„Klimaschutz”: Der Handel mit vergifteten Äpfeln
Warum eine CO₂-Bepreisung kein „marktwirtschaftliches Instrument” ist
von Oliver Gorus drucken
Wenn Sie mal wieder das Narrativ hören, der CO₂-Zertifikatehandel ETS der EU sei ein „marktwirtschaftliches“ Instrument: Das ist ein ganz typisches linkes Framing, das Sie nicht kaufen sollten.
Das Adjektiv soll suggerieren, dass diese in Wahrheit systemfremde, planwirtschaftliche und sozialistisch-kollektivistische Zwangsabgabe ein Teil der Marktwirtschaft und damit „ok“ sei. Ist sie nicht. Die CO₂-Bepreisung über den Zertifikatehandel ist kein marktwirtschaftliches Instrument, so wie ein Transmann kein Mann, ein Wal kein Fisch und die Tagesschau keine Nachrichtensendung ist.
Die Wendung verdeckt lediglich die Tatsache, dass diese Lenkungsabgabe nutzlos im Sinne ihrer eigenen Zweckbestimmung ist. Denn der Zweck des Zertifikatehandels ist natürlich die Reduktion der CO₂-Emissionen in Europa durch erzwungene Verteuerung derselben. Diese zusätzlichen Kosten müssen zum Schaden der Endverbraucher auf den Preis der Produkte aufgeschlagen werden, was den Produkten aus EU-Ländern Marktanteile kostet. Die so in der EU „eingesparten“ Tonnen CO₂ werden dann in jenen Ländern zusätzlich in die Luft geblasen, die keine künstliche Verteuerung haben und somit bessere Weltmarktpreise und somit steigende Marktanteile.
Wenn man dann noch erkennt, dass die Energiegewinnung in diesen durch die politische Dummheit der EU-Bürokraten begünstigten Nicht-EU-Ländern mehr CO₂ emittiert als die innerhalb der EU, ist der Effekt im Sinne der eigenen Zweckbestimmung im Weltmaßstab sogar negativ: Für jede in der EU vermiedene Tonne CO₂ wird weltweit eine Tonne plus X zusätzlich emittiert. – Das Einzige, was den EU-Europäern bleibt, ist das trügerische Gefühl moralischer Überlegenheit, eine zerstörte Industrie und gesunkener Wohlstand der Bevölkerung.
Für nichts und wieder nichts
Noch wilder wird es im Land der dümmsten Energiepolitik der Welt, wo eine nationale CO₂-Abgabe den erwünschten Lenkungseffekt des Zertifikatehandels sogar bereits innerhalb der EU konterkariert. Die nationale CO₂-Abgabe, die seit 2021 im Brennstoffemissionshandelsgesetz festgelegt wurde, setzt übereifrig einen politisch und zwar zentralplanerisch bestimmten Preis pro Tonne CO₂ fest. 2021 kostete die Tonne 25 Euro, bis 2026 steigt der Preis schrittweise auf 65 Euro pro Tonne. Auch das nennen sie „Bepreisung“. Wenn dadurch eine Tonne CO₂ sowohl durch den ETS als auch durch die nationale CO₂-Abgabe doppelt bepreist wird, sinkt zwar zunächst die verteuerte Emission in Deutschland – und zwar durch Produktionsverlagerung in andere Weltgegenden, aber das nur nebenbei –, außerdem sinkt dadurch aber natürlich auch die tatsächliche Nachfrage nach ETS-Zertifikaten in der gesamten EU.
Es werden durch die geringere Nachfrage aus Deutschland also EU-weit weniger Zertifikate benötigt, der „Marktpreis“ für ETS-Zertifikate fällt, während die planwirtschaftlich festgelegte Menge an Zertifikaten, also der sogenannte Cap, die Obergrenze, konstant bleibt. Der Effekt, der dadurch ausgelöst wird, heißt „Waterbed-Effekt“: Wenn Sie ein Wasserbett auf der einen Seite runterdrücken, schwillt es zum Ausgleich auf der anderen Seite an, das Wasser wird lediglich verdrängt.
Im Effekt kaufen die anderen EU-Länder die von den Deutschen verschmähten Zertifikate zu einem günstigeren Preis vermehrt auf und emittieren in der Folge mehr CO₂. Der fiktive „Klimaschutz“ der deutschen Politik verdampft bereits innerhalb der EU.
Abgesehen von all den angebrachten Zweifeln am anthropogenen Klimawandel und den damit angeblich verbundenen Schäden: Wenn die moralisierenden deutschen Politiker doch wenigstens die von ihnen selbst angestrebte CO₂-Reduktion hinbekommen würden! Aber nein, sie erreichen auf Kosten der deutschen Unternehmen und der deutschen Bürger im Effekt schlichtweg gar nichts, wenn man nur den Tellerrand auf die EU erweitert. Und erst recht nichts, wenn man den Tisch, auf dem der Teller steht, auf globale Ausmaße erweitert.
