29. Juni 2025 06:00

Wirtschaft Woher kommt Wohlstand und wodurch ist er gefährdet?

Der parasitäre Wohlfahrtsstaat als gefährlichste Armutsfalle

von Antony P. Mueller drucken

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Bildquelle: Alexandre Tziripouloff / Shutterstock Der Staatshaushalt wächst: Und die Bürger werden immer ärmer

Wirtschaftliches Wachstum ist das A und O des Wohlstands. Ohne Wachstum der Wirtschaft gibt es kein steigendes Einkommen. Allerdings ist der Begriff „Wachstum“, auf die Wirtschaft angewendet, irreführend. Worauf es ankommt, ist die Produktivität der menschlichen Arbeit. Es geht zwar um eine höhere Produktion und letztlich um ein höheres Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung, aber gerade deshalb darf die Wirtschaft nicht einfach nur größer, sondern sie muss produktiver werden. Würde mehr vom Gleichen mit denselben Methoden wie in der Vergangenheit ohne technischen Fortschritt produziert, stieße die Volkswirtschaft in der Tat an die Grenzen des Wachstums. Im echten Kapitalismus aber gibt es keine Grenzen des Wachstums, weil wirtschaftliches Wachstum hier durch Innovation angetrieben wird. Dies besagt, dass sowohl die Güter für den Verbrauch als die für die Produktion im ökonomischen Sinn immer effizienter hergestellt werden.

Das Preissystem regelt das Knappheitsproblem. Wenn bestimmte Naturressourcen knapper werden, wird ihr Preis in einer freien Marktwirtschaft steigen. Das Eigeninteresse der Verbraucher und der Produzenten führt diese dazu, sparsam im Gebrauch der knappen Güter umzugehen und sich auf die Suche nach Ersatzprodukten zu machen. Je höher der relative Preis für ein bestehendes Produkt, desto lohnender wird das Umsteigen auf einen Ersatz. In der reinen Marktwirtschaft ist jeder Konsument auch Produzent, sodass sowohl bei der Produktion als auch beim Konsum das ökonomische Handeln auf die Milderung der Knappheit ausgerichtet ist oder, anders ausgedrückt, das Eigeninteresse dazu führt, Verschwendung sowohl beim Konsum als auch bei der Produktion zu vermeiden.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist die Summe der Produktion der einzelnen Unternehmen im Lande. Nicht „die Volkswirtschaft“ produziert das BIP, sondern das Nationalprodukt ist das Ergebnis der Wirtschaftsleistung durch die Vielzahl der Unternehmen. Um ein höheres Gesamtprodukt zu erzielen, müssen die Betriebe mehr produzieren. Wirtschaftliches Wachstum hängt davon ab, was bei den einzelnen Firmen geschieht: ob für die Unternehmen Anreize zur Mehrproduktion und Steigerung der Produktivität bestehen oder ob die unternehmerische Wertschöpfung gehemmt und blockiert ist.

Historisch betrachtet ist das wirtschaftliche Wachstum, als Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens verstanden, ein Kind der industriellen Revolution. Der moderne Kapitalismus entstand mit der Anwendung der Kapitalrechnung. Diese Wende kam durch Firmen ins Rollen, die ihre Gewinne gezielt in die Erweiterung ihrer Unternehmungen steckten. Wenn ein Land, in dem die Bevölkerung noch zu arm ist, um ausreichend sparen zu können, sich entwickeln will, liegt es an den Unternehmen, die notwendigen Investitionen aus den Gewinnen zu finanzieren. Alle Länder, die sich erfolgreich industrialisiert haben, sind diesem Prinzip gefolgt. Gescheitert sind jene Staaten, in denen die Gewinnerzielung von Firmen beschränkt wurde und die Anreize zur Reinvestition der Profite fehlten. Bürokratische Barrieren und hohe Steuerlasten lassen die Innovationskraft erlahmen und blockieren den Marktzugang neuer Unternehmungen. Die Akkumulation von Produktivkapital gelingt nicht, wenn man versucht, private Firmen durch den Staat zu ersetzen.

Die Produktivität der menschlichen Arbeitskraft nimmt zu, wenn mehr Kapital zur Verfügung steht und dieses Kapital besser genutzt wird. Die Produktivität steigt, wenn es möglich ist, mit demselben Einsatz an Kapital, Arbeit und Energie durch Ideen mehr an marktgängigen Gütern zu erzeugen. Kapitalakkumulation bedeutet Investitionstätigkeit. Um aber Investitionsmittel zur Verfügung zu haben, ist Sparen vonnöten. Wie soll man aber genügend sparen, wenn das Einkommen niedrig ist? Das ist die Armutsfalle, in der sich die Menschheit bis zu Beginn der industriellen Revolution befand. Sparen setzt ein Einkommen über dem Subsistenz-Niveau voraus. Aber um ein hohes Pro-Kopf-Einkommen zu besitzen, muss man Kapital zuerst akkumulieren und dies erfordert Sparen, was wiederum vom Einkommen abhängt.

