24. Mai 2025 16:00

Sinnlose Arbeit Bullshit-Job Kapitalismus

Handelt es sich beim Dienstleistungskapitalismus um eine neue Entwicklungsstufe?

von Paul Siegenthal drucken

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Bildquelle: Paul Siegenthal Sex-Coach: Kein Witz, gibt es tatsächlich

Um es kurz zu machen: Der Kapitalismus gewann, weil er die Arbeiter nicht mit dem Zählen von Schrauben beschäftigte. Die Chinesen zogen ihre Lehre daraus. Sie sind nun die Werkbank der Welt, nur minimal eingeschränkt durch staatliche Vorgaben. Zeitgleich deindustrialisierte sich der Westen, er bezeichnet sich nun als Dienstleistungsgesellschaft. Haben wir einen höheren Zustand erreicht oder steht der Kapitalismus vor dem Scheitern?

Corona, der Augenöffner

Während der Corona-Pandemie mussten alle nicht wesentlichen Mitarbeiter zu Hause bleiben. Ihre Gehälter wurden faktisch mit Geldschöpfung bezahlt. Die westliche Zivilisation zerfiel nicht: Die Müllabfuhr arbeitete, es gab Strom und man konnte einkaufen.

Langsam begreift man, was es bedeutet: 80 Prozent (realistischer sind wohl 50 Prozent) der Angestellten gehen Bullshit-Jobs nach. Das sind Tätigkeiten, die kaum Wertschöpfung erzeugen.

Die Bullshit-Jobs

Der Anthropologe David Graeber unterscheidet fünf Arten von Bullshit-Jobs:

Lakaien (Flunkies): Ihre Aufgabe besteht darin, bei anderen den Eindruck zu erwecken, dass sie von Bedeutung sind. Das sind Jobs wie Assistentinnen und Empfangspersonal.

Blödmänner (Goons): Sie sind da, weil auch andere Unternehmen solche haben. Dazu zählen Lobbyisten, Telemarketer, Pressesprecher, Public-Relations-Spezialisten.

Lochstopfer (Duct Tapers): Sie beheben Probleme, die gar nicht auftreten sollten, wenn die Arbeit richtig erledigt wird. Beispiele: Kundenbetreuung, Servicemitarbeiter, Reparaturwerkstätte. Auch ganze Branchen gehören dazu: Das Polizei- und Justizsystem befasst sich überwiegend mit Fällen, die durch die Migration verursacht werden.

Formularhelden (Box Tickers): Diese erstellen Berichte oder sammeln Daten, die entweder niemand interessieren oder staatlich verlangt werden. Das ist das interne Controlling, die Revisoren, die Treuhänder und so weiter.

Aufseher (Task Masters): Gemeint ist das mittlere Management (Teamleader). Sie veranstalten Sitzungen, deren einziges Resultat der Termin für das nächste Treffen ist. Die Angestellten würden die Arbeit auch ohne sie erledigen.

Der Bullshit-Job per Exzellenz: der Beamte

David Graeber ordnete diese Gruppe den Taskmanagern zu, doch sie bilden eine eigene Kategorie – die schlimmste. Sie legen Vorschriften und Auflagen fest, die die Unternehmen einhalten müssen. Wer sich nicht daran hält, wird bestraft oder erhält keine Privilegien (Subventionen, Zuschüsse).

Häufig üben Lobbygruppen Einfluss auf die Politik und die Verwaltung aus, um die Einführung solcher Auflagen zu bewirken. Sie sind für kleine Unternehmen kaum erfüllbar, weshalb diese dann als Konkurrenten ausscheiden.

Schumpeters kreative Zerstörung

Der Ökonom Schumpeter charakterisierte die libertäre Wirtschaftsordnung als einen Prozess der kreativen Zerstörung, in dem die Stärkeren die Schwächeren verdrängen. Seiner Theorie zufolge sollten Bullshit-Jobs gar nicht erst entstehen. Sie sind kein Wettbewerbsvorteil, sondern eine Belastung. Damit wäre auch die Frage geklärt, ob die Dienstleistungsgesellschaft eine neue Evolutionsstufe des Kapitalismus darstellt. Das ist definitiv nicht der Fall.

Auch impliziert Schumpeters Theorie, dass Firmen, die sich von Bullshit-Jobs befreien, einen Wettbewerbsvorteil besitzen. Dies ist nicht festzustellen. Die Verwaltungen, sowohl im staatlichen als auch im privaten Sektor, nehmen weiterhin zu. Sogar ein Zusehen ist möglich: Immer mehr Bürohochhäuser werden in den Zentren errichtet. Der Prozess ist vergleichbar mit einem Krebsgeschwür, das sich von der Geldschöpfung nährt, aber schließlich das System zerstört. Allerdings ist es etwas gewagt, diese Zerstörung dann als „kreativ“ zu bezeichnen.

Zur Person von David Graeber

David Graeber – 5 Types of BS jobs


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