27. Mai 2025 18:00

Freiheit der Popkultur Der Aufstieg und Fall des Superheldenfilms: Von epischen Höhen zu narrativen Tiefen

Endgame ist jetzt

von Sascha Blöcker drucken

Superman in Spider-Man Noir, wie sich ihn die KI Grok vorstellt.
Bildquelle: KI: Grok (X) Superman in Spider-Man Noir, wie sich ihn die KI Grok vorstellt.

Der Aufstieg und Fall des Superheldenfilms: Von epischen Höhen zu narrativen Tiefen

Superheldenfilme waren über zwei Jahrzehnte lang die unangefochtene Speerspitze des Blockbuster-Kinos. Sie dominierten die Kinokassen, prägten die Popkultur und schufen ein globales Phänomen, das Generationen fesselte. Doch in den letzten Jahren ist ein spürbarer Rückgang zu beobachten – sowohl in der Qualität als auch in der Resonanz beim Publikum. Dieser Artikel beleuchtet die glorreichen Hochzeiten des Genres, analysiert die Gründe für seinen Verfall und wirft einen Blick auf die Zukunft des Superheldenkinos.

Die goldene Ära: Der Aufstieg des Superheldenfilms

Die Wurzeln des modernen Superheldenfilms reichen zurück in die späten 1970er Jahre, als Richard Donners Superman (1978) bewies, dass Comic-Helden mehr als nur „campy“ TV-Serien sein konnten. Doch der wahre Durchbruch kam in den 2000er Jahren. Filme wie X-Men (2000) und Spider-Man (2002) von Sam Raimi zeigten, dass Superheldengeschichten sowohl emotional packend als auch visuell spektakulär sein konnten. Diese Filme sprachen ein breites Publikum an, indem sie menschliche Konflikte mit übermenschlichen Heldentaten verbanden.

Der Höhepunkt des Genres war zweifellos das Marvel Cinematic Universe (MCU). Mit Iron Man (2008) begann eine beispiellose Ära der Vernetzung, in der einzelne Filme zu einem größeren narrativen Geflecht zusammengeführt wurden. Unter der Leitung von Kevin Feige kulminierte das MCU in Avengers: Endgame (2019), einem kulturellen Meilenstein, der weltweit über 2,8 Milliarden US-Dollar einspielte und eine elfjährige Geschichte mit emotionaler Wucht abschloss. Parallel dazu lieferte DC mit Filmen, wie Christopher Nolans The Dark Knight (2008), eine düstere, realistische Alternative, die das Genre auf ein neues künstlerisches Niveau hob.

In dieser Hochzeit waren Superheldenfilme mehr als Unterhaltung: Sie waren Ereignisse. Sie vereinten Fans und Gelegenheitszuschauer, boten Spektakel und Tiefgang und schufen ikonische Figuren wie Robert Downey Jr.'s Tony Stark oder Hugh Jackmans Wolverine. Doch nach diesem Zenit begann der Abstieg, und das Ganze mit Ansage. Der Name dieser Ansage lautet Captain Marvel.

Anzeichen des Verfalls: Wo es schiefging

Der Rückgang des Superheldenfilms lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen, die sowohl kreative als auch wirtschaftliche Ursachen haben. Hier sind die meiner Meinung nach zentralen Gründe:

Erstens: Übersättigung des Marktes

Nach Avengers: Endgame stand das MCU vor der Herausforderung, den Höhepunkt seiner Saga zu übertreffen. Stattdessen wurde das Universum mit einer Flut von Filmen und Serien erweitert – die sogenannte Phase vier und fünf. Projekte wie Eternals (2021), Thor: Love and Thunder (2022) oder She-Hulk (2022) wurden oft als überhastet oder uninspiriert kritisiert. Disney+-Serien wie Moon Knight oder Ms. Marvel verdünnten die Marke weiter, da sie selten die epische Wucht der Kinofilme erreichten. Das Publikum zeigte Anzeichen von Ermüdung: zu viele Charaktere, die mir komplett am Arsch vorbeigehen, zu viele Handlungsstränge, die langweiliger sind als ein Parteitag der CDU, und zu wenig Kohärenz. 

