29. April 2025 18:00

Freiheit der Popkultur Andor: Meine Rebellion gegen den rosaroten Panzer

Andor macht Star Wars erwachsen und zeigt, dass Rebellion Opfer verlangt und keine leuchtenden Schwerter.

von Sascha Blöcker

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Cassian Andor, wie ihn sich die KI Grok vorstellt
Bildquelle: KI: Grok (X) Cassian Andor, wie ihn sich die KI Grok vorstellt

Der rosarote Panzer veröffentlichte kürzlich ein Video zu Star Wars, das natürlich alles in allem interessant und sehenswert ist. An einer entscheidenden Stelle möchte ich ihm allerdings vehement widersprechen. Denn in seinem Video sagt er: „Genau das ist es, was Hollywood meiner Ansicht nach hervorbringen sollte, den ultimativen Appell an das Gute.“ Dieser ultimative Appell an das Gute hat schon seinen Reiz, aber ich mag es eigentlich etwas verschachtelter. So führt der Rosarote auch die Pattsituation von Mace Windu an. Er müsste den Antagonisten verhaften, aber das würde nichts bringen, da dessen politische Macht dafür sorgen würde, dass ihm rein gar nichts passiert, also will Windu ihn töten. Ich sage, das ist gerechtfertigt und mit dem Nichtaggressionsprinzip vereinbar – ist vielleicht mal eine Diskussion wert. Heute aber möchte ich mich dem ultimativen Guten zuwenden, denn all das, was Luke und Co. erreichen, das können sie nur erreichen, weil es viele Rebellen gab, die im Vorfeld moralisch fragwürdige Entscheidungen treffen mussten. Der Rosarote erwähnt „Rogue One“ positiv. Er sagt, „Rogue One“ macht als einzige Disney-Auskopplung nichts fundamental falsch. Ja und nein, Rosaroter. Ja, wenn du die Trilogie um „Rogue One“ meinst. Nein, wenn du der Meinung bist, Andor wäre nicht genial. Andor macht Star Wars erwachsen, und da die Serie so gut ist, dass sie sich vor Größen wie „Game of Thrones“ nicht verstecken muss, sie aber doch keiner kennt, möchte ich euch die Serie hier ein wenig vorstellen und damit eben jene Figuren, die Luke, Han und Leia alles ermöglicht haben.

Staffel 1

Andor Staffel 1, die 2022 auf Disney+ veröffentlichte Serie, ist ein Triumph der erzählerischen Tiefe und ein leuchtendes Beispiel dafür, wie das Star-Wars-Universum jenseits der Skywalker-Saga neue Höhen erreichen kann. Unter der Leitung von Showrunner Tony Gilroy, der bereits mit „Rogue One“ bewies, dass er das Universum mit einem realistischen, erdigen Ton bereichern kann, ist Andor ein Prequel, das sich um Cassian Andor (Diego Luna) dreht. Die Serie erzählt die Geschichte eines Mannes, der vom desinteressierten Einzelgänger zum entschlossenen Rebellen wird. Doch was Andor von anderen Star-Wars-Produktionen abhebt, ist die meisterhafte Charakterentwicklung, die nicht nur Cassian, sondern auch eine Vielzahl von Nebenfiguren mit Leben und Tiefe füllt. Mit einer Leidenschaft für das Geschichtenerzählen und einem Respekt vor dem Medium Film entfaltet Andor ein Drama, das sowohl Fans der Saga als auch Liebhaber anspruchsvoller Serien in seinen Bann zieht.

Cassian Andor

Im Zentrum der Serie steht Cassian Andor, den wir in „Rogue One“ als mutigen, opferbereiten Rebellen kennenlernen. Andor zeigt uns jedoch, wie er zu diesem Mann wurde. Zu Beginn der Serie ist Cassian ein zynischer Überlebenskünstler, der auf dem heruntergekommenen Planeten Ferrix lebt. Er ist ein Mann ohne große Ideale, getrieben von pragmatischen Überlebensinstinkten in einer von imperialer Unterdrückung geprägten Galaxis. Diego Luna verkörpert diesen Cassian mit einer rohen Intensität, die an die desillusionierte Haltung von Rick Blaine in „Casablanca“ erinnert. Wie Humphrey Bogarts Figur ist Cassian zunächst ein Mann, der sich aus Konflikten heraushält, doch die Umstände zwingen ihn, seine Überzeugungen zu hinterfragen.

