Dark Enlightenment: Die dunkle Aufklärung
Eine postfaschistische, antidemokratische Weltanschauung?
von Paul Siegenthal

Allein der Begriff bereitet Kopfzerbrechen. Diese philosophische Theorie soll hinter der amerikanischen Politik stehen, speziell hinter den Ansichten von JD Vance. Googelt man den Begriff, findet man kaum mehr als die üblichen linken Etiketten, es handele sich um eine postfaschistische, antidemokratische Weltanschauung, der die amerikanische Rechte verfallen sei. Köppel versprach, sich mit diesen Ideen auseinanderzusetzen. Gelesen hat man bisher nichts. Also helfen wir weiter.
Die Akzelerationstheorie
Die Theorie geht von einem inhärenten Zyklus der Geschichte aus, der aus vier Phasen besteht. Ein Zyklus dauere circa 80 Jahre. Das Konzept basiert auf einer hinduistischen Saga. Er findet sich auch in Ansätzen bei Marx und Nietzsche wieder.
Die erste beziehungsweise letzte Phase ist die Krise, die in der Menschheitsgeschichte meist Kriege sind. In dieser Phase werden die Eliten eliminiert. Danach kommt die Hochperiode, in der der Frieden zurückkehrt und die Wirtschaft wächst. Die Gesellschaft hat eine gemeinsame Vision und die Zukunft wird positiv gesehen. Man wird sich später dieser Phase als „der guten alten Zeiten“ erinnern. Anschließend folgt das „Erwachen“ (Satya Yuga). Die Menschen beginnen, die Gesellschaft und ihre Normen infrage zu stellen. Sie suchen Zuflucht in Spiritualität oder in der kulturellen Rebellion. Im Westen wird diese Epoche als die 68er-Bewegung angesehen. In der dritten Phase verlieren die Menschen das Vertrauen in die Führung, die Institutionen und die Gesellschaft als Ganzes (Kali Yuga). Die Ungleichheiten innerhalb der Gesellschaften erreichen ihren Höhepunkt. Ein Brahmane wird als solcher erkannt, weil er das Gewand trägt, und nicht, weil er das Wort des Divinen verkündet.
Die Akzelerationisten (Nick Land, unter anderen) vertreten die Auffassung, dass man die einzelnen Phasen des Zyklus nicht aufhalten könne. Es sei also am besten, wenn man sie beschleunige, um sie möglichst schnell hinter sich zu lassen, um ins Utopia zurückzukehren.
Eigentlich könnte man diese Vorstellungen als das Hirngespinst einer bekifften akademischen Gruppe abtun, wären da nicht Persönlichkeiten wie Elon Musk und Peter Thiel, die diesen Ideen anhängen.
Curtis Yarvin: „Dark Enlightenment“
Nun zu Curtis Yarvin, dem Einflüsterer von JD Vance. Er ist ein Anhänger der Akzelerationstheorie (r/acc). Er ergänzt jedoch diese Theorie um die Einsicht, dass die Demokratie als politisches System zu schwach sei. Selbst wenn sie sich als solche verstehe, sei es im Kern eine Oligarchie. Bestenfalls lebe man in einer Scheindemokratie.
In den vier Phasen entfernte sich die Oligarchie immer mehr vom Volk, was in einer Krise mündete. Die Krise löste dann die Distanz zwischen Volk und Oligarchie wieder auf und der Prozess begann von vorne.
Es sei also vernünftig, gleich von Anfang an einen König (oder CEO) zu wählen. Dieser sei zwar auf die Oligarchie angewiesen, könne jedoch Richtungsentscheidungen treffen und so die Gesellschaft als Ganzes steuern.
Damit ist natürlich noch keine volksnahe oder effiziente Regierung garantiert. Yarvin schlägt daher vor, dass die Menschheit sich in Stadtstaaten wie zum Beispiel Singapur organisieren solle. Diese stünden dann in Konkurrenz zueinander. Die Menschen hätten das Recht, mit den Füßen abzustimmen. Schlecht geführte „Königreiche“ würden von selbst verschwinden.
Gleich eine Kritik vorweg: In der Schweiz hat das Volk mit der direkten Demokratie das Recht, die Entscheide einer abgehobenen Elite zu korrigieren. Zumindest theoretisch. Faktisch widerlegt die Nichtumsetzung von Volksinitiativen diese Ansicht.
Der Krieg der Oligarchen: Bürokraten versus Hightech
Hier kommen nun Peter Thiel und Elon Musk ins Spiel. Gemäß ihnen werden wir von einer inkompetenten und korrupten Bürokratenelite regiert. Bill Gates, George Soros und andere fördern bewusst „Low Profiler“ (vor allem Linke und Grüne). Diese gestalten die Gesellschaft dann so, dass die Oligarchen die Wertschöpfung des Volkes abschöpfen können. Zum Beispiel werden sinnlose Windmühlen aufgestellt, die zwar kaum Energie liefern, aber den Herstellern dank staatlicher Förderung große Gewinne bescheren. Dieses Geld wird dann von den Oligarchen über Aktiengewinne an den Börsen wieder abgeschöpft. Windmühlen sind nur ein Beispiel: Entwicklungshilfe, Bildungs- und Gesundheitswesen, Asylbusiness, ja sogar die Waffenindustrie (Ukraine-Krieg) gehören ebenfalls in dieses Geschäftsmodell.
Gemäß Thiel und Musk müsse eine technologisch überlegene Kaste, die reale Wertschöpfung generiert, die Gesellschaft führen. Damit stehen sich zwei oligarchische Systeme gegenüber: das Bürokraten- und neu das Hightech-Oligarchenmodell.
In den USA hat die Transformation mit Doge (Department of Government Efficiency) begonnen, während Europa an seinem Bürokratiemodell festhält.
Großes Kino! Wer wird sich durchsetzen? Holt das Popcorn.
Kommentare
Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.
Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.