26. November 2025 11:00

Film Lehrbuchbeispiel für politische Toxizität: Ist Hollywood am Ende?

Hollywood muss sich entgiften

von Axel B.C. Krauss drucken

Kinos: Bleiben die Leinwände bald leer?
Bildquelle: Redaktion Kinos: Bleiben die Leinwände bald leer?

Lehrbuchbeispiel für politische Toxizität: Ist Hollywood am Ende?

Nein. Es muss sich nur entgiften.

Schon seit einiger Zeit ist die Rede vom Ende der größten Film- (und Propaganda-)Industrie der Welt. Hollywood, Los Angeles, California: Gehen da bald die Lichter aus? Als Schauspieler und Regisseur Mel „Braveheart“ Gibson neulich in einem Interview gefragt wurde, warum viele große Studiokomplexe merkwürdig entvölkert wirken, antwortete er: „The industry is dying“ („Die Industrie stirbt“). Tatsächlich?

Keineswegs. Sofern sie das Ruder rumreißt und sich wieder mehr den Wünschen des Publikums annähert, statt es ständig umerziehen, belehren und maßregeln zu wollen. Kurz: Hollywood hat – an dieser Erkenntnis führt leider kein Weg vorbei – den Fehler gemacht, sich zu stark zu politisieren. Man könnte scherzhaft von einer Vertatortung sprechen. Das Phänomen ist allseits bekannt als „Wokeness“ oder auch „PC“ – „Political Correctness“, und das nicht erst seit gestern. Doch das ist nicht der einzige Grund.

Die Industrie macht seit nunmehr fast zwanzig Jahren den Fehler, immer mehr Geld in „Blockbuster“-Großproduktionen zu stecken, deren Qualität zunehmend fragwürdig ist, deren Geschichten arg „formulaic“ wirkten, wie man drüben sagen würde, „formelhaft“, sprich: Als hätte jemand ein Drehbuch auf einen Kopierer gelegt. Die zu starke Fixierung auf das „Superhelden“-Genre beispielsweise ist weder Kino noch Streaming gut bekommen: Die Umsätze sanken, und Studios mussten bangen, ob sie die schlicht durchgeknallten Produktionskosten überhaupt noch einspielen können. Es stellte sich schnell ein Übersättigungseffekt ein: Ein handwerklich solider, unterhaltsamer Genrefilm dieser Art kann ja ein kurzweiliger Zeitvertreib sein, aber wenn sie vom Fließband kommen und es deutlich sichtbar nur noch um Einspielergebnisse geht, wenn Zuschauer nicht mehr ernstgenommen, sondern als Geldautomaten angesehen werden und wenn kaum noch originelle, kreative Geschichten kommen, ist der Markt eben übersättigt. Man kann und will es nicht mehr sehen.

Der Disney-Konzern hat es mit seiner erbarmungslosen Star Wars-Melkmaschine vorexerziert: Spin-Off nach Spin-Off, jede einzelne Figur des „Star Wars“-Universums wurde verwurstet, jeder erdenkliche Winkel von George Lucas’ Brainchild sollte grell ausgeleuchtet werden – wobei, abgesehen von zwei oder drei leidlich gelungenen Serien-Ausnahmen, die Qualität deutlich litt. Disney ging nach der Devise Quantität über Qualität vor. Auch die sündhaft teure CGI („Computer Generated Imagery“) konnte nicht mehr helfen. Nicht zuletzt, weil digitale Spezialeffekte heute ohnehin omnipräsent sind und sich somit bei sehr vielen Zuschauern ein Gewöhnungseffekt einstellte. Man hat das alles schon unzählige Male gesehen – der Reiz des Spektakulären, Sensationellen ist profaner Alltäglichkeit gewichen.

Als Zeitzeuge erinnere ich mich noch sehr gut an Steven Spielbergs „Jurassic Park“, den ich damals im Kino gesehen hatte: Als ein vollständig digitaler T-Rex zum ersten Mal in der Filmgeschichte über die Leinwand stampfte, war das noch neu und atemberaubend realistisch – selbst heute noch, nach mehr als zwanzig Jahren, brauchen sich Spielbergs Bits & Bytes-Saurier ihrer Existenz wirklich nicht zu schämen. Spielberg, der schon immer ein sehr cleveres Händchen für ungewöhnliche Ideen hatte, erkannte das Potenzial dieser damals neuartigen Animationstechnik. Allerdings warnte er schon früh davor, dass es vorrangig um die Geschichten gehen sollte, nicht nur um visuelle Schauwerte. Ein Versprechen, das er gleich danach mit „Schindlers Liste“ eindrucksvoll einlöste. Diesem Denkfehler ist Hollywood in der Folgezeit aber leider erlegen: Bombast statt Substanz. Aufgeblasene „Visuals“, die jedoch hohl wirkten, unbeseelt, leer – am Computer kann man jede erdenkliche Welt erstellen, aber das ersetzt keine mitreißenden Geschichten und lebendige, greifbare Figuren.

