Gestahlfedert: Humorbehinderung: Luke Mockridge versus Cancel Culture
Humor ist’s, wenn’s trotzdem kracht
von Michael Werner
Für mich starb der deutsche Humor am 14. März 2014, als die letzte Harald-Schmidt-Show ausgestrahlt wurde. Mit Vince Ebert, dem feingeistigen Physiker, der trotz seiner libertären Ansichten gelegentlich mal ins Fernsehen darf, tauchte ein Silberstreifen am Horizont auf, mit dem Haudrauf-Comedian Nikolai Binner, längst überall gecancelt, ein zweiter. Ansonsten hat man es nicht leicht, in Deutschland was zu lachen zu finden, wenn der eigene Humor so schwarz ist, dass er Baumwolle pflücken kann.
Bill Mockridge, Gründer des Bonner „Springmaus-Theaters“, war mir selbstverständlich ein Begriff. Seinen Sohn Luke hingegen hatte ich nie auf dem Schirm, bis er es erstmalig vor etwa drei Jahren in meinen Wahrnehmungsbereich schaffte, als er aufgrund der Falschbeschuldigung einer Ex-Freundin einer „MeToo“-Kampagne und der üblichen unzulässigen Verdachtsberichterstattung der Systempresse (analog zum Fall Till Lindemann) zum Opfer fiel. Und man kennt das ja: Egal wie unschuldig jemand ist, es bleibt immer etwas hängen. Damit war Luke Mockridge angeschossen.
Unlängst rückte eine bereits mehrere Wochen alte (!) Folge des Podcasts „Die Deutschen“ in den Fokus der Öffentlichkeit, in der Mockridge anlässlich der Paralympics folgenden Witz machte: „Es gibt Menschen ohne Beine und Arme, die wirft man in ein Becken – und wer als Letzter ertrinkt, der hat halt gewonnen.“ Den Podcast selbst habe ich nicht gehört, nur in der Berichterstattung diesen Ausschnitt, und habe herzhaft gelacht. Doch dann blieb mir das Lachen im Halse stecken, denn in dem Bericht ging es darum, was daraufhin passierte – wie gesagt, mit einigen Wochen Verzögerung, denn offensichtlich musste sich der Gag erst mal so weit herumsprechen, bis sich endlich die ersten fanden, die deshalb die ganz große Welle lostraten. Und das waren natürlich – Überraschung! – die üblichen Staatstittensauger und Systemclowns.
Mockridge erklärte daraufhin, er selbst habe bei der Arbeit und im Umgang mit Behinderten bei diesen selbst den schwärzesten Humor erlebt (was ich aus anekdotischer Evidenz bestätigen kann) und die Gags zudem gemeinsam mit einem paralympischen Sportler und Comedian erarbeitet, und er habe einen großen und positiven Zuspruch von Menschen mit Behinderung erhalten. Das glaube ich ihm aufs Wort, aber es war ein Fehler, das zu sagen, denn es gilt die goldene Regel: „Never explain, never complain!“
Der wesentlich schlimmere Fehler folgte auf den Fuß: Als der Shitstorm zunahm, entschuldigte er sich für seine „verletzenden Äußerungen“, bezeichnete die Kritik daran als „berechtigt“ und nahm die Einladung des Deutschen Behindertensportverbandes an, sich Para-Sport live anzuschauen, um sich für das Thema zu sensibilisieren. Damit hat er die nächste goldene Regel verletzt: „Never apologise!“
Leider hat der junge Mann nicht die dicken Eier eines Till Lindemann oder gar eines Harald Schmidt. Lindemann hat letztes Jahr alles richtig gemacht, wie ich in meiner Kolumne dazu schrieb: Klappe halten! Und für einen Komiker gilt die Sonderregel, an die Harald Schmidt sich stets gehalten hat: Wenn sich alle aufregen, bloß nicht entschuldigen, sondern beim nächsten Mal noch richtig fett einen draufsetzen, um ihnen allen den denkbar größten Stinkefinger zu zeigen!
Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: In seinen frühen Shows Mitte der 90er Jahre machte Schmidt regelmäßig Polen-Witze. (Zur Erklärung für die jüngeren Leser: Seinerzeit existierte noch das uralte Klischee, dass die Polen in Deutschland alles klauen, vor allem Autos. In den letzten 30 Jahren haben sich dank Merkel- und Ampel-Politik die Wohlstandsverhältnisse jedoch so weit gedreht, quasi um Baerbocksche 360 Grad, dass die Deutschen jetzt eigentlich zum Klauen rüber nach Polen müssten.) Auch damals gab es schon politisch-korrekte Tugendwächter, die Schmidt dafür regelmäßig hyperventilierend kritisierten; jedoch gab es noch keine sozialen Medien und daher auch keine Shitstorms. Trotzdem ging es so weit, dass sich sogar der polnische Botschafter einschaltete und Druck machte. Offiziell lud er Schmidt medienwirksam zu einem Urlaub in Polen ein, und Schmidt sollte in seiner Show Werbung für Polen als Urlaubsland machen. „Dirty Harry“ nahm die Einladung jedoch nicht an; stattdessen sagte er in seiner nächsten Sendung: „Meine Damen und Herren, machen Sie Urlaub in Polen – Ihr Auto ist schon da!“ So macht man das: Keinen Millimeter zurückweichen vor den Humor-Faschisten, sondern dann erst recht draufhauen, voll auf die Fresse, und zwar mit Anlauf!