Seine Entwicklung wird durch Schlüsselmomente vorangetrieben, die ihn mit der Brutalität des Imperiums und der Notwendigkeit kollektiven Widerstands konfrontieren. Besonders der Aldhani-Überfall (Episoden 4–6) markiert einen Wendepunkt: Cassian schließt sich einer Rebellengruppe an, die einen imperialen Stützpunkt ausraubt. Hier zeigt sich seine Fähigkeit, unter Druck zu handeln, doch auch sein innerer Konflikt – er ist kein Held, sondern ein Mann, der für Geld kämpft. Die Begegnung mit Figuren wie Nemik, einem idealistischen jungen Rebellen, der mit den besten Worten zum Thema Freiheit in der gesamten Star-Wars-Saga beiträgt, pflanzt jedoch die ersten Samen des Wandels. Nemiks Manifest, das Cassian später erhält, wird zu einem Symbol für die Ideale, die er allmählich annimmt.

Im Finale, als Cassian nach Ferrix zurückkehrt und sich entscheidet, sich Luthen Rael (Stellan Skarsgård) anzuschließen, sehen wir einen Mann, der nicht länger nur für sich selbst kämpft. Seine Transformation ist subtil, aber kraftvoll – keine plötzliche Heldentat, sondern ein schrittweiser Prozess, der durch Lunas nuancierte Darstellung glaubwürdig bleibt. Ähnlich wie Michael Corleone in „Der Pate“ wird Cassian durch äußere Umstände und innere Konflikte in eine Rolle gedrängt, die er zunächst ablehnt, aber letztlich akzeptiert.

Nebenfiguren: Ein Ensemble der Tiefe

Was Andor so außergewöhnlich macht, ist, dass die Charakterentwicklung nicht auf Cassian beschränkt bleibt. Die Serie schafft es, ein Ensemble von Figuren zu entwickeln, die jede für sich eine eigene Geschichte und Motivation haben, vergleichbar mit dem epischen Figurenreichtum eines „Game of Thrones“ in seinen besten Zeiten.

Luthen Rael: Der moralisch ambivalente Architekt der Rebellion

Luthen Rael, gespielt von dem charismatischen Stellan Skarsgård, ist eine der faszinierendsten Figuren der Serie. Als Anführer einer frühen Rebellenbewegung ist er ein Mann, der im Schatten operiert und moralische Kompromisse eingeht, um das größere Ziel zu erreichen. Sein Monolog in Episode 10 („Was habe ich geopfert? Alles!“) ist ein emotionaler Höhepunkt, der seine Zerrissenheit offenlegt. Luthen erinnert an Figuren wie Saul Berenson aus „Homeland“ – ein Stratege, der die Last seiner Entscheidungen trägt. Seine Entwicklung von einem mysteriösen Strippenzieher zu einem Mann, der seine Menschlichkeit hinter seiner Mission verbirgt, ist ebenso tragisch wie fesselnd.

Mon Mothma: Die Senatorin im goldenen Käfig

Genevieve O’Reilly brilliert als Mon Mothma, die spätere Anführerin der Rebellenallianz. In Andor sehen wir sie als Senatorin, die in den Hallen der Macht auf Coruscant ein Doppelleben führt. Ihre Entwicklung ist eine der subtilsten, aber kraftvollsten der Serie. Mon Mothma muss ihre Ideale gegen die Realität imperialer Politik abwägen, während sie in ihrer persönlichen Welt – einer lieblosen Ehe und einer feindseligen High Society – gefangen ist. Ihre Szenen erinnern an die politischen Intrigen eines „House of Cards“, nur mit einem stärkeren Fokus auf emotionaler Tiefe. Der Moment, in dem sie ihre Tochter für die Finanzierung der Rebellion opfert, ist herzzerreißend und zeigt, wie weit sie für ihre Überzeugungen geht. Dabei wäre es so leicht gewesen, alle Reichen als Antagonisten zu inszenieren.

