04. März 2025 18:00

Freiheit der Popkultur Demolition Man: intelligenter als erwartet

Cocteau ist ein Habeck, der mit einem Lächeln und fiat-moralischen Argumenten seinen Willen durchsetzt.

von Sascha Blöcker

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Eine Neuinterpretation des Filmposters von „Demolition Man“ durch die KI Grok
Bildquelle: KI: Grok (X) Eine Neuinterpretation des Filmposters von „Demolition Man“ durch die KI Grok

Dumm, aber schlau. Auf den ersten Blick ein Widerspruch, bei der zweiten Betrachtung aber zeigen sich sehr viele kluge Kniffe. So ist es kein Zufall, dass Sandra Bullocks Rolle den Namen Lenina Huxley trägt. Ich habe mir „Demolition Man“ nach langer Zeit mal wieder angesehen und hier sind meine Gedanken. Oh, und wer immer wissen wollte, wofür die „drei Muscheln“ gut sind, der sollte bis zum Ende lesen.

Handlung

Die Geschichte beginnt in einer chaotischen, von Gewalt geprägten Gegenwart der 1990er Jahre. John Spartan (Sylvester Stallone), ein kompromissloser Polizist – aufgrund seiner zerstörerischen Methoden mit dem Spitznamen „Demolition Man“ – ist auf der Jagd nach dem gefährlichen Psychopathen Simon Phoenix (Wesley Snipes). In einem Einsatz, in dem Spartan Phoenix stellt, kommt es zu einer Explosion, die ein Gebäude zerstört und zahlreiche Geiseln tötet. Spartan wird dafür verantwortlich gemacht, obwohl Phoenix die Katastrophe absichtlich herbeigeführt hatte. Beide werden daraufhin verurteilt und in einem kryogenes Gefängnis eingefroren – eine neue Form der Bestrafung, bei der Kriminelle in einem Zustand der Stasis gehalten werden.

Sprung in die Zukunft

36 Jahre später, im Jahr 2032, wird Phoenix während einer Bewährungsanhörung unerwartet aus der Kryohaft entlassen. Die Welt hat sich drastisch verändert: Die Gesellschaft von San Angeles – einer verschmolzenen Megastadt aus Los Angeles, San Diego und Santa Barbara – ist eine sterile, überregulierte Utopie unter der Führung des charismatischen, aber autoritären Dr. Raymond Cocteau (Nigel Hawthorne). Gewalt, Schimpfwörter, ungesundes Essen und sogar körperlicher Kontakt sind verboten. Die Polizei ist nicht mehr darauf vorbereitet, mit echten Bedrohungen wie Simon Phoenix umzugehen, der sofort ein Chaos aus Mord und Zerstörung anrichtet.

Da die Behörden überfordert sind, beschließt die Polizistin Lenina Huxley (Sandra Bullock), eine Bewunderin der „wilden“ Vergangenheit, John Spartan ebenfalls aufzutauen, um Phoenix zu stoppen. Spartan erwacht in dieser fremden, überzivilisierten Welt und ist sofort überfordert von den absurden Regeln – etwa, dass für jedes Schimpfwort automatisch ein Strafzettel ausgedruckt wird oder dass Toilettenpapier durch „drei Muscheln“ ersetzt wurde. Spartan und Huxley bilden ein ungleiches Team: Er bringt die Gewalt, den Instinkt und die Erfahrung mit, sie Neugier und technisches Wissen. Gemeinsam jagen sie Phoenix. Während ihrer Ermittlungen entdecken sie, dass Phoenix’ Flucht kein Zufall war: Dr. Cocteau hat ihn absichtlich freigelassen, um die Untergrundbewegung – eine Gruppe von Rebellen unter der Führung von Edgar Friendly (Denis Leary) – auszuschalten, die sich gegen die sterile Ordnung auflehnen und in den Abwasserkanälen leben. 

Phoenix aber erweist sich als unkontrollierbar. Er wendet sich gegen Cocteau, tötet ihn und plant, die gesamte Stadt ins Chaos zu stürzen, indem er weitere Kriminelle der Nineties befreit. Spartan muss nun nicht nur Phoenix stoppen, sondern auch die fragile Balance dieser Welt schützen, ohne sie völlig zu zerstören. Den Rest lasse ich offen für all jene, die den Film noch nicht gesehen haben.

Meine Gedanken

Bei seiner Veröffentlichung war der Film ein moderater Erfolg und hat sich im Laufe der Zeit zu einem Kultklassiker entwickelt. Besonders die visionären Elemente – wie die Erwähnung von Videokonferenzen, Abstandsgebot, unfähigen Polizisten, verweichlichten Männern oder selbstfahrenden Autos – wirken heute prophetisch. Auf die „drei Muscheln“, welche zu einem ikonischen Gag geworden sind, warten wir allerdings noch immer vergebens. 

San Angeles im Jahr 2032 ist eine sterile Utopie/Dystopie, in der nahezu jeder Aspekt des Lebens kontrolliert wird. Dr. Raymond Cocteau hat eine Gesellschaft geschaffen, in der Gewalt, Schimpfwörter, ungesundes Essen (wie Fleisch), Alkohol, Tabak und sogar physischer Kontakt verboten sind. Diese Regeln werden mit technischen Mitteln durchgesetzt, etwa durch automatische Strafzettel für verbale „Vergehen“. Ein Aspekt, der eine totale Überwachung vermuten lässt. Der Film kritisiert hier die Idee, dass Sicherheit und Ordnung nur durch den Verlust individueller Freiheiten erkauft werden können. Eine dumme Idee, welche bis heute nicht ausgestorben ist. In „Demolition Man“ geht es gar so weit, dass Sex nur noch virtuell erlaubt ist. Selbst harmlose Konflikte werden durch bürokratische Sprache und politische Korrektheit erstickt. Vielleicht genau die Welt, welche sich amtierende Politiker in Deutschland wünschen. Denn genau das ist eine der großen Stärken des Films: Die Kritik richtet sich gegen utopische Ideologien und Vorstellungen, die meinen, die menschliche Natur durch strenge Regeln „verbessern“ zu können. Stattdessen zeigt der Film, dass solche Systeme die Menschen entmündigen und sie unfähig machen, mit echten Bedrohungen wie Simon Phoenix (Einwanderung) umzugehen.