DC war nicht besser dran. Das DC Extended Universe (DCEU) kämpfte mit inkonsistentem Storytelling und einer mangelnden Vision. Filme wie Justice League (2017) in der Joss-Whedon-Version oder Black Adam (2022) konnten weder Kritiker noch Fans überzeugen.

Zweitens: Qualitätsverlust und kreative Stagnation

Viele jüngere Superheldenfilme leiden unter schwachen Drehbüchern und überladenen CGI-Spektakeln, die emotionale Tiefe opfern. Während frühere Filme wie Captain America: Civil War (2016) durch starke Charakterentwicklung und moralische Konflikte glänzten, wirken neuere Werke wie Ant-Man and the Wasp: Quantumania (2023) oft formelhaft. Die Handlungen sind vorhersehbar, die Antagonisten – wie Kang in Quantumania – bleiben blass, und die Humorversuche wirken gezwungen und unreif. 

Zudem hat die Fixierung auf Multiversum-Storylines das Genre verkompliziert. Filme wie Doctor Strange in the Multiverse of Madness (2022) oder Spider-Man: No Way Home (2021) setzten auf Nostalgie und Cameos, was zwar kurzfristig Fans begeisterte, aber langfristig die narrative Kohärenz untergrub. Das Multiversum wurde zum narrativen Krückstock, der es erlaubte, Logiklöcher zu ignorieren, anstatt fokussierte Geschichten zu erzählen.

Drittens: Kulturelle und ideologische Kontroversen 

Ein weiterer Faktor ist die wachsende Polarisierung rund um Superheldenfilme. Fans werfen den Studios vor, sich zu sehr auf Diversität und politische Botschaften zu konzentrieren, was als „Wokeness“ kritisiert wird. Filme wie Captain Marvel (2019) oder Serien wie She-Hulk wurden von Teilen des Publikums als zu didaktisch erkannt. Klar gibt es auch immer einige, die so tun, als wäre das nicht so, am Ende aber zeigen die Kinobesucher, wo es langgeht. Nichtsdestotrotz entsteht natürlich eine Kluft zwischen verschiedenen Typen Kinobesucher. Diese Spaltung hat die universelle Anziehungskraft des Genres geschwächt, da Filme zunehmend als ideologische Schlachtfelder wahrgenommen werden.

Viertens: Wirtschaftliche Herausforderungen 

Superheldenfilme sind teuer. Budgets von 200 bis 300 Millionen US-Dollar sind keine Seltenheit, und die Erwartung, dass jeder Film ein globaler Kassenschlager wird, ist unrealistisch geworden. The Marvels (2023) etwa, war mit 270 Millionen US-Dollar Produktionskosten ein finanzieller Misserfolg, da es weltweit nur 206 Millionen einspielte. Gleichzeitig konkurrieren Superheldenfilme mit Streaming-Plattformen, die kostengünstigere Alternativen bieten, und einem Publikum, das nach der Pandemie seltener ins Kino geht. Hinzu kommen Serien wie The Boys, die sich über Marvel und seine Wokeness auf clevere Art und Weise lustig machen.

Der aktuelle Zustand: Ein Genre in der Krise

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Laut Box Office Mojo war 2023 ein schwaches Jahr für Superheldenfilme: Guardians of the Galaxy Vol. 3 war mit 845 Millionen US-Dollar ein Lichtblick, doch Filme wie Shazam! Fury of the Gods (134 Millionen) oder Blue Beetle (129 Millionen) blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Selbst das MCU, einst ein Garant für Milliarden-Einnahmen, kämpft: Ant-Man and the Wasp: Quantumania und The Marvels gehören zu den größten Flops der Franchise. 

Auch die Kritiken sind ernüchternd. Auf Rotten Tomatoes haben viele neuere MCU-Filme (z. B. Eternals mit 47 Prozent oder Quantumania mit 46 Prozent) deutlich schlechtere Bewertungen als Klassiker wie The Avengers (91 Prozent) oder Captain America: The Winter Soldier (90 Prozent). Das Publikum scheint die Leidenschaft zu verlieren, die einst die Säle füllte, weil die Studios die Leidenschaft am Erzählen guter Geschichten verloren haben.

Ein Blick in die Zukunft: Kann das Genre sich erholen?

