Sowjetische Besatzungszone (SBZ): Zeitzeugen im Unterricht an Schulen in Brandenburg
Sie machen „Bodenreform“ und Zwangskollektivierung für Schüler anschaulich
von Klaus Peter Krause drucken

Bodenreform? War da nicht mal was? Ja, da war mal was. Schon etwas länger her. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Also genau vor achtzig Jahren. Geschehen in Deutschland, aber nur in einem Teil Deutschlands, der damals Sowjetische Besatzungszone (SBZ) hieß und wo die „Reform“ zwischen 1945 und 1949 – anders als im restlichen besetzten Deutschland – auch wirklich stattfand. Also die Bodenreform. Klingt eigentlich positiv, Reform klingt doch stets nach etwas Gutem, Vernünftigem, gar Notwendigem. Eigentlich. Aber die Menschen, die von dieser Reform betroffen und deren Betreibern ausgeliefert waren, fanden sie nicht gut, nicht vernünftig, nicht notwendig. Schlimmer noch: Diese „Reform“ war mit allen ihren brutalen, unmenschlichen, mörderischen Begleiterscheinungen politisches Verbrechen, war staatliche Kriminalität, und zwar kommunistischer Machart.
Gut vierzig Jahre später, als die DDR unter- und aufgegangen war in der BRD, folgte eine ebenfalls empörende Untat. Ebenjene Bundesrepublik, die sich Rechtsstaat nennt, verweigerte den einstigen Opfern die Rückgabe des geraubten Vermögens und machte ihnen Schwierigkeiten bei der Rehabilitierung, sogar dann, wenn die Opfer erwiesenermaßen falsch beschuldigt worden waren. Sie behielt das Raubgut, bereicherte sich selbst daran, ließ sich einige minimale Entschädigungen nur abnötigen, versilberte das Raubgut und darf deswegen, so vom Kammergericht Berlin im Dezember 2000 entschieden, der Hehlerei bezichtigt werden.
Ein Unterrichtsobjekt „Gespräche mit Zeitzeugen“ an Brandenburger Schulen
Warum komme ich darauf zu sprechen? Jüngst hat der Berliner „Tagesspiegel“ die sogenannte Bodenreform von damals in einem Bericht vom 5. Februar noch einmal aufgegriffen. Dessen Überschrift lautet „Neues Angebot für die Berliner Schulen: Zeitzeugen erinnern an die Folgen der Zwangskollektivierung“. Der Anlass ist ein Unterrichtsprojekt an Schulen, das die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur fördert, indem sie an Schulen Gespräche mit Zeitzeugen vermittelt und Unterrichtsmaterial bereitstellt. Diese Zeitzeugen sind Angehörige von Familien, die Opfer von Bodenreform und Zwangskollektivierung sind, damals noch Kinder waren und heute hochbetagt sind. Sie sprechen vor den Schülern über geschichtliche Zusammenhänge und persönliche Schicksale. An Beispielen schildern sie, was damals geschah und auf welche Weise.
Die Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) im Einsatz für die Opfer
Der „Tagesspiegel“ beschreibt das schlimme Geschehen von 1945 bis 1949 in der Landwirtschaft gut und zutreffend. Er informiert auch über die Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) und den 93-jährigen Manfred Graf von Schwerin, der sie gegründet hat, der noch immer ihr rühriger Vorsitzender ist und auch selbst vor Schülern redet. An fünf Brandenburger Gymnasien habe er schon gesprochen. Außer ihm tue das im Unterricht fast ein Dutzend anderer Zeitzeugen aus den damals verfolgten Familien. Die ARE setzt sich für die Opfer von Bodenreform, Zwangskollektivierung und Enteignung in SBZ und DDR seit 25 Jahren ein, ebenso aber auch für die Opfer ebensolcher politischer Verfolgung im gewerblichen Mittelstand und in Industrieunternehmen. Es geht um die Rehabilitierung und Eigentumsrückgabe, wo sie noch möglich ist, und um Entschädigung, wenn eine Rückgabe nicht mehr infrage kommt, insgesamt also darum, den Schaden bei den Opfern zu begrenzen. Jüngst noch, am 30. Januar, hat der Bundestag das Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR zum sechsten Mal novelliert (siehe untenstehenden Link).
Eine unfassbar törichte Entscheidung
Als das nach dem Zweiten Weltkrieg in DDR und BRD getrennte Rest-Deutschland 1990 „wiedervereinigt“ war, begingen die Politiker dieses nunmehr gemeinsamen Rechtsstaates ebenfalls grausam ein Verbrechen, wenn auch ohne Inhaftierung, Mord und Totschlag, aber mit einem Bestätigen der Vertreibung: Sie verweigerten den in der SBZ-Zeit politisch verfolgten und enteigneten Opfern die Rückgabe des sozialistischen Raubgutes und die Rückkehr in das Immobilieneigentum ihrer einstigen Gewerbe- und Industrieunternehmen, ihrer Bauern- und Gutshöfe samt Ländereien und Schlösser. Damit verweigerten sie den „Alteigentümern“, sich am Wiederaufbau dessen zu beteiligen, was der DDR-Sozialismus ruiniert hatte und weswegen er dann auch zusammengebrochen war. Eine auch wirtschaftlich unfassbar törichte Entscheidung.
