Freiheit der Popkultur: Helden aus der zweiten Reihe
Der Film erinnert mich immer daran, dass das Kollektiv nicht der Feind ist
von Sascha Blöcker
Ein Sportfilm, wie jeder andere? Nein. Helden aus der zweiten Reihe erinnert mich immer daran, dass das Kollektiv nicht der Feind ist. Ja, ich kann euren Blutdruck bis nach Bulgarien spüren, aber gebt mir die Gelegenheit, mich zu erklären. Zuvor wollen wir aber einen geschulten Blick auf die Handlung werfen.
Handlung
Wir steigen ein und erfahren, dass die Spieler des professionellen Footballs streiken – natürlich des Geldes wegen. Also wendet sich der Besitzer eines fiktiven Football-Teams an Jimmy McGinty (Gene Hackman), um ein Ersatzteam auf die Beine zu stellen und dieses auch zu coachen. Dieser nimmt das Angebot an und stellt nineties-typisch ein komplett verrücktes Team auf. Um nur einige der Namen im Team zu nennen: Keanu Reeves, Jon Favreau, Orlando Jones, Rhys Ifans. Die Aufgabe, welche dieses Team zu erfüllen hat, ist, drei Siege in vier Spielen zu erringen, nur um danach in den Alltag zurückzukehren. Hinzu kommt eine wirklich schön geschriebene Lovestory, welche darin mündet, dass der legendäre John Madden (der nicht nur als Coach, sondern auch als Kommentator im Football Maßstäbe setzte) den ersten Kuss zwischen Brooke Langton und Keanu Reeves von der Annäherung bis zum Erfolg wie ein Footballspiel kommentiert. Okay, bis hierhin reden wir über einen gewöhnlichen Sportfilm, aber das Ende macht den großen Unterschied, denn für dieses Team gibt es keine Parade, keine Werbeverträge und keine große und glorreiche Zukunft im Sport. Sie sind Helden für einen Tag und das war's. Dieser Aspekt klingt erst mal traurig, aber wenn wir ehrlich sind, geht es vielen von uns so. Aber dazu später mehr.
Handwerk
Es ist ein humorvoller Sportfilm und handwerklich bekommen wir, was wir erwarten. Mit Ausnahme der Darsteller Keanu Reeves (Matrix) und Gene Hackman (Erbarmungslos), die ohnehin zu meinen liebsten Darstellern gehören, hat mich besonders Jon Favreau (Regisseur von Iron Man) überrascht, der seinem zugegebenermaßen völlig überspitzten Charakter viel Charme verleiht. Das Tempo des Films muss ich auch noch loben, denn ich hatte auch beim erneuten Ansehen nie das Verlangen, nach meinem Handy zu greifen.
Botschaft oder was ich aus dem Film mitnehme
Neben der oberflächlich familientauglichen Komödie haben wir auch Sozialkritisches, insbesondere zum Thema Streiken. Ein Thema, das auch in Deutschland immer wieder aktuell ist. Das streikende Team wirkt nie sympathisch und ihr Umgang mit den Streikbrechern tut ihr Übriges. Natürlich ist mir bewusst, dass das ganze Streikthema nicht so einfach abzutun ist, aber es ist dennoch erfrischend, auch mal diese Seite auf dem Bildschirm zu sehen.
Helden für einen Tag
An dieser Stelle werde ich persönlicher, als ihr es gewohnt seid, aber das muss raus. Wir alle ziehen uns hier und da an unseren großen Leistungen der Vergangenheit hoch, und je weiter diese in der Vergangenheit liegen, umso bedrückender wird die Erinnerung. Für den einen ist es das eine Fußballspiel, in dem man im entscheidenden Moment das wichtige Tor geschossen oder verhindert hat, für den anderen ist es das Meeting, bei dem einem die glorreiche Idee kam, welche noch Monate oder Jahre wegweisend sein sollte. Wir alle haben diese Momente und ich glaube, wir brauchen sie auch, aber diese Momente haben auch Schattenseiten. Denn wer, außer wir selbst, hat diesen Moment noch im Gedächtnis? Ich sage es euch: niemand. Denn ähnlich wie unsere Helden im Film sind wir nur Wegbereiter. Was wir geschafft haben, wird oft von anderen aufgenommen und verarbeitet. Einige Beispiele dafür sind auch heute noch zu sehen. So halten Leute Martin Sellner mittlerweile für jemanden, der den Menschen Bitcoin erklärt. Schön, dass er welche hat und schön, dass er für Bitcoin wirbt, aber wo ist das Lob für jene, die ihm fünfzehn Jahre den Weg geebnet haben? Ja, wir belohnen uns monetär, was gut ist, aber mir fehlt der Respekt für die Pioniere. Viele, die Streams, Videos und Blogs gemacht haben, sind heute eben jene Helden aus der zweiten Reihe, jene, die schon bald vergessen sein werden, jene, auf deren Fundament der Erfolg von so vielen errichtet worden ist.
Das Kollektiv ist nicht der Feind
Jede Sportmannschaft ist ein Kollektiv und vermehrt muss ich wahrnehmen, dass Anarchos Kollektive als das ultimative Böse betrachten. Das nicht falsch verstehen, ich habe kein Problem mit dem Individualisten, aber das ist nicht jedermanns Sache. Ich für meinen Teil bin sehr extrovertiert und liebe Kollektive. Der entscheidende Unterschied besteht meiner Ansicht nach nicht zwischen Individualist und Kollektivist, sondern darin, ob die Lebensweise freiwillig ist. Einzelhaft ist erzwungener Individualismus und ein Staat ist erzwungener Kollektivismus. Beides lehne ich natürlich ab, aber ich kritisiere auch nicht den Weg, den Menschen in der Freiheit freiwillig wählen würden.
Fazit
Ein wirklich sehenswerter Film, der auch heute noch Spaß macht. Ja, ich interpretiere vielleicht etwas viel in ihn hinein, aber es heißt ja: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst macht sichtbar.“ (Paul Klee)
Danke, dass ihr euch die Zeit zum Lesen genommen habt.
Kommentare
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