Die Gewalttätigkeitsfalle verschlimmert die Armutsfalle. Die politische Weltgeschichte ist eine Geschichte der Gewalttätigkeit, die darin besteht, dass es lohnt, sich auf die Produktion von Kriegsmitteln zu konzentrieren und die Produktion für den Konsum anderen zu überlassen, um sich dann den Reichtum der anderen durch systematische Plünderung anzueignen. Eroberung und Sklaverei dienen der Ausbeutung und erlauben die Existenz einer parasitären Ökonomie. Als die Menschen sesshaft wurden, begannen sie, produktiv mit der Natur umzugehen und die domestizierten Tiere und Pflanzen zu pflegen. Damit kam es aber nicht zum Ende der Armuts- und Gewalttätigkeitsfalle. Raub und Unterdrückung waren weiterhin lohnend.

Das Problem der parasitären Ökonomie und der Raubwirtschaft besteht allerdings darin, dass Schmarotzer nur als Minderheit existieren können und auf eine Überzahl an Wirten angewiesen sind. Die in einer Schmarotzerwirtschaft vorherrschenden Anreize bestehen darin, dass Parasiten sich weiter ausbreiten und ihre Ausbeutungsrate erhöhen wollen, während für die Wirte der Anreiz besteht, ihre Produktion einzuschränken. Deshalb ist parasitärer Reichtum nicht dauerhaft. Alle Räuberreiche sind entsprechend nach ihrem Aufstieg wieder zerfallen. Durch Raub geht der Anreiz zur Kapitalakkumulation und damit die Produktivität verloren. Die ausgeraubten Bevölkerungsteile verkümmern. Damit verlieren auch die Räuber ihre Existenzbasis.

Eine auf Schmarotzertum aufgebaute Wirtschaft ist nicht dauerhaft. Der Kapitalbestand zerfällt, Wissen geht verloren. Die Verteilungskonflikte nehmen zu, je weniger es zu rauben und zu verteilen gibt. Die parasitär ausbeuterische Wirtschaft und Gesellschaft entsteht durch Gewalt und zerfällt durch Gewalt. Diese Lektion wurde zwar in Bezug auf die private Gewaltanwendung gelernt, aber nicht im Hinblick auf den institutionalisierten Raub durch den Staat, der in den modernen Gesellschaften das Monopol der Gewaltanwendung innehält.

Nachdem die Bevölkerungsfalle überwunden war, wurde auch die Gewalttätigkeit – zumindest innenpolitisch - gemäßigt, indem der Schutz des Privateigentums einen hohen Stellenwert in der Rechtsordnung einnahm. Schritt für Schritt etablierte sich in den westlichen Industrieländern eine Rechtsordnung, die das Sondereigentum an Produktionsmitteln institutionalisierte. Allerdings kann es erst dann zu einer voll produktiven Wirtschaft kommen, wenn das vom eigenen Staat organisierte Schmarotzertum durch eine libertäre Ordnung beendet wird.

In der Ideenwelt des Liberalismus nahm das Recht auf Privateigentum an Produktionsmitteln einen zentralen Stellenwert ein. Die staatliche Gewalt wurde von ihrer Raubfunktion theoretisch zum Garanten der privaten Eigentumsrechte umformuliert. Schutz des Eigentums durch die staatliche Gewalt ist der Kern der Wirtschafts- und Gesellschaftslehre des klassischen Liberalismus. Dies war auch der Punkt, auf den als Gegenposition sich der Sozialismus ausrichtete.

Der Kapitalismus als Wirtschaftssystem trat zusammen mit der liberalen Gesellschaftsordnung, so wie sich beide im 19. Jahrhundert entfalteten, ihren Siegeszug um die Welt an, weil sich zeigte, dass dieses System zu Wohlstand führt und dass dieser Reichtum mehr Macht bringt. Der Kapitalismus breitete sich aus, weil er erfolgreicher war als die anderen Ordnungssysteme zu dieser Zeit und dadurch Nachahmer fand. Kapitalismus, so wie er sich ursprünglich entwickelte, bedeutete Marktwettbewerb auf der Grundlage des Rechts auf Privateigentum an Produktionsmitteln, das Anrecht auf Kapitalakkumulation und das Recht, über die Erträge des Kapitals privat zu verfügen.

Heute ist der Reichtum in den Industrieländern weniger durch private Gewalt und fremde Invasion gefährdet als durch den eigenen Staat. Obwohl formal Eigentumsrechte proklamiert werden, sind sie durch Staatseingriffe bedroht. Der Räuberstaat der Geschichte existiert heute in der Form des Interventionsstaates. Die gefährlichste Armutsfalle ist heute der parasitäre Wohlfahrtsstaat. Ihn zu überwinden, ist die zentrale Aufgabe, um auch in Zukunft den Wohlstand zu sichern.

Antony P. Mueller: „Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie. Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik“ (2021)

Rainer Zitelmann: „Eine Geschichte des Kapitalismus“ (2021)


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