Natürlich müsste Deutschland auf die CO₂-Abgabe verzichten, nicht nur um die deutsche Industrie von diesem irrsinnigen Mühlstein um den Hals zu befreien, sondern auch, um den EU-weiten Zertifikatehandel überhaupt wirksam zu machen, wenn man ihn denn nun schon unbedingt haben will. Oder der deutsche Staat würde meinetwegen wenigstens die CO₂-Abgabe auf die ETS-Kosten anrechnen, aber selbst darauf konnten sich die blinden Ideologen in Berlin und Brüssel nicht einigen.
Marktsimulation
Soweit, so nutzlos. Aber wenn Sie einmal verstanden haben, dass es hier auch gar nicht um effektiven Klimaschutz, sondern um ideologischen Kulturkampf und die Umverteilung vom Volk zu den Profiteuren des Klima-Business geht, verstehen Sie auch, warum die grünen Kulturkämpfer aller Parteien der „Unseredemokratie“ so vehement darum ringen, ihre CO₂-Bepreisung unbedingt „marktwirtschaftlich“ zu nennen. Es geht wie immer um die Deutungshoheit. Also konkret darum, dass das Verkaufen einer Steuer als „marktwirtschaftlich“ ein etatistisches Framing ist.
Ich halte es als Antidot für durchaus effektiv, generell auszuschließen, dass Steuern als „marktwirtschaftliches Instrument“ angesehen werden können. Darum nochmal grundsätzlich: Eine Steuer oder Abgabe kann niemals ein marktwirtschaftliches Instrument sein. Sie ist immer eine Marktintervention von außen.
In einem ordoliberalen Staat nach erhardscher Denkweise bilden staatliche Gesetze den „Rahmen“ von Märkten oder anders gesagt die „Leitplanken“ für die Unternehmen. Beispielsweise setzt Paragraf 324 StGB die vorsätzliche Verunreinigung von Gewässern unter Strafe. – Niemand würde auf die Idee kommen, diese Lenkung der Wirtschaft durch Strafandrohung „marktwirtschaftlich“ zu nennen. Die gewünschte Wirkung entsteht ja gerade dadurch, dass die Intervention nicht marktwirtschaftlich ist, sondern in den Markt eingreift.
Nun zu behaupten, die Marktintervention würde dadurch marktwirtschaftlich, weil sie als Bepreisung daherkommt statt als Verbot, ist eine Scheinargumentation. Denn damit wären ja auch die Tabaksteuer, Alkoholsteuer, Zuckersteuer, Plastiksteuer und alle anderen „lenkenden“ Steuern „marktwirtschaftlich“, denn die Unternehmen, die es betrifft, werden gegenüber anderen Unternehmen wunschgemäß benachteiligt, und die Behauptung, damit würde eine negative Externalität „eingepreist“, ist schnell bei der Hand.
Damit könnte man jeden willkürlichen, korporatistischen und korrupten Markteingriff als marktwirtschaftlich framen: Angenommen, ein Lobbyist möchte den Einsatz eines bestimmten Rohstoffs in der Industrie behindern, damit ein Ersatzrohstoff bevorzugt wird, an dem er kräftig verdient. Er könnte dann Politiker dazu bringen, eine Abgabe auf jede Tonne des als böse gebrandmarkten Rohstoffs durchzusetzen, Begründung irgendwas mit Klima, Rassismus oder Kolonialismus. Irgendwelche Wissenschaftler finden sich immer, die passende Studien machen, um die PR für die Maßnahme zu unterfüttern und Akzeptanz zu erzeugen. Mehr noch: Die cleveren Lobbyisten setzen durch, dass die Unternehmen mit der Abgabe handeln können, ein „Markt“ wird damit geschaffen, jemand würde was von Pigou-Steuer, Marktversagen und Internalisierung externalisierter Kosten sagen, und der nächste nennt dieses korporatistische Spielchen „Marktwirtschaft“.
Ablasshandel 2.0.
Beim CO₂-Zertifikatehandel ist der angenommene und willkürlich quantifizierte Schaden fiktiv. Es gibt keinen nachweisbar Geschädigten, insofern keine Haftung. Der CO₂-Preis ist schlichtweg eine Lenkungssteuer. Die Lenkung durch den Zertifikate-Markt ist dabei durchaus effizienter als die Lenkung durch eine platte Gebühr, aber dieser Zertifikate-Markt ist kein durch Angebot und Nachfrage natürlich entstandener echter Markt, sondern eine Markt-Simulation. Niemand hat eine Nachfrage nach Lizenzen auf CO₂-Emissionen, diese künstliche Nachfrage entsteht nur durch einen staatlichen Zwang, eine solche Lizenz zu besitzen.
Es ist ein erfundener Markt, auf dem ein fiktives Ungut zu einem erzwungenen Preis unfreiwillig gehandelt wird. Das ist nichts anderes als eine Marktsimulation. Aber ja, sie macht die Marktintervention in der Tat effizienter, weil sie die höheren Kosten zu denjenigen Unternehmen lenkt, die mehr CO₂ emittieren, und diejenigen begünstigt, die weniger CO₂ emittieren.
Dennoch: Das Ganze hat nichts mit dem Kern der Marktwirtschaft zu tun: dem freiwilligen Tausch von Gütern. Sondern es hat frappierende Ähnlichkeit mit dem Ablasshandel. – Der war auch sehr effizient (im Sinne der Kirche).
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