Syril Karn und Dedra Meero: Die Gesichter des Imperiums

Selbst die Antagonisten erhalten in Andor eine bemerkenswerte Tiefe. Syril Karn (Kyle Soller), ein ehrgeiziger, aber unerfahrener imperialer Offizier, ist keine Karikatur eines Bösewichts, sondern ein komplexer Charakter, der an Walter White aus „Breaking Bad“ erinnert: ein Mann, der durch seinen Wunsch nach Anerkennung und Ordnung in eine dunkle Spirale gerät. Seine obsessive Jagd nach Cassian zeigt seine Verzweiflung, in einer bürokratischen Maschinerie Bedeutung zu finden.

Dedra Meero (Denise Gough), eine ehrgeizige ISB-Agentin, ist ebenso faszinierend. Ihre kalte Effizienz und ihr Streben nach Macht innerhalb des Imperiums machen sie zu einer Gegenspielerin, die Respekt einflößt. Doch die Serie zeigt auch ihre Isolation und die ständige Bedrohung durch ihre männlichen Kollegen, was sie menschlicher macht, ohne sie zu entschuldigen. Dedra ist eine moderne Interpretation einer Figur wie Cersei Lannister – skrupellos, aber getrieben von einem klaren Ziel.

Vergleiche und Einflüsse: ein cineastisches Meisterwerk

Andor hebt sich nicht nur durch seine Charaktere, sondern auch durch seinen Ton und seine Ästhetik von anderen Star-Wars-Produktionen ab. Während Serien wie „The Mandalorian“ oder „Obi-Wan Kenobi“ stark auf Nostalgie und Fan-Service setzen, ist Andor ein politisches Drama, das eher mit Filmen wie „Die Brücke am Kwai“ oder „Children of Men“ vergleichbar ist. Die Serie nimmt sich Zeit, ihre Welt aufzubauen, und vermeidet die typischen Star-Wars-Elemente wie Lichtschwerter oder die Macht. Stattdessen fokussiert sie sich auf die Alltagsrealität einer unterdrückten Galaxis, was sie zu einem spirituellen Verwandten von „Blade Runner“ macht, wo die Welt selbst eine Hauptfigur ist.

Die Regie, die Kameraarbeit und der Soundtrack sind von höchster Qualität. Die Szenen auf Aldhani mit ihrer weiten, kargen Landschaft erinnern an die epischen Aufnahmen von „Lawrence von Arabien“, während die Gefängnisszenen in den Episoden 8–10 eine klaustrophobische Intensität haben, die an „Die Verurteilten“ denken lässt. Nicholas Brittells Soundtrack, der orchestrale Elemente mit elektronischen Klängen kombiniert, unterstreicht die emotionale Reise der Charaktere und verleiht der Serie eine einzigartige Identität.

Fazit: Eine Liebeserklärung an die Kunst des Geschichtenerzählens

Andor Staffel 1 ist ein Juwel, das die Star-Wars-Saga mit einer bisher ungekannten Tiefe bereichert. Die Serie ist ein Beweis dafür, dass die Charakterentwicklung das Herz jeder großen Geschichte ist. Cassian, Luthen, Mon Mothma und die anderen Figuren sind keine bloßen Schachfiguren in einem größeren Konflikt, sondern Menschen mit Ängsten, Hoffnungen und Fehlern. Mit seiner respektvollen, aber kompromisslosen Herangehensweise an das Star-Wars-Universum schafft Andor eine Erzählung, die sowohl leidenschaftlich als auch universell ist.

Für Fans von Star Wars ist Andor eine Erinnerung daran, warum wir diese Galaxis lieben – nicht nur wegen der Raumschiffe und Laser, sondern wegen der Geschichten von Menschen, die gegen alle Widrigkeiten kämpfen. Für Liebhaber von Filmen und Serien ist es ein Meisterwerk, das zeigt, wie viel Potenzial im Serienformat steckt, wenn man es mit Hingabe und Können angeht. Andor ist nicht nur eine Serie – es ist eine Feier der Kunst des Geschichtenerzählens, die uns mit Spannung auf Staffel 2 warten lässt. Die erste Staffel war fantastisch, und die zweite Staffel, von der es bis dato nur die ersten drei Episoden gibt, verspricht bereits viel.

Gebt Andor eine Chance, auch du, Rosaroter!


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