Jedem mit drei korrekt verdrahteten Gehirnzellen war völlig klar, dass Harald Schmidt absolut nichts gegen unsere polnischen Nachbarn hatte und sie erst recht nicht pauschal als Autodiebe betrachtete. Tatsächlich machte er sich nur über das Klischee lustig, indem er es überstrapazierte.
Für diejenigen unter meinen Lesern, die Mockridges Gag nicht lustig finden: Das ist okay! Humor ist Geschmackssache, und Geschmäcker sind verschieden. „Geschmacklos“ gibt es jedoch nicht, denn selbst ein schlechter Geschmack ist ein Geschmack. Jeder hat seine persönlichen Grenzen – es gibt auch Dinge, über die ich niemals Witze machen würde, zumindest nicht öffentlich. Und wer soll bitte entscheiden, was „guter“ und „schlechter“ Geschmack ist? Das Zoten-Ministerium? Die EU-Prüfstelle für Humor-Geschmacksnorm? Die Reichsschrifttumskammer?
Wer jetzt mit dem Argument von „verletzten Gefühlen“ kommt: Das ist das Problem eines jeden noch so harmlosen Witzes – irgendeiner wird sich auf dieser Welt immer finden, dessen Gefühle dadurch verletzt werden. „Wie heißen die drei häufigsten Todesursachen von Katzen? Goodyear, Michelin und Pirelli!“ Ich bin Katzenliebhaber, und mir wurde auch schon mal eine Katze totgefahren. Trotzdem kann ich darüber lachen. Heute zumindest. Hätte mir den Witz jemand an dem Tag erzählt, als es meine Katze erwischt hatte, wäre ich sicherlich in Tränen ausgebrochen. Aber das wäre dann mein Problem gewesen; deswegen hätte ich mich nie dafür ausgesprochen, diesen Witz zu verbieten oder jedem, der ihn erzählt, die Existenz zu vernichten!
Es soll ja auch Leute geben, die Böhmermann, Welke oder Bosetti lustig finden, während ich bei deren bloßem Anblick bereits im Strahl kotzen muss. Dennoch wäre ich niemals dafür, diese drei Staatsclowns zu canceln – an denen stört mich lediglich, dass wir alle sie mit unseren Zwangsgebühren finanzieren müssen. Wenn die es schaffen würden, sich mit ihrem „Humor“ am freien Markt erfolgreich durchzusetzen, würde ich ihnen sogar anerkennend gratulieren.
Grundsätzlich gilt: Wer irgendeinen Komiker und seine spezielle Art von Humor nicht witzig findet, kann ihn problemlos ignorieren! So wie es analog ja auch jede Menge Musik gibt, die man nicht mag, und die hört man sich dann einfach nicht an. Niemand käme auf die irre Idee, Mozart verbieten zu wollen, nur weil sich ihm bei Wiener Klassik die Fußnägel hochrollen.
Ich könnte jetzt ellenlang ausführen, wo Mockridges „Fehler“ lag, Stichwort „Opferhierarchie“, beschränke mich aber auf die Kurzfassung: Laut Vorgaben aus Wokistan darf man nur Witze machen über Menschen, die einem entweder ebenbürtig sind oder weniger „Nachteile“ in Form von Diskriminierung oder Ähnlichem haben als man selbst. So darf ein Schwuler Witze über Heterosexuelle machen und ein Schwarzer Witze über Weiße, aber umgekehrt geht’s halt nicht, weil die einen angeblich benachteiligt und die anderen angeblich privilegiert sind. Dabei ist auch das alles, wenn es denn wahr wäre, immer relativ: Auf einer Versammlung der „Black Panthers“ ist man als Weißer nicht privilegiert, und in einer Gay Bar als Heterosexueller auch nicht. Das Problem dieses Witze-Wokismus ist jedoch, dass ein „alter weißer Mann“ wie Luke Mockridge, dazu noch heterosexuell und nicht behindert, deshalb – wenn überhaupt! – nur Witze über andere alte, weiße, heterosexuelle, nicht behinderte Männer machen darf. Er müsste also sein gesamtes Programm damit bestreiten, über Björn Höcke und Donald Trump herzuziehen, was eine herbe Einschränkung darstellt, außer man arbeitet beim Staatsfunk. Ein Witz über Annalena Baerbock verbietet sich bereits, denn die ist eine Frau und damit „benachteiligt“. Außerdem ist sie bei den Grünen, über die macht man grundsätzlich keine Witze, sonst tritt einem am nächsten Morgen um sechs Uhr ein SEK die Tür ein. Sollten Sie jedoch zufällig eine junge, lesbische, behinderte, schwarze Frau sein, habe ich den ultimativen Tipp für Sie: Gehen Sie in die Comedy-Branche, da können Sie sich dumm und dusselig verdienen, weil Sie wirklich über alles und jeden herziehen dürfen, bis die Schwarte kracht!
Seine Erklärungen und Entschuldigungen haben Luke Mockridge nichts gebracht – er wurde gecancelt. Traurigerweise muss man hinzufügen, dass er wohl auch gecancelt worden wäre, wenn er sich nicht entschuldigt, sondern in Harald-Schmidt-Manier noch einen draufgesetzt hätte. Allerdings hätte er dann zumindest noch seine Eier. Die hat er jetzt nicht mehr. Und so ganz ohne Eier – das ist irgendwie auch behindert…
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