Wirtschaftspolitik: Arbeitnehmerentlohnung – freie Wildbahn vs. Stallfütterung
Moderate Lohnerhöhungen trotz hoher Inflation und Herausforderungen für Unternehmen
von Andreas Tögel drucken
Mit den Lohnverhandlungen für die Mitarbeiter der metallverarbeitenden Industrie beginnt in Österreich traditionell der Reigen der Kollektivvertragsverhandlungen. Deren Ergebnis – es geht um die Löhne und Gehälter von rund 190.000 Beschäftigten – gilt als Signal für Verhandlungen anderer Berufsgruppen. Im heurigen Jahr zeigten die Gewerkschafter Einsicht in die prekäre Konjunkturlage und begnügten sich mit einem Plus von 1,41 Prozent und damit einem deutlich unter der amtlich ausgewiesenen Teuerungsrate liegenden Abschluss. Dieses moderate Ergebnis war auch dringend nötig, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass durch überhöhte Abschlüsse in den zurückliegenden Jahren die heimischen Lohnstückkosten dramatisch gestiegen sind, die Unternehmen sich zunehmend aus dem Markt preisen und mittlerweile nicht nur Konzerne, sondern auch Mittelständler Neuinvestitionen außerhalb Österreichs tätigen oder ihre gegenwärtige Produktion ins Ausland verlagern. Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden stagniert seit Jahren, während die Einwohnerzahl stetig zunimmt. Ein Alarmsignal.
Auch in anderen Branchen wurde der Ernst der Lage erkannt, der sich – auch – in einer deutlich höheren Teuerungsrate manifestiert, als man im Rest Eurolands beobachtet. Lohnabschlüsse oberhalb der Inflationsrate, wie sie in den zurückliegenden Jahren die Regel waren, wird es 2025 nicht geben.
Auf einem Markt geht es gerecht, wenn auch unsentimental zu: Wer Gutes zu guten Preisen liefert, hat Erfolg. Wer mangelhafte Produkte anbietet oder seine Preise über jenes Maß hinaus anhebt, das die Konsumenten bereit sind zu akzeptieren, findet sich bald vor dem Konkursrichter wieder.
Da die Löhne einen wesentlichen Kostenfaktor darstellen, was – von obstinaten Klassenkämpfern abgesehen – inzwischen die meisten begriffen haben, ist Maßhalten angesagt.
Das gilt allerdings nur für die „freie Wildbahn“ des Marktes, wo die Politik zwar alle möglichen Regulative und Schutzbestimmungen erlassen und den Gewerkschaften Sonderprivilegien einräumen, aber letztlich nicht dauerhaft verhindern kann, dass das Kapital auf der Suche nach Renditen zu den produktivsten Standorten wandert. Wie sagt der Volksmund seit dem 19. Jahrhundert: „Wo nichts ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren.“ Die im produktiven Sektor unselbständig Erwerbstätigen akzeptieren lieber einen moderaten Reallohnverlust, als infolge Jobverlustes von der Arbeitslosen- oder Notstandsunterstützung leben zu müssen. In staatlich geschützten Werkstätten gehen die Uhren indes anders.
Die für den öffentlichen Dienst ursprünglich angepeilte Gehaltserhöhung wurde zwar unter starkem Druck der Öffentlichkeit reduziert, liegt mit 3,6 Prozent aber dennoch deutlich über dem Abschluss der Metaller.
Nur die aktuellen Lohnrunden zu beachten, greift aber ohnehin zu kurz. Eine kürzlich von der liberalen Denkfabrik „Agenda Austria“ veröffentlichte Analyse (siehe untenstehende Graphik) macht deutlich, was gespielt wird: Wer sein Geld unter Marktbedingungen verdient, ist wesentlich schlechter dran, als leistungsdruckbefreit in geschützten Werkstätten von Steuergeldern oder Zwangsbeiträgen lebende Zeitgenossen.
Zu besonderem Ärger Anlass geben die Bezüge der Mitarbeiter der Wirtschaftskammer, deren Präsident Harald Mahrer soeben wegen einer geplanten Bezugserhöhung von 4,2 Prozent – zu Recht – massiv unter Beschuss geraten ist. Eine später als bloßer Trick entlarvte Ankündigung der Halbierung dieser Gehaltserhöhung hat sowohl die Person des WKO-Präsidenten als auch die Organisation selbst schwer beschädigt.
Dass die Arbeiterkämmerer, wie auch ihr Klassenfeind von der Arbeitgeberseite, von Zwangsbeiträgen leben und auf Marktbefindlichkeiten daher keinerlei Rücksicht zu nehmen brauchen, manifestiert sich in der märchenhaften Höhe ihrer Bezüge, von der andere Arbeitnehmer – Beamte ausgenommen – nur träumen können. WKO-Mitarbeiter dürfen sich über Jahresbezüge von durchschnittlich 89.837 Euro freuen, die Genossen von der AK Wien über 88.523 Euro, Beamte tragen jährlich 82.567 Euro nach Hause, während Privatangestellte sich mit 77.601 und Arbeiter mit 45.223 Euro begnügen müssen.
„Wer in Österreich studiert hat, will Beamter werden“, stellte der Wiener Historiker Lothar Höbelt einst fest. Das ist indes nicht ganz korrekt. Noch besser ist es nämlich, in einer der Zwangsinteressenvertretungen zu werken, die sich einer verfassungsrechtlichen Absicherung erfreuen und damit auf die Interessen ihrer zahlenden Mitglieder keine Rücksicht zu nehmen brauchen. Man darf getrost von einem kostspieligen Anachronismus sprechen und mit gutem Recht die Forderung nach einer Abschaffung dieser paternalistischen Zwangsorganisationen erheben. Besser spät als nie!
Quellen:
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