Ein zweites Mal ums Eigentum gebracht
Der „Tagesspiegel“-Bericht erinnert an diese rechtstaatswidrige Untat verdienstvoll ebenfalls, streift sie aber nur mit fünf Sätzen: „Auch das nächste Unrecht, eng verbunden mit den Opfern, soll den Schüler bewusst gemacht werden. Denn nach der Wende von 1989, nach dem Untergang der DDR, wurden diejenigen, die im Zuge der Bodenreform enteignet worden waren, nicht entschädigt. Dies, behauptete der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), sei die Bedingung der Sowjetunion gewesen, damit sie der Wiedervereinigung zustimme. Absurd, erwiderte später der damalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow; andere sahen im Vorgehen Kohls einen ‚Verfassungsbruch‘.“
An anderer Stelle ergänzt der Bericht: „Erschwerend kam hinzu, dass es den ehemaligen DDR-Agrarbossen dank „Cliquen und Seilschaften“ gelang, ihre Macht und ein Großteil des geraubten Landes zu behalten, wie die Brandenburgische Enquetekommission 2012 bilanzierte. Sie sprach von ‚anarchischen Zuständen‘, die die enteigneten Bauern nach der Wende ein zweites Mal um ihr Eigentum brachten.“
Die Erinnerung an staatliche Rechtsverstöße muss wachgehalten werden
Alle diese Sätze treffen zu, sind aber dem Geschehen nicht angemessen genug. Allerdings würde es für den Bericht auch zu weit geführt haben, auf dieses abermals eigentumsverletzende und zudem hehlerische Folgeunrecht näher einzugehen. Aber das zu tun, will wenigstens ich, und ich werde diese Gelegenheit, nicht zum ersten Mal, abermals nutzen. Es ist der zweite Eigentumsraub Deutscher an Deutschen und nach wie vor ein schwerer Politik- und Rechtsskandal. Mit Gesetzgebung und Rechtsprechung im Gefolge der Wiedervereinigung habe ich mich für die „FAZ“ seit 1990 besonders befasst. Nach meinem altersbedingten Ausscheiden als Redakteur dort greife ich das Thema als selbständiger Journalist immer wieder einmal auf. Wie auch jetzt. Die Erinnerung an staatliche Rechtsverstöße muss wachgehalten werden.
Der Staat muss für Recht und Ordnung Vorbild sein
Es war ein Schockerlebnis für mich, von 1990 an zu erleben, dass und wie der deutsche Staat und seine Politiker, politische Parteien und Gerichte gegen seine rechtsstaatliche Verpflichtung verstoßen, unschuldigen Opfern kommunistischer Verfolgung in der Nachkriegszeit zur Rehabilitierung und möglichen Wiedergutmachung des angetanen Unrechts zu verhelfen. Als Rechtsstaat war er damit für mich erstmals unglaubwürdig geworden – in den Folgejahren dann mit Rechtsverstößen bis heute immer mehr. Ich messe den Staat mit den gleichen Maßstäben, mit denen er seine Bürger messen sollte. Und er muss Vorbild sein. Der deutsche Staat ist in diesem Fall für Recht und Ordnung kein Vorbild.
Das Vergehen der Regierung mit Bundeskanzler Helmut Kohl
Die damalige Bundesregierung unter Helmut Kohl hat nachweislich fälschlich behauptet, sie dürfe den einstigen Opfern die damals enteigneten Vermögenswerte (Häuser, Betriebe, Fabriken, Schlösser, Grundstücke, Agrar- und Forstland, Kunstschätze) nicht zurückgeben. Das habe die Sowjetunion zur Bedingung für ihre Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung gemacht. Damals als „FAZ“-Redakteur habe ich geholfen, nachzuweisen, dass die Sowjetunion das Rückgabeverbot nicht verlangt hat, dass die Bundesregierung den Bundestag und die Öffentlichkeit wider besseres Wissen, also absichtlich darüber getäuscht hat und dass sie, selbst wenn das Rückgabeverbot als unabdingbar verlangt worden wäre, diesem Verlangen (gemessen am Grundgesetz und an den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts) nicht hätte entsprechen dürfen.
Die Opfer wollen auch Rehabilitierung von einem falschen Vorwurf
Es geht keineswegs nur darum, die besagten Opfer der SBZ-Zeit für das ihnen angetane Unrecht zu entschädigen, sondern sie auch von dem falschen, ehrenrührigen Vorwurf, „Kriegstreiber und Nazi-Aktivist“ zu sein, zu befreien, sie also zu rehabilitieren und wieder in ihre wegen des Vorwurfs entzogenen Rechte einzusetzen, ihnen also auch ihr Eigentum zurückzugeben, soweit es noch verfügbar ist. Aber verfügbar ist es heute durchweg nicht mehr, weil es der deutsche Staat an Fremde verhökert hat, obwohl es ihm nicht zustand.
Deutscher Bundestag: Information zur Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze
Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog des Autors.
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