Freiheit in der Popkultur: Pastewkas Weihnachtsgeschichte
Ein einzigartiges Weihnachtsspecial der deutschen Comedy
Ich bin gewiss niemand, der den deutschen Film oder den deutschen Humor als Maßstab aller Dinge sieht. Im Gegenteil, besonders die letzten zwanzig Jahre haben gezeigt, dass beides zusammen noch schlimmer ist. Ich möchte nur kurz an peinliche Filme wie „Fack ju Göhte“, „Frau Müller muss weg!“ oder „Chantal im Märchenland“ erinnern. Alles voll Katastrophen, die aus mir völlig unerfindlichen Gründen aber teilweise im Kino erfolgreich waren. Irgendetwas stimmt mit den Deutschen nicht. Egal, wenn es um die filmische Darstellung von Humor geht, dann gibt es für mich aus deutschen Kreisen ausschließlich Pastewka. Über seine gesamte Serie pflegt er eine kreative Erzählstruktur, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Wie ist ihm das gelungen? Nun, er ist ein gigantischer Jerry-Seinfeld-Fan und hat sich an eben diesem orientiert und natürlich an dessen Serie „Seinfeld“. So ist es ihm gelungen, die meiner Meinung nach lustigste deutsche Komödienserie zu kreieren. Und zu eben dieser Serie gibt es ein Weihnachtsspecial. Es ist gelinde gesagt fantastisch, denn es verbindet Elemente verschiedener Weihnachtsfilme mit einem ganz eigenen Charme.
Handlung
Lassen wir uns nun in die Handlung eintauchen, die – wie bei Pastewka üblich – aus dem scheinbar Harmlosen eine Kaskade aus Katastrophen macht. Es ist Heiligabend, und Bastian Pastewka, diese wandelnde Verkörperung des Alltagsversagers, hat noch keinen Weihnachtsbaum besorgt. Stattdessen muss er sich mit der Vorbereitung einer Charity-Gala herumschlagen, bei der er gemeinsam mit Anke Engelke als Volksmusik-Parodie auftreten soll – eine Idee, die schon im Ansatz so absurd ist, dass man sich fragt, warum niemand in Deutschland je auf die Idee gekommen ist, so etwas als Blockbuster zu vermarkten. Während die Familie um ihn herum in Vorbereitungen schwelgt, eskaliert Bastians Suche nach dem perfekten Baum zu einer Odyssee durch peinliche Begegnungen, Lügen und Missgeschicke. Da ist der Streit mit der Nachbarin Svenja um die Dekoration, der Konflikt mit seiner Partnerin Anne, die mal wieder von seinen Ausreden genervt ist, und nicht zu vergessen die familiären Spannungen mit Bruder Hagen und Nichte Kim, die alles in ein Chaos aus Weihnachtsstress münden lassen. Am Ende bleibt Bastian mit leeren Händen da, und die Gala wird zu einem Höhepunkt der Peinlichkeit, bei dem selbst der Zuschauer vor Fremdscham errötet. Es ist diese meisterhafte Verwebung von alltäglichen Fettnäpfchen mit festlichem Druck, die das Special zu einem Highlight macht – inspiriert von Seinfelds „Show about nothing“, nur dass hier nichts weniger als die heilige Weihnacht auf dem Spiel steht.
Die Darsteller
Die Darsteller in diesem Special sind ein Paradebeispiel dafür, warum Pastewka funktioniert, wo andere deutsche Produktionen scheitern: Sie spielen nicht nur Rollen, sie verkörpern ein ganzes Universum aus nuancierten Charakteren, die man in den üblichen Klamauk-Filmen vergeblich sucht. An der Spitze steht natürlich Bastian Pastewka selbst, der seine fiktive Version mit einer Präzision darstellt, die an Larry David aus „Curb Your Enthusiasm“ erinnert – arrogant, lügnerisch und doch sympathisch in seiner Hilflosigkeit. Sonsee Neu als Anne Leyfert bringt die erdende, genervte Partnerin zum Leben, die Bastians Chaos mit einer Mischung aus Liebe und Resignation erträgt, und Matthias Matschke als Bruder Hagen sorgt für die typischen familiären Reibereien, die in Weihnachtsfilmen sonst nur als kitschige Auflösung dienen. Cristina do Rego als Nichte Kim fügt jugendliche Frische hinzu, während Sabine Vitua als Agentin Regine Holl die karrieregetriebene Seite des Showbiz einbringt, die Bastian in die Gala-Geschichte hineinzieht. Bettina Lamprecht als Nachbarin Svenja Bruck ist der perfekte Kontrast: Die überkorrekte, nervige Figur, die Bastians Leben zur Hölle macht. Dietrich Hollinderbäumer als Vater Volker rundet die Familie ab, und Gastauftritte wie der von Anke Engelke – die mit Pastewka die Parodie auf die Bühne bringt – oder Michael Kessler und Bernhard Brink verleihen dem Ganzen einen Hauch von Promi-Glanz, ohne je in die Albernheit abzudriften. Im Vergleich zu den überzogenen Grimassen in Filmen wie „Fack ju Göhte“ wirken diese Darsteller authentisch und subtil, was das Special zu einem Meisterwerk der Ensemble-Arbeit macht.