In puncto Kosten sind die Schwierigkeiten der heutigen Industrie hausgemacht: Wenn ein Film sagenhafte 400–500 Millionen Dollar verschlingt, wie zum Beispiel „Avengers Endgame“, also fast eine halbe Milliarde (summa summarum, also Produktion, Gagen für Star-Besetzung, Werbung usw.), kann man nur hoffen, dass es auch genug zahlungswillige Zuschauer gibt, die solche astronomischen Budgets stützen. Je höher das Budget, desto mehr Zähneklappern – das ist nur logisch. Und schade, denn gerade die Geschichte Hollywoods hält viele herausragende Beispiele bereit, wie man mit Mid- oder sogar Low-Budget-Filmen veritable Hits landen kann, die ihre Kosten dutzendfach wieder einspielen. Apropos Spielberg: Er hatte mit seinem hitchcockig-kafkaesken „Duel“, einem Film über einen Autofahrer, der aus unbekannten Gründen von einem Trucker verfolgt wird, in dieser Hinsicht ein Meisterstück vorgelegt. Ursprünglich eine TV-Produktion, lief der Streifen so erfolgreich, dass er dann auch im Kino gezeigt wurde. Spielberg hatte aus der eigentlich simplen Story-Idee das Bestmögliche herausgeholt.

Doch eines der größten Probleme der letzten Jahre war ein Symptom, das man fast schon als politische Vergiftungserscheinung bezeichnen kann: Eben jene „Wokeness“, die immer alles „richtig“ machen will – und gerade darum so oft falsch liegt. Die ständig den „Moral High Ground“ bezieht, sich überlegen wähnt und gar nicht oft genug mit „Virtue Signaling“ hausieren gehen kann. Das Publikum war restlos genervt. Der Komiker Ricky Gervais griff diese Stimmung bekanntlich in seiner Moderation bei den Golden Globes 2020 auf, als er in deren Live-Übertragung vor Millionen Zuschauern weltweit sagte: „Nutzt es bitte nicht als Plattform für eine politische Rede. Ihr befindet euch in keiner Position, die Öffentlichkeit über irgendetwas zu belehren. Ihr wisst nichts über die Welt da draußen.“ Worte, für die er von manchen gefeiert wurde, während andere von so viel nüchternem Realismus schockiert waren.

Wenn Jungstars im Alter von 20–25 Jahren ihren Mitmenschen „beibringen“ wollen, wen sie doch bitte zu wählen oder wie sie die Welt zu sehen hätten, braucht man auf die Konsequenzen nicht lange zu warten. Glücklicherweise scheint sich der Wind derzeit zu drehen. Hollywood scheint erkannt zu haben, dass es sich hier verrannt und den Bogen überspannt hat. Gegen politische Filme ist nichts zu sagen, solange sie nicht mit dem Holzhammer und der Moralpeitsche kommen. Der herausragende Regisseur Wes Anderson hat zum Beispiel mit seinem Film „Asteroid City“ vorgemacht, wie’s geht: Der visuell und erzählerisch sehr originelle Film enthält gleich mehrere politische Untertöne, aber sie wirken nie aufdringlich, in arroganter Weise belehrend oder überheblich.

Der Fairness halber muss hinzugefügt werden, dass das Kino in Zeiten des allzeit verfügbaren Streamings natürlich besonders unter Druck steht, gegen die – teilweise – qualitativ überlegene Konkurrenz anzukommen. Zumal dadurch das „Erlebnis Film“, für das Menschen früher lange Schlangen vor den Lichtspielhäusern bildeten, auch zu einem Massenprodukt wurde: Warum sollte jemand, der zuhause ganz bequem unter unzähligen Angeboten auswählen kann, noch eine Kinokarte lösen?

Eines ist jedenfalls klar: Filme sollten weder Wahlkämpfe noch politische Internate sein. Wenn ich Geld für einen Film bezahle, möchte ich in erster Linie unterhalten werden.

Bis nächste Woche.


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