Unpassende Kritik: Warum Stromausfälle kein gutes Argument gegen Bitcoin sind
Denkt euch etwas Besseres aus
von Sascha Koll
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Es ist ein Argument, das in Diskussionen um Bitcoin immer wieder auftaucht: „Was passiert bei einem Stromausfall? Dann kann Bitcoin nicht mehr genutzt werden!“ Dieses Argument klingt im ersten Moment einleuchtend, ist jedoch bei näherem Hinsehen weniger stichhaltig, als es scheint. Denn Stromausfälle betreffen nicht nur digitale Währungen wie Bitcoin, sondern unser gesamtes Finanz- und Handelswesen – und zwar in einer Weise, die weit über das hinausgeht, was mit Bitcoin allein zusammenhängt.
Was passiert bei einem Stromausfall?
Stellen wir uns einen umfassenden Stromausfall vor: Der Supermarkt um die Ecke ist komplett dunkel, denn ohne Strom gibt es keine Beleuchtung, die elektrischen Türen öffnen sich nicht mehr. In den Regalen liegen Lebensmittel, die gekühlt werden müssten, aber durch den Ausfall beginnen sie bereits, schlecht zu werden. Die Kühltruhen summen nicht mehr, und die Tiefkühlwaren tauen langsam auf. Ohne funktionierende Kassensysteme steht der ganze Betrieb still, und auch Kartenzahlungen funktionieren nicht mehr. Selbst Bargeld bringt in dieser Situation nur begrenzt etwas, denn die Kassierer könnten Transaktionen nicht richtig abwickeln, Wechselgeld herausgeben oder die Bestände im Auge behalten.
Die Lieferketten, die diese Supermärkte versorgen, wären ebenfalls unterbrochen, weil moderne Logistiksysteme ebenso auf Strom und digitale Kommunikation angewiesen sind. Die Illusion, dass nur Bitcoin unter einem Stromausfall leidet, löst sich schnell in Luft auf, wenn man die Auswirkungen auf den gesamten Handel betrachtet.
EC-Karten, Kreditkarten, Bargeld – und dann?
Natürlich wären auch EC- und Kreditkarten nutzlos, da diese Zahlungssysteme auf eine funktionierende digitale Infrastruktur angewiesen sind. Bargeld scheint auf den ersten Blick eine Lösung zu bieten, aber in einem Supermarkt ohne Strom bringt es wenig. Geschäfte könnten keine Preise mehr scannen, keine Quittungen ausstellen und ohne elektronische Kassen auch kein Wechselgeld herausgeben. Selbst mit einem dicken Bündel Bargeld in der Hand stünden wir in einer stillgelegten Landschaft geschlossener Ladengeschäfte. Der Stromausfall legt nicht nur digitale Zahlungsmethoden lahm, sondern jede Form moderner Geschäftstätigkeit.
„Ich kenne den Bauern um die Ecke“ – ein romantisiertes Bild?
Ein weiteres Argument, das in Krisenszenarien oft genannt wird, lautet: „Ich kenne den Bauern um die Ecke, der nimmt mein Silber an.“ Hier schwingt die Vorstellung mit, dass ländliche Gebiete in einer Krise besser dastehen und Menschen mit einem Gold- oder Silbervorrat weiterhin Waren wie Lebensmittel beziehen könnten. Dieses Argument mag für kurze Zeit – bis keine neuen Waren mehr eintreffen – in einem Dorf mit wenigen Hundert Einwohnern auf dem Land funktionieren. Doch was ist mit den Millionen von Menschen in den Großstädten?
Die Realität sieht anders aus: Die meisten Stadtbewohner haben keinen direkten Zugang zu Bauernhöfen oder lokalen Lebensmittelproduzenten. In dicht besiedelten Ballungsräumen gibt es weder genügend Landwirte noch die Infrastruktur, um Millionen von Menschen in Krisensituationen mit Nahrung zu versorgen. Selbst wenn jemand Silbermünzen hätte, müsste er erst einmal einen Bauern finden, der diese akzeptiert. Und selbst dann stünde man vor dem Problem: Wie bewertet man den Silberpreis in einer Krise, in der es keine stabilen Märkte und keine Möglichkeit einer Kursabfrage gibt? Zudem ist fraglich, ob der Bauer an einem solchen Tauschhandel überhaupt interessiert wäre.
Bitcoin und technologische Resilienz
Wenn wir uns also auf den Stromausfall als Argument gegen Bitcoin konzentrieren, übersehen wir das größere Bild. Die moderne Gesellschaft ist in fast allen Bereichen vom Strom abhängig – ob wir digital bezahlen, mit Bargeld hantieren oder sogar Lebensmittel aufbewahren. Bitcoin ist ein Teil dieser digitalen Infrastruktur, aber er ist nicht allein verantwortlich für die Risiken, die ein Stromausfall mit sich bringt. Stattdessen sollten wir darüber nachdenken, wie wir unsere gesamte Infrastruktur robuster gestalten können, um auch in Krisenzeiten funktionierende Systeme zu haben.
Dezentrale Netzwerke, alternative Energiequellen und technologische Fortschritte sind bereits in der Entwicklung, um solche Szenarien zu entschärfen. Diese Entwicklungen betreffen nicht nur Kryptowährungen, sondern auch das alltägliche Leben in einer zunehmend digitalisierten Welt.
Fazit: Ein systemisches Problem, keine Bitcoin-Schwäche
Der oft zitierte Stromausfall ist kein spezifisches Problem von Bitcoin, sondern ein Problem unserer Abhängigkeit von Elektrizität und digitalen Netzwerken als Ganzes. Bitcoin ist lediglich Teil eines größeren Systems, das genauso betroffen wäre wie der Handel mit EC-Karten, Kreditkarten, Bargeld oder Edelmetallen. Anstatt Bitcoin als besonders anfällig darzustellen, sollten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Stärkung der Infrastruktur lenken, die uns durch Krisenzeiten bringt. In der Realität ist die Stromausfall-Karte kein Argument gegen Bitcoin – sie ist bestenfalls ein Indiz für einen engen geistigen Horizont.
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