15. Dezember 2024 06:00

„Effektiver Altruismus“ Eine freiheitsfeindliche Ethik macht sich breit

Idee mit schwerwiegenden Konsequenzen

von Antony P. Mueller

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Bildquelle: Collagery / Shutterstock Euthanasie: Wenn im Namen eines „Effektiven Altruismus“ das Recht auf Leben infrage gestellt wird

Mit der Theorie des „Effektiven Altruismus“ wurde eine zur Technokratie passende Philosophie entwickelt. Diese Lehre erhebt den Anspruch, durch Verwendung von Evidenz und Vernunft das bestmögliche Gute in der Welt zu erwirken. Die Basis dieser Theorie ist der Utilitarismus, wie er ursprünglich von Jeremy Bentham (1748–1832) begründet wurde. In Fortführung dieses Ansatzes hat vor allem in unserer Zeit der australische Bioethiker Peter Singer den Utilitarismus zum „Ethischen Konsequentialismus“ weiterentwickelt. Nach Singer muss die Moral einer Handlung anhand ihrer Konsequenzen bewertet werden. Intrinsische Werte oder der „Gute Wille“ im Sinne von Immanuel Kant sollen keine Rolle bei der ethischen Beurteilung einer Handlung spielen.

Bei Singers „Effektiven Altruismus“ geht es um das Wohl des Kollektivs, nicht um den einzelnen Menschen. Bei Bentham war das noch die Nation, bei Singer ist es die ganze Welt, einschließlich der Tiere. Das Glücksprinzip als „grundlegendes Axiom“ des Utilitarismus besagt, dass „das größte Glück für die größte Anzahl von Menschen das Maß für Recht und Unrecht ist“ und dass die Pflicht, dem allgemeinen Glück zu dienen, eine Verpflichtung ist, die alle anderen überragt und einschließt.

Auf utilitaristischer Basis aufbauend, wollen die Anhänger der Lehre des Effektiven Altruismus das Leiden in der Welt durch rationales und evidenzbasiertes Handeln minimieren. Beim Effektiven Altruismus handelt es sich somit um eine kollektivistische und technokratische Bewegung. Ihr Bezug ist die gesamte Menschheit einschließlich der Tierwelt und es ist Aufgabe der Experten, wie das Leiden bewertet und gelindert werden soll.

Die Ethik des Effektiven Altruismus besagt, dass jeder Mensch Verantwortung dafür trägt, für andere Gutes zu tun, wobei dieses Handeln vom Effizienzgesichtspunkt geleitet sein muss. Effektivität der Hilfe ist der zentrale Grundsatz als Erweiterung der herkömmlichen Formen des Almosenspendens. Nicht die Absicht, der „gute Wille“, zählt, sondern die Wirkung, und die Wirkung muss auf wissenschaftlicher Grundlage festgestellt werden.

Mit dem Grundsatz der Wirksamkeit hängt das „Prinzip der Priorisierung“ zusammen. Demnach sollen bestimmte Bereiche, wo die höchste Wirksamkeit zu erwarten ist, bevorzugt in den Genuss der Hilfe kommen. Wo und wie das zu geschehen hat, muss wissenschaftlich bestimmt werden. Es überrascht daher nicht, dass von den Anhängern der Philosophie des Effektiven Altruismus als Beispiel dafür, wo geringe Geldmittel sehr günstige Effekte haben, die Forschung zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten und Impfungen genannt werden.

Der dritte Grundsatz des Effektiven Altruismus ist das Prinzip der Langzeitwirkung. Solche Projekte sollen unterstützt werden, die nicht nur kurzfristig positive Effekte zeigen, sondern wo diese auch langfristig zur Wirkung kommen. Diese Unterscheidung zu treffen, obliegt der Technokratie.

Anhänger der Philosophie des Effektiven Altruismus sehen sich weiterhin dazu aufgefordert, die eigene Lebensgestaltung daran auszurichten, wie man persönlich möglichst viel Einfluss auf die Welt nehmen kann. Dazu zählt auch der gezielte Erwerb von Reichtümern, da dieser es einem ermöglicht, möglichst viel zu spenden.

Einer der wichtigsten Philosophen dieser Bewegung ist Peter Singer (geboren 1946). Seine ethischen Theorien basieren strikt auf dem Utilitarismus, wonach eine Handlung dann als ethisch richtig zu gelten hat, wenn durch eine Tat das größte Glück für die größte Anzahl befördert wird. Das Kollektiv ist der Orientierungspunkt. Es geht um das „Menschheitsglück“.

Singer weitet diese Thesen auf die gesamte Umwelt aus und radikalisiert den Verpflichtungsbegriff. Singers Konzept des „expandierenden Kreises“ besagt, dass sich im Verlauf der menschlichen Geschichte der Kreis der Wesen, die moralisch berücksichtigt werden, ausgeweitet hat. Vom Stamm über die Nation hinausgehend ist in unserer Zeit der ganze Globus in die ethische Verantwortung einzubeziehen. Mit der geographischen Erweiterung geht die soziale einher, sodass der Kreis auf Mitglieder anderer Gruppen, anderer Rassen und anderer Arten über die Menschen hinausgehend auszudehnen ist. Konsequenterweise darf es nach dieser Moral keine Bevorzugung nach dem Nachbarschaftsprinzip oder sogar der eigenen Familie geben.

Für Peter Singer ist die Erweiterung des Kreises der ethischen Verpflichtung eine natürliche Folge der moralischen Entwicklung der Menschheit. Die neue Ethik soll alle Wesen einbeziehen, die Leiden erfahren können. Deshalb besteht die Pflicht nicht nur darin, die Moral auch auf fremde Menschen auszudehnen, sondern auch auf Tiere, da auch diese Leiden erfahren. Wie abwegig die Forderungen dieser Lehre sind, zeigt sich nicht nur daran, dass sie zur Rettung der gesamten Menschheit verpflichtet. Die gestellten Moralanforderungen auf die Tierwelt auszudehnen, zeigt, konsequent zu Ende gedacht, dass nur eine vegane Lebensführung ethisch zu rechtfertigen wäre und darüber hinaus es eine moralische Verpflichtung der Menschen gäbe, den Grausamkeiten, die innerhalb der Tierwelt auf natürliche Weise herrschen, ein Ende zu setzen.  

Nicht der Respekt vor dem Leben ist Singers Grundprinzip, sondern das Konzept der Leidensminimierung. Mit dem gleichen Argument setzt er sich für das Recht auf Abtreibung ein und befürwortet Euthanasie und Organhandel, wenn dadurch Leiden vermieden werden kann.

Wenn man die gegenwärtige Transformation des Moralischen beobachtet, fällt es nicht schwer, Indizien zu finden, dass die Prinzipien des „Effektiven Altruismus“ immer mehr Anklang finden und dass sich damit eine neue Religion breitmacht, die nicht das Individuum, sondern das Kollektiv in den Mittelpunkt stellt. Eine Regierung, die sich dem Effektiven Altruismus verpflichtet fühlt, erhält durch diese Lehre den Freibrief, nicht nur den Einzelnen, sondern auch die eigene Nation zu unterdrücken. Nicht Nächstenliebe steht an erster Stelle, sondern das groteske Prinzip, zur Rettung der gesamten Menschheit einschließlich der Tierwelt verpflichtet zu sein. Was bei der Anwendung dieser Morallehre auf der Strecke bleibt, ist die individuelle Freiheit, die Menschenwürde und das Recht auf Selbstbestimmung.

Peter Singer: „Praktische Ethik“ (2013)

Antony P. Mueller: „Technokratischer Totalitarismus“ (2023)


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