Glorifizierung von Gewalt vs. Pazifismus

Der Kontrast zwischen der deutlich übertriebenen Gegenwart (1990er) und der pazifistischen Zukunft ist ein zentraler Punkt. John Spartan repräsentiert die alte Welt: ein harter, gewaltbereiter Cop, der Probleme mit roher Kraft löst. In San Angeles ist diese Mentalität obsolet – die Polizei ist hilflos gegen Phoenix, weil sie keine Erfahrung mit echter Gewalt mehr hat. Wer sich an die Polizei in Deutschland erinnert fühlt, ist hier zweifelsohne auf dem richtigen Weg. Die Kritik an der Gegenwart der 1990er mit ihren übertriebenen Explosionen und ihrem rücksichtslosen Vorgehen persifliert die Actionfilm-Kultur dieser Zeit. Der Spitzname „Demolition Man“ ist eine Anspielung auf die Tendenz, Gewalt als einzige Lösung anzubieten, ohne die Kollateralschäden zu hinterfragen. Die guten alten Nineties. 

Wenn der Film aber Kritik an der Zukunft übt, dann inszeniert er es umgekehrt: Die Zukunft zeigt, dass ein völliger Verzicht auf Gewalt eine Gesellschaft wehrlos macht. Die Polizisten sind eher Sozialarbeiter als Kämpfer. Wer auch hier an Deutschland denkt, der hat Videos diverser Polizeieinsätze gesehen. Der Film will darstellen, dass weder exzessive Gewalt noch absoluter Pazifismus funktionieren – eine Balance ist nötig. 

Diese Balance kann aber nicht stattfinden, denn die Männlichkeit ist ausgestorben. Die Männer in dem Film sind alle sehr feminin und unfassbar harmoniebedürftig.

Freiheit im Untergrund

Unter der glänzenden Oberfläche von San Angeles existiert eine unsichtbare Welt, denn die freiheitlichen Rebellen leben in den Abwasserkanälen. Sie lehnen die Verbotskultur ab und kämpfen für einfache Freiheiten wie das Essen von Fleisch oder das Recht auf Selbstbestimmung. Die Freiheit lebt unterirdisch und der Protagonist fühlt sich da wohler als oben in der „Zivilisation“. Ich kann das absolut nachvollziehen, denn obwohl San Angeles als harmonische Gesellschaft präsentiert wird, zeigt der Film, dass diese Harmonie auf der Unterdrückung Andersdenkender – also Freiheitsliebender – basiert. Cocteau ist ein wohlwollender Tyrann, der seine Macht nutzt, um eine Welt für die Devoten und Schwachen zu erschaffen, denn diese sind leichter zu kontrollieren. Cocteau ist ein Habeck, der mit einem Lächeln und fiat-moralischen Argumenten seinen Willen durchsetzt. Somit zeigt der Film auf, dass jede Utopie, die auf Uniformität, Herrschaft und Zwang basiert, zwangsläufig eine unterdrückte Minderheit erzeugt – ein Thema, das auch in klassischen Dystopien wie „1984“ oder „Brave New World“ vorkommt.

Entmenschlichung

Entfremdung: Die Szene, in der Huxley erklärt, dass physischer Sex unhygienisch sei und durch Virtual Reality ersetzt wurde, kritisiert eine Gesellschaft, die menschliche Nähe und Instinkte zugunsten von Effizienz und Kontrolle unterdrückt. Dass wir uns von Oma fernhalten sollen, weil wir sie sonst umbringen, haben wir ja auch schon erlebt.

Fazit

Die Herrschaftskritik in „Demolition Man“ ist vielschichtig und spielt bewusst mit Extremen. Die gewalttätige, chaotische Vergangenheit gegen die sterile, repressive Zukunft. Der Film plädiert nicht eindeutig für eine der beiden Seiten, sondern zeigt die Schwächen beider Systeme. Die Satire ist oft übertrieben und humorvoll, doch sie trifft zentrale Punkte: Freiheit, Menschlichkeit und Balance sind essenziell, und jede Ideologie, die diese ignoriert, führt zwangsläufig zu Problemen.

Fun Facts

Die drei Muscheln

Sandra Bullock kann natürlich auch nur vermuten, wofür die „drei Muscheln“ stehen, aber ich finde ihre Theorie plausibel: Sie vermutet, dass es sich um drei Knöpfe handelt: Wasser, Seife und ein Trocken-Gebläse. Sylvester Stallone geht davon aus, dass diese Muscheln zum Abkratzen dienen. Der tatsächliche Ursprung liegt allerdings darin, dass einer der Autoren mal in einem Badezimmer war, in dem drei Dekorationsmuscheln lagen, und er fand die Idee witzig.

Eigentliche Besetzung

Steven Seagal sollte eigentlich die Hauptrolle spielen und Jean-Claude Van Damme sollte der Antagonist sein. Van Damme wollte es aber nur umgekehrt machen, das wollte aber Seagal nicht. Stallone wollte dann Jackie Chan als Gegenspieler, aber der lehnte ab, da er befürchtete, dass das seinem positiven Image schaden könnte. Er wird aber im Film erwähnt. Wesley Snipes wollte genau wie Stallone am Anfang auch nicht mitmachen.


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