Pastewka
Bastian Pastewka selbst ist der Kern dieses Erfolgs, und man kann nicht genug betonen, wie er als Schöpfer und Star die Serie – und damit auch dieses Special – zu etwas Einzigartigem in der deutschen Fernsehlandschaft macht. Als gigantischer Fan von Jerry Seinfeld hat er nicht nur die Struktur von „Seinfeld“ übernommen, mit ihren episodischen, scheinbar belanglosen Geschichten, die in Chaos münden, sondern auch den Mut gehabt, sich selbst als antiheldischen Protagonisten zu inszenieren. In „Pastewkas Weihnachtsgeschichte“ zeigt sich das besonders: Er ist Drehbuchautor (zusammen mit Erik Haffner und Sascha Albrecht), Hauptdarsteller und quasi der Regisseur seiner eigenen Katastrophen. Anders als in den peinlichen deutschen Komödien, wo Humor aus Klischees und Übertreibungen gequetscht wird, baut Pastewka auf subtiler Beobachtung des Alltags auf – seine Figur lügt sich durch den Tag, vermeidet Verantwortung und stößt dabei auf reale Konsequenzen. Das Special, produziert von Brainpool und ausgestrahlt auf Sat.1 im Dezember 2013, dient als Brücke zur siebten Staffel und unterstreicht Pastewkas Genie: Er schafft es, Weihnachten nicht als kitschigen Hintergrund zu missbrauchen, sondern als Katalysator für seine typischen Running Gags, wie die Aversion gegen Mülltrennung oder die Sucht nach Fernsehen. In einer Zeit, in der deutscher Humor oft in Fäkalsprache oder Slapstick versinkt, ist Pastewka der Beweis, dass Intelligenz und Selbstironie funktionieren können – solange man sich an den Meistern orientiert.
Weihnachtliche Stimmung
Die weihnachtliche Stimmung in diesem Special ist ein wahres Meisterwerk der Unterwanderung – sie nimmt all die klassischen Elemente auf, die man aus Filmen wie „Eine Weihnachtsgeschichte“ oder „Der Grinch“ kennt, und dreht sie durch den Pastewka-Mixer zu etwas Einzigartigem. Statt rührseliger Harmonie gibt es hier den puren Festtagsstress: Die Suche nach dem Baum wird zur Metapher für Bastians Unfähigkeit, das Leben zu meistern, Familienzusammenkünfte münden in Streitigkeiten um Deko und Traditionen, und die Charity-Gala parodiert den kommerziellen Weihnachtswahnsinn mit einer Prise Volksmusik-Satire. Es schwebt eine Aura von Schnee, Lichtern und Glühwein durch die Szenen, doch immer kontrastiert mit Bastians Chaos – Lügen, die auffliegen, Peinlichkeiten, die eskalieren, und am Ende eine Erkenntnis, die mehr bitter als süß ist. Was das Special so fantastisch macht, ist dieser eigene Charme: Es verbindet die Wärme der Feiertage mit der Kälte der Realität, ohne je in Kitsch abzugleiten. Im Gegensatz zu den zuckersüßen deutschen Weihnachtsfilmen, die man auf ProSieben ertragen muss, fühlt sich das hier authentisch an – wie eine Seinfeld-Episode in festlicher Verpackung, wo die Stimmung nicht erzwungen, sondern organisch aus dem Desaster entsteht. Gelinde gesagt, es ist der Beweis, dass Weihnachten auch in Deutschland lustig sein kann, ohne dass man dabei den Verstand verliert.
Fazit
Ich schreibe zurecht so selten über deutschen Film, obwohl es hier und da gute gibt. Pastewkas Weihnachtsgeschichte fällt mit einer Laufzeit von 42 Minuten nur schwer in die Kategorie Film, sondern eher Kurzfilm. Aber das macht gar nichts, denn lieber habe ich 42 funtastische Minuten, die on point sind, als dass ich mir 90 Minuten ansehe, von denen mir nachher effektiv nur 30 gefallen. Die Rechnung geht also auf. Für alle, die ihn bis heute nicht gesehen haben, gebe ich deshalb eine Empfehlung raus. Ihr könnt ihn mit einem Amazon-Prime-Abo genießen. Alle anderen werden schon einen kreativen Weg finden. Oder sollten dies, denn Pastewkas Storytelling ist das beste in Deutschland. Ich wünsche eine gesegnete zweite Adventswoche.
Quellen:
Ganze Folgen von SAT.1 streamen in der SAT.1 Mediathek auf Joyn
Kommentare
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