Kulturkampf: Beschuldigen, beschämen, beschädigen
Ein weihnachtlicher Gedanke
von Oliver Gorus drucken
Vor kurzem bin ich mal wieder von einem linksextremistischen Aktivisten öffentlich der Kontaktschuld bezichtigt worden: Ich sei Teil eines rääächten „Netzwerks“. – Dabei sind die meisten meiner Bekannten, mit denen ich mich oft und gerne auch über gesellschaftliche Dinge austausche, mittlerweile größtenteils klassische Liberale oder Libertäre, also freiheitlich denkende Individualisten. Rechtskollektivisten kenne ich kaum, fast noch mehr Kontakt habe ich zu Linkskollektivisten, von denen es durchaus einige gibt, die zwar verwirrt sind über die Methodik, wie die Welt ein wenig besser werden könnte, die aber nichts anderes als das wollen: Gutes bewirken.
Weil dem Aktivisten die Anschuldigung einer bloßen „Mitgliedschaft“ in einem bösen Netzwerk wohl noch nicht genügend knallte, fügte er ein wenig Lügengespinst hinzu und behauptete, ich würde die Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts fordern. – Das ist natürlich Bullshit. Und wenn ich Zeit und Muße hätte, könnte hier ein guter Rechtsanwalt für mich sogar noch etwas herausholen. Die Wahrheit ist: Ich fordere generell gar nichts. Von wem auch hätte ich etwas zu fordern? Wenn ich eine berechtigte Forderung eintreiben möchte, merkt das mein Schuldner … Aber so etwas findet nicht in der Öffentlichkeit statt. Außerdem sind politische Forderungen nichts anderes als die öffentliche Beurkundung von Ohnmacht. Und ich fühle mich keineswegs ohnmächtig.
Nein, ich hatte lediglich einmal vor Jahren darauf hingewiesen, dass, wenn in einem expansiven Umverteilungssystem die Transferempfänger irgendwann in der Mehrheit sind, sie mit ihrer demokratischen Mehrheit die Minderheit der Transferzahler unterdrücken und ausbeuten können. Das ist halt einfach Fakt. Und Lösungen für dieses Problem innerhalb des Rahmens des Grundgesetzes sind vermutlich gar nicht möglich. Allerdings erlaubt es die Verfassung durchaus zu diskutieren, wie man beim nächsten Versuch des gesellschaftlichen Zusammenlebens das Problem verhindern könnte. Eine solche Diskussion zu tabuisieren, macht wenig Sinn und entspricht auch so gar nicht dem Geist des Grundgesetzes.
Linksextremisten allerdings wollen ja nicht diskutieren, sie wollen offensichtlich ihre politischen Gegner irgendwie wegmachen. Vermutlich ganz ähnlich wie (echte) Rechtsextremisten. Darum greifen sie ihre ideologischen Gegner permanent an, gerne persönlich, gerne mit unfairen Mitteln, gerne auch gleich via Sippenhaft auch die Familie oder die Mitarbeiter oder die Kunden, gerne die wirtschaftliche und die soziale Existenz vernichtend, denn die physische Vernichtung ist ja derzeit noch nicht straffrei möglich … noch.
Nun, es ist Weihnachten, und da kamen mir in Verbindung mit der gehässigen Spalterei solcher Aktivisten aus irgendeinem Grund die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland mit ihren Geschenken in den Sinn. Das Morgenland ist der Osten. Ich denke da mal gleich ganz radikal fernöstlich und bringe Ihnen und mir zum Geschenk einen Gedanken aus Japan mit.
Die Japaner denken in mancherlei Hinsicht anders als wir Deutschen. Wenn ein Deutscher bei einem anderen Menschen ein Fehlverhalten sieht, wird er typischerweise versuchen, wenn er kann, diesen fehlerhaften Menschen zu korrigieren. Ist es ein Freund, dann wird er ihn freundschaftlich tadelnd zurechtweisen: Du, das finde ich nicht ok von dir … Ist es ein Feind, wird er typischerweise versuchen, den Übeltäter zu beschuldigen, zu beschämen oder zu beschädigen. Er wird sich dabei im Recht fühlen, sich empören und dabei implizit demonstrieren, dass er ein viel, viel besserer Mensch ist.
Ein Japaner denkt so nicht. Niemals würde er einen Mitmenschen mit dessen Fehlverhalten konfrontieren. Stattdessen denkt er: Mich stört das Verhalten des Anderen doch nur deshalb, weil ich auch so bin wie er. Denn sonst hätte ich das ja gar nicht gemerkt und ich hätte auch keine schlechten Gefühle dabei, seinem Verhalten beizuwohnen. Nicht er ist das Problem, sondern es hat etwas mit mir selbst zu tun.
Wenn ich als Japaner also etwas ändern möchte in der Welt, dann ändere ich nicht eine andere Person, sondern mich selbst, vorzugsweise mein Denken, denn dann verändert sich auch mein Verhalten. Und das nächste Mal, wenn so eine Situation wieder vorkommt, wird sie anders verlaufen. Ich werde dann keinen Anlass mehr haben, mich zu ärgern, denn ich habe mich geändert, es hat nichts mehr mit mir zu tun. Und die Änderung bei mir wird dem Anderen helfen, sich ebenfalls anders zu verhalten.
Vermutlich habe ich das nur unzureichend präzise wiedergegeben, ich bin beileibe kein Japankenner. Aber Sie verstehen meinen Punkt. Ein solches Denken wirkt gesellschaftlich integrierend, während das geschilderte deutsche Denken spaltend wirkt. Und das ist unklug, denn wir alle müssen ja irgendwie in dieser Gesellschaft auch künftig miteinander klarkommen. Jakob Augstein sagte neulich sinngemäß: Wenn der Klempner kommt, können Sie ja nicht an der Tür überprüfen, ob der bei der AfD ist, um ihn dann gegebenenfalls rauszuschmeißen.
Die japanische Idee, erstmal bei sich selbst nach dem Rechten zu schauen, ist gar nicht nur fernöstlich. Sie ist die gleiche wie die von Michael Jackson mit seinem Song „I’m starting with the man in the mirror“ und wie die aus der Bibel an zwei Stellen, in der Bergpredigt im Matthäus-Evangelium und in der Feldrede im Lukas-Evangelium: Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? Ja, und diese Idee ist auch verwandt mit einem der zentralen Gedanken aus dem säkularisierten Christentum, der Aufklärung, nämlich dem kategorischen Imperativ von Immanuel Kant.
In diesem Sinne, liebe Kollektivisten links und rechts und liebe Freiheitlichen: beschuldigen, beschämen, beschädigen? Ich mach da nicht mit.
Frohe Weihnachten!
Kommentare
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