Trotz des Rückgangs ist das Superheldengenre nicht tot – aber es braucht eine Neuerfindung. Hier sind mögliche Wege, wie das Genre wieder an Relevanz gewinnen könnte:

  • Fokus auf Qualität statt Quantität: Studios wie Marvel und DC sollten weniger, aber dafür durchdachte Filme produzieren. James Gunns neues DCU, das mit Superman (2025) startet, könnte ein Schritt in diese Richtung sein, wenn es eine klare Vision verfolgt.
  • Rückkehr zu charaktergetriebenen Geschichten: Die besten Superheldenfilme lebten von starken Figuren und universellen Themen. Ein Fokus auf emotionale Tiefe, wie in Logan (2017), könnte das Publikum zurückgewinnen. 
  • Neue Helden und Risiken: Das Genre könnte von frischen, weniger bekannten Figuren profitieren, die nicht an Multiversum-Plotlines gebunden sind. Shang-Chi (2021) zeigte, dass neue Helden funktionieren können, wenn die Geschichte stimmt. Auch wenn ich persönlich nichts mit dem Film anzufangen weiß. 
  • Diversifizierung des Tons: Nicht jeder Film muss ein episches Spektakel sein. Kleinere, genreübergreifende Ansätze – etwa ein Superhelden-Horrorfilm oder ein Noir-Krimi – könnten das Genre beleben. Sony macht hier den Anfang mit Spider-Man Noir, bei dem Nicolas Cage in eine, wie ich finde, spannende Interpretation der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft schlüpft. Ich bin heiß auf die Nummer. 
  • Anpassung an neue Konsumgewohnheiten: Studios müssen die Balance zwischen Kino und Streaming finden. Exklusive Kinostarts könnten wieder als Ereignisse positioniert werden, während Serien für tiefere Charakterstudien genutzt werden.

Endgame ist jetzt

Ich glaube, dass sich die Zukunft des Genres in diesem Sommer entscheiden wird. Superman wird zeigen, ob James Gunn abermals die Kinogänger begeistern kann und ob DC es endlich schafft, sich ähnlich wie Marvel zu positionieren oder Marvel gar abzulösen. Marvel hingegen will zu alter Größe aufsteigen und wirft The Fantastic Four in den Ring. Das Problem ist allerdings, dass Marvel noch Altlasten trägt. So haben wir letzte Woche erst den Trailer zu ihrem neuen Serienprojekt gesehen: Ironheart. Ich kann es kaum erwarten, Disney+ nicht im Abo zu haben und diesen Müll nicht zu schauen. Der Trailer, zusammengefasst, ist ungefähr so: „Ihr kennt Iron Man?“ Den Daddy des MCU. Eine Figur, mit der ihr mehr als ein Jahrzehnt verbracht habt. Ja? Gut. „Der ist nichts wert, der war reich, hier aber habt ihr eine starke, schwarze und unabhängige Frau.“ Solange Marvel sich von dieser Geisteskrankheit nicht lösen kann, wird es auch nichts mit dem Zuschauer. Meine Hoffnung liegt auf Superman und James Gunn. Sollten aber beide Filme unter den Erwartungen bleiben, so wird das Superheldengenre wohl denselben Weg gehen, den auch schon meine geliebten Western gingen.

Fazit

Der Superheldenfilm hat eine bemerkenswerte Reise hinter sich: von den bescheidenen Anfängen über globale Dominanz bis hin zu einer Phase der Unsicherheit. Die Hochzeit des Genres war geprägt von Innovation, Leidenschaft und einem Gespür für das Publikum. Der aktuelle Verfall ist das Resultat von Übersättigung, kreativer Stagnation, Wokeness und einer Entfremdung von Teilen des Publikums. Doch das Genre hat Potenzial, sich neu zu erfinden – wenn die Studios bereit sind, Risiken einzugehen und sich auf das zu besinnen, was Superheldenfilme einst so besonders machte: Geschichten über Menschen, die das Außergewöhnliche wagen. Die Zukunft des Superheldenkinos wird davon abhängen, ob es gelingt, die Magie der Vergangenheit mit einer Vision für die Zukunft zu verbinden. Ich möchte den Superheldenfilm nicht missen, denn wie bei den Western gibt es deutlich mehr schlechte Filme als gute Filme, am Ende bleiben die guten stehen. Ich bin überzeugt, dass es noch so manche herausragende Geschichte zu erzählen gibt. Back to: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung.


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