07. Mai 2025 11:00

Die Linke Wie man sich rebellisch wähnt, auch wenn man ganz auf Linie liegt

Abschaffung des Kapitalismus? Erzähl mir mal was Neues

von Axel B.C. Krauss

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Bildquelle: intueri / Shutterstock Sehnsucht der Linken-Politikerin Heidi Reichinnek: Sturz „der Kapitalisten“

Gut möglich, dass Heidi Reichinnek (no pun intended) vielleicht glaubt, mit ihrer Ansicht zur bestehenden Wirtschaftsordnung, die gemeinhin als freimarktwirtschaftlich und kapitalistisch bezeichnet wird – oder auch „neoliberal“ –, gegen den Zeitgeist zu stehen. Oder die herrschende Ordnung, das System, den Status quo, den Stand der Dinge – wie auch immer man es nennen will.

Die Reichen, so Reichinnek, höhlten die Demokratie aus, weshalb sie, berichtete die „Welt“ am 4. Mai, zum „Sturz des Kapitalismus“ aufrief. Ist das ein rebellischer Akt? Unerhört? Verlässt Reichinnek, wie bereits zu hören war, damit den „Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, ist sie gar – wie aus den Reihen der AfD zu vernehmen war – was angesichts der jüngsten Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextrem“ inklusive möglicher Verbotsverfahren empörungsmäßig durchaus verständlich ist –, verfassungsfeindlich?

Erstens: Die Dauerempörung, die sich bei solchen Themen schon gewohnheitsmäßig vor allem durchs Internet ergießt, ist noch nicht mal mehr nervig, sondern nur noch langweilig und vor allem nicht zielführend. Sie ist völlig kontraproduktiv.

Vor allem, weil dabei erst mal die Begrifflichkeiten zu klären wären. Von welcher „freien Marktwirtschaft“ genau ist hier die Rede? Erst recht in einer bürokratisch, interventionistisch, fiskalisch und regulatorisch strangulierten Wirtschaft? Obendrein sind auch „die Reichen“ eher weniger dazu geeignet, ein halbwegs klar konturiertes Feindbild zu liefern, sofern man denn unbedingt eines braucht – und danach sieht es bei den Linken ja aus.

Also wer sind diese „Reichen“, die angeblich den Staat oder die Demokratie aushöhlen? Es war ef-Autor Robert Grözinger, der dazu erst kürzlich genau die richtigen Worte fand: „Was wir in Deutschland beobachten, ist Teil eines globalen Trends. Der weltweit vorherrschende Korporatismus entledigt sich der Simulation von Demokratie, die er nicht mehr aufrechtzuerhalten braucht.“

Genauso ist es, dennoch: Wer genau sind denn nun diese Kapitalisten? Sind es vielleicht diejenigen, die Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi bereits 1925 in seiner Schrift „Praktischer Idealismus. Adel, Technik, Pazifismus“ mit folgenden Worten bedachte: „Die Verfassungsform, die Feudalismus und Absolutismus ablöste, war demokratisch; die Herrschaftsform plutokratisch. Heute ist Demokratie Fassade der Plutokratie: Weil die Völker nackte Plutokratie nicht dulden würden, wird ihnen die nominelle Macht überlassen, während die faktische Macht in den Händen der Plutokraten ruht. In republikanischen wie in monarchischen Demokratien sind die Staatsmänner Marionetten, die Kapitalisten Drahtzieher: Sie diktieren die Richtlinien der Politik, sie beherrschen durch Ankauf der öffentlichen Meinung die Wähler, durch geschäftliche und gesellschaftliche Beziehungen die Minister. Die Plutokratie von heute ist mächtiger als die Aristokratie von gestern: Denn niemand steht über ihr als der Staat, der ihr Werkzeug und Helfershelfer ist.“

Also in einem Wort: Korporatismus, wie Grözinger ihn richtig nannte. Kalergis Beschreibung hat zwar schon ein Jahrhundert auf dem Buckel, gilt aber eben auch heute noch: Wo das Geld ist, ist meistens auch die Macht. Das ist nichts Neues. In den USA beispielsweise waren schon früh ähnliche Worte zu vernehmen, beispielsweise vom 28. Präsidenten der Vereinigten Staaten, Woodrow Wilson. In seinem 1918 erschienenen Buch „The New Freedom“ hieß es im ersten Kapitel, „The Old Order Changeth“: „Seit ich Politiker bin, haben mir Männer ihre Ansichten hauptsächlich privat anvertraut. Einige der größten Männer in den USA auf dem Gebiet des Handels und der Industrie haben Angst vor jemandem, haben Angst vor irgendetwas. Sie wissen, dass es irgendwo eine Macht gibt, so organisiert, so geheimnisvoll und subtil, so wachsam, so vernetzt, so vollständig, so allgegenwärtig, daß sie besser nur im Flüsterton abfällig darüber sprechen. Sie wissen, dass Amerika nicht der Ort ist, von dem gesagt werden kann – wie das früher üblich war –, hier könne ein Mann seinen eigenen Weg gehen und ihn so weit verfolgen, wie ihn seine Fähigkeiten tragen; denn heute existieren Organisationen, die, sollte er bestimmte Felder betreten, Mittel gegen ihn aufwenden werden, die ihn davon abhalten, ein Geschäft aufzuziehen, dessen Entstehung sie verhindern wollen; Organisationen, die dafür sorgen werden, dass ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wird und die Märkte sich ihm verschließen. Denn sobald er an bestimmte Einzelhändler verkaufen wird, ja an alle Einzelhändler, wird das Monopol sich weigern, mit diesen Geschäfte zu machen, und diese Händler werden dann aus Angst die Waren des neuen Mannes nicht kaufen.“

Von einer wirklich „freien“ Marktwirtschaft konnte also jenseits des Atlantiks schon damals nicht wirklich die Rede sein, sondern eben von jenen korporatistisch-korpokratischen Strukturen, die auch ein Kalergi angesprochen hatte.

