine endliche Menge an Materie, die wir für unsere Zwecke umwandeln können. Das Wachstum kann also in einem absoluten Sinne nicht unbegrenzt sein.
Aber Warnungen vor dem Erreichen der Grenzen des Wachstums sind mit großer Skepsis zu betrachten, denn sie ignorieren zwei wichtige Aspekte. Sie verkennen implizit die ungeahnten Möglichkeiten technologischen Fortschritts. Außerdem halten sie Wirtschaftswachstum für ein rein materielles Phänomen.
Wenn man auch nur implizit davon ausgeht, dass es keinen technologischen Fortschritt geben wird, dann müssen wir in der Tat absehbar die Grenzen des materiellen Wachstums erreichen. Allerdings findet technologischer Fortschritt erfahrungsgemäß statt und es liegt in der Natur der Sache, dass er nicht vorhersagbar ist. Könnten wir genau vorhersagen, welche Technologien wir in der Zukunft verwenden werden, wären diese Technologien bereits bekannt. Technologischer Fortschritt sorgt nun dafür, dass wir mit dem gleichen Ressourcenaufwand bessere Güter beziehungsweise mit weniger Ressourcenaufwand gleichwertige Güter herstellen können. Das bedeutet, dass es technologischer Fortschritt ermöglicht, sich über bisherige Beschränkungen hinwegzusetzen. Man lernt, die Naturgesetze in bislang unentdeckter Weise für die eigenen Zwecke auszunutzen. Wir können uns zwar über Naturgesetze nicht hinwegsetzen, aber wir lernen, sie auf neue Art und Weise nutzbar zu machen.
Gibt es gute Gründe anzunehmen, dass unser technologischer Kenntnisstand bereits an einem Punkt angelangt ist, an dem keine weiteren bahnbrechenden Erkenntnisse gewonnen werden können? Möglich ist das natürlich, aber vermutlich sind wir weit davon entfernt. Und solange signifikante technologische Fortschritte möglich sind, bleiben die Grenzen des Wachstums für uns nicht abschätzbar.
Wachstum ist außerdem kein rein materielles Phänomen. Natürlich sind wir physische Wesen und ohne die Befriedigung unserer materiellen Grundbedürfnisse können wir nicht überleben. Wachstum darf aber dennoch nicht als rein quantitative Vergrößerung der Produktions- und Konsummenge bestehender Güter verstanden werden. Wachstum findet vor allem auch qualitativ statt. Es werden also nicht zwingend mehr, sondern vor allem bessere Güter hergestellt. Was nun genau „besser“ ist, kann man rein materiell nicht erfassen. Qualität bemisst sich an den subjektiven Präferenzen und Bedürfnissen der Marktteilnehmer. Und diese Bedürfnisse sind nicht alle rein materiell. Vielen Menschen scheint es zum Beispiel wichtig zu sein, im Einklang mit ihrer Umwelt zu leben (was auch immer das im Detail heißen mag) oder natürliche Landschaften mit ihrer Artenvielfalt zu erhalten. Das bedeutet, dass der schonende Umgang mit natürlichen Ressourcen selbst, in einem gewissen Rahmen, als eine Erhöhung der Lebensqualität und damit als Wirtschaftswachstum wahrgenommen wird.
Dies ist auch der Grund, warum sich in einer freien Gesellschaft ein natürlicher Schutz unserer Umwelt ergeben würde. Es braucht keinen politisch oktroyierten Umweltschutz. Es können nicht alle Landstriche der Erde so bleiben, wie die Menschen sie vorfinden. Andernfalls würde die Menschheit aussterben. Aber in dem Maße, wie natürliche Landschaften einen Wert in den Augen der Menschen darstellen, wird ihr Erhalt gegen die Befriedigung anderer Bedürfnisse abgewogen. Genau darum geht es im gesellschaftlichen Prozess. Es müssen Kompromisse zwischen konfligierenden Werturteilen gefunden werden. Der Schutz von Privateigentumsrechten in einer dezentralen und freien Gesellschaft würde diesen Prozess wirtschaftlich effizient kanalisieren. Der gegenwärtige politische Umweltschutz erhebt hingegen die Werturteile einzelner Gruppen zum Maßstab aller Dinge. Die Warnungen vor den Grenzen des Wachstums sind dabei vor allem ein rhetorisches Mittel.
Karl-F. Israel (2024): Krautzone Podcast #163 – Über Wachstum.
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