16. August 2025 16:00

Streitkräfte Viel Firlefanz, wenig Wirkung

Libertäre Militärdoktrin als Alternative

von Paul Siegenthal drucken

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Bildquelle: Flickr Bild von Tullio Crali: Vor dem Öffnen des Fallschirms

„Der Krieg ist der Vater aller Dinge, aller Dinge König; die einen macht er zu Göttern, die andern zu Menschen, die einen zu Sklaven, die andern zu Freien“, sagte Heraklit. Krieg ist die reinige Kraft der Zivilisation: Er vernichtet Hirngespinste, schafft realen Fortschritt und bereinigt Machtverhältnisse. Frieden ist kein Zustand per se, sondern die Folge von Krieg.

Westliche Erfolgsfaktoren

Seit den Mongolen hat keine einzige Macht Europa ernsthaft in Bedrängnis gebraucht. Ende des 18. Jahrhunderts konnte der alte Kontinent nach Belieben Gebiete auf dem gesamten Erdball besetzen. Widerstand war zwecklos.

Die europäischen Mächte waren von ihren Werten überzeugt, die Bevölkerung wuchs, die Technologie war überlegen. Dank der Industrialisierung stand Material in großen Mengen zur Verfügung. Die militärische Überlegenheit des Abendlandes ging aus der Schweizer Ordonanz, dem Gevierthaufen, hervor. Aufgeteilt in unabhängige Truppeneinheiten ohne ein allgegenwärtiges „Oberkommando“, konnte eine solche Streitmacht weit größere Gegner vernichten. Wir werden darauf zurückkommen.

Gewonnen und doch verloren

Seit dem Vietnamkrieg ist alles anders. Kriege werden geführt und gewonnen, doch kurz danach zieht der Westen wieder ab, und die alten Mächte kehren zurück. Der Gegner weiß schon im Vorhinein: Der Westen wird ein großes Spektakel veranstalten und dann wieder verschwinden.

No boots on the ground

Zunehmend erscheint der Westen nicht einmal „persönlich“. Er beschränkt sich auf Luftangriffe und vermeidet den Bodenkampf. Größere Verluste rufen sofort als Pazifisten verkleidete Kommunisten auf die Straßen, die unmittelbar mehr Aufmerksamkeit bekommen als der Einsatz der Armee. Das Drehbuch ist immer das gleiche, wie wir jetzt wieder in Gaza sehen.

Die Schwäche des Westens liegt nicht allein in der marxistischen Unterwanderung der Gesellschaft. Die Armeeführungen sind selbst mitverantwortlich für die Probleme.

Überbordende Bürokratie

Der langanhaltende Frieden hat vor allem zu Bürojobs in den Armeeverwaltungen geführt. In der britischen Marine gibt es mittlerweile zwei Admiräle pro Schiff. Im Zweiten Weltkrieg siegten die USA mit wenigen Generälen, mittlerweile haben sie Hunderte.

Technikgläubigkeit

Der Westen ist davon überzeugt, für jedes Problem eine technische Lösung zu haben. Ununterbrochen stellen die Medien neue, noch teurere Gimmicks vor. Die alten Systeme gelten schnell als veraltet und werden mit Milliarden Euro durch neue ersetzt.

Ein solcher Running Gag ist die Stealth-Technologie. Flugzeuge sind so teuer, dass die Armeen sich nur wenige davon leisten können. Der Ukraine-Krieg verdeutlichte, dass die alten Panzer genauso effektiv sind wie neue. Alte Flakpanzer wurden aus den Museen geholt, da die teuren Raketensysteme gegen billige Drohnen gar nicht eingesetzt werden können.

Während ihrer gesamten Ausbildung feuern die Soldaten einer Patriot-Batterie keine einzige Rakete ab. Das ist keine Kriegsvorbereitung, sondern Schauspielerei.