Im selben Buch schrieb Wilson: „Eine große Industrienation wird durch ihr Kreditsystem kontrolliert. Das Wachstum der Nation und alle unsere Aktivitäten liegen daher in den Händen einiger weniger Männer, die, selbst wenn ihr Handeln ehrlich und auf das öffentliche Interesse gerichtet ist, notwendigerweise auf die großen Unternehmen konzentriert sind, an denen ihr eigenes Geld beteiligt ist, und die notwendigerweise, gerade wegen ihrer eigenen Beschränkungen, echte wirtschaftliche Freiheit unterdrücken, kontrollieren und zerstören. Dies ist die größte Frage von allen, und an diese müssen sich die Staatsmänner mit dem ernsten Willen wenden, der fernen Zukunft und den wahren Freiheiten der Menschen zu dienen. Dieser Geld-Treuhandfonds oder, wie er richtiger genannt werden sollte, dieser Kredit-Treuhandfonds, mit dessen Untersuchung der Kongress begonnen hat, ist kein Mythos; er ist keine Einbildung. Es handelt sich nicht um einen gewöhnlichen Trust wie andere. Er macht nicht jeden Tag Geschäfte. Er macht nur dann Geschäfte, wenn es einen Anlass gibt, Geschäfte zu machen. Manchmal kann man etwas Großes tun, wenn er nicht hinschaut, aber wenn er hinschaut, kann man nicht viel tun. Und ich habe Männer gesehen, die von ihm unter Druck gesetzt wurden; ich habe Männer gesehen, die, wie sie es selbst ausdrückten, ‚von der Wall Street aus dem Geschäft gedrängt wurden‘, weil die Wall Street sie unbequem fand und ihre Konkurrenz nicht wollte“ (W. Wilson, „The New Freedom: A Call for the Emancipation of the Generous Energies of a People“, Kapitel „Monopoly, or Opportunity?“, Prentice-Hall, Inc., 1961, Katalognummer der US-Kongressbibliothek: 61-14157, Seiten 111/112).

Um es etwas abzukürzen: Wenn Reichinnek – oder andere Linke – in dieser pauschalen Form von „den Reichen“ spricht, so meint sie damit eine eigentlich altbekannte Tatsache, die sich durch alle Zeitalter zieht, seit Menschen begonnen haben, sich zu größeren Gesellschaften zusammenzuschließen: Es gab, wie Aldous Huxley sich einmal bei einem Vortrag vor der Universität von Kalifornien in Berkeley ausdrückte, „schon immer eine Oligarchie und wird wohl auch immer eine geben“.

In Rom war es der Senat in Verbindung mit den reichsten Kaufleuten, die den Ton angaben. Heute würde man sagen: Der Staat/Die Regierung bestimmt in Verbindung mit den „Superreichen“, was innen- oder auch außenpolitisch gemacht wird; eine Oligarchie, die – so wie es in den USA in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts geschah – sich überall einkaufte, um das Denken der Bevölkerung in ihrem Sinne gestalten zu können: Man nahm Einfluss über die American Economic Association, die American Medial Association, die American Historical Association und das American School Board, um eine „Matrix“ aufzuspannen, in deren Rahmen sich die Meinungen und das Denken der Öffentlichkeit möglichst immer bewegen sollte. Heute sind es eben „Tech-Milliardäre“, schwerreiche Technokraten, die sich Einfluss auf die Regierung erkaufen, weil sie sich davon satte Profite versprechen: Lass die „Allgemeinheit“, also die Steuerdrohnen, für Förderprogramme zahlen, deren Gewinne du dadurch abschöpfst, indem du dich mit der Regierung verbrüderst oder dir, wie im Fall von JD Vance, Politiker gleich kaufst.

Long story short und wie der Entertainer Harald Schmidt es einmal ausdrückte: Die Linke weiß natürlich, dass sie keine Chance hat. Da kommt sie nicht ran. Die Strukturen sind so ausgeklügelt, so gut verborgen hinter einem dichten Nebel aus juristischen Tricks, die nur den besten und somit teuersten Anwälten bekannt sind, hinter einem Netz aus Offshore Trusts, irgendwelchen Briefkastenfirmen oder was auch immer – würde die Linke sich daran versuchen, würde man ihr ganz schnell Bescheid stoßen. Es ist illusorisch, schließlich bestehen sie seit langer Zeit und jede halbwegs clevere Elite wird den Teufel tun, sich selber ins volle Licht der Aufmerksamkeit zu stellen.

Also was meint die Linke eigentlich, wenn sie von „den Reichen“ spricht? Sie bedient wieder einmal den üblichen Neidpopulismus, mehr nicht. Sie meint diejenigen, auf die der Staat vollen Zugriff hätte, diejenigen, die man per gesetz-tem „Recht“ noch weiter schröpfen könnte, kurz: Es dürfte der Mittelstand sein, der ins Visier geriete und dessen Produktivitätspotenzial weiter vermindert würde. In einem Wort: Augenwischerei.

Zumal Vorschläge wie die „Abschaffung des Kapitalismus“ ohnehin sehr gut ins Programm der Technokraten passen würden – denn genau darauf, auf die Abschaffung des Preissystems, wollen sie ja ohnehin hinaus. Mit solchen Vorschlägen ist die Linke alles andere als „fortschrittlich“, „sozial“ oder „antielitär“ – sie ist zweckdienlich.

Bis nächste Woche.


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