Unnütze Informationssysteme

Damit die hohen Herren des Generalstabs sich nicht die Füße schmutzig machen müssen, benötigen sie Informationssysteme, um sich doch irgendwie ins Geschehen einbringen zu können. Die Schweiz ist hier besonders fleißig: Jedes Jahr hört man von einem gescheiterten Informatikprojekt, dass ein paar Hundert Millionen gekostet hat.

Überschätzte „Intelligence“

Aufklärung ist eine nützliche Sache, doch sie ist nicht kostenlos. Die dort investierten Mittel fehlen woanders und behindern Entscheidungsprozesse. Kommandeure warten so lange ab, bis sie sich ihrer Sache ganz sicher sind. Ihr Versagen rechtfertigen sie dann mit zu wenig Informationen. Aus der Betriebswirtschaft weiß man, dass die Qualität einer Entscheidung nicht steigt, wenn mehr Informationen vorhanden sind. Dies dient lediglich zur Rechtfertigung des Versagens. Wenn Sie also das nächste Mal von amtlichen Stellen hören, es habe keine Hinweise gegeben oder die Informationslage sei unklar gewesen, dann wissen Sie, mit wem Sie es zu tun haben.

Korrupte Rüstungsindustrie

Keine Branche ist so korrupt wie die Rüstungsindustrie. Es gibt nur einen (oder nur wenige) Kunden für Rüstungsgüter und das ist der Staat. Politiker haben die Korruption in den Genen und bei milliardenschweren Rüstungsaufträgen haben sie es noch nie unterlassen, ordentlich hinzulangen. Das Risiko ist gering: Der Betrogene ist der Staat und der hat nur selten Lust, ein Verfahren gegen seine eigene Inkompetenz einzuleiten. Corona lässt grüßen.

Die Absicht der EU-Mitgliedsländer, ihre Rüstungsausgaben auf fünf Prozent zu erhöhen, klingt eher nach einer Diätenerhöhung.

Verteidigungsstrategie

Defensivstrategien sind reine Verbalakrobatik – es gibt sie nicht. Kein Fußballklub spielt mit der Absicht, ein Unentschieden herauszuspielen. Als dem Römischen Reich die Gegner ausgingen und eine Expansion nicht mehr lohnend erschien, begann der Abstieg. Wer nur seine Besitztümer verteidigt, bietet dem Gegner einen sicheren Rückzugsort. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er durchbricht.

Eine neue Doktrin

Jede Armee muss offensiv aufgestellt sein. Rückzugsgefechte kann man den Schützengesellschaften überlassen.

Die Infanterie führt den Kampf. Nur mit „boots on the ground“ kann ein Sieg gesichert werden. Luftkriegführung allein ist zu kostspielig und nicht nachhaltig. Lediglich die USA können sich eine solche strategische Luftwaffe leisten.

Die Gefechtsführung muss, wie beim Gevierthaufen, dezentral erfolgen. Die Frontkommandeure führen vor Ort selbständig ohne unnütze Stäbe. Der Erfolg auf dem Schlachtfeld qualifiziert für eine Beförderung – nicht die Dienstzeit.

Eine europäische Gesamtarmee ist und bleibt eine Wunschvorstellung der Politiker. Infanteriearmeen benötigen weniger teure Informations- und Waffensysteme. Der Kampf im Verbund mit anderen Armeen erfolgt zwar koordiniert, aber selbständig. Ähnlich wie der Gevierthaufen ist so eine Streitmacht wesentlich effizienter.

Der Gegner muss sich darüber im Klaren sein, dass eroberte Gebiete dauerhaft besetzt werden. Für ihn gibt es nur die Kapitulation. Wenn die eroberte Bevölkerung bereit ist, die neuen Spielregeln zu akzeptieren, kann sie zu einem Bundesgenossen werden. Bei Renitenz stellt die Haager Landkriegsordnung den verbindlichen völkerrechtlichen Rahmen dar.

Damit sind nicht alle Probleme der westlichen Streitkräfte behoben. Infanterieheere stützen sich auf die Bevölkerung. Ist diese verteidigungsunwillig oder -unfähig, nützt alles nichts.

Haager Landkriegsordnung


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