16. Dezember 2025 11:00

Freiheit Top Spin … Zitat der Woche

„Merz kündigt den Westen.“

von David Andres drucken

Ein symbolisches Bild eines zerfallenden Mauerwerks mit einer stilisierten westlichen Flagge, die teilweise verblasst, im Hintergrund ein düsterer Himmel, der Wandel und Konflikt symbolisiert, 16:9, Querformat, ohne Text/Schrift/Logos.
Bildquelle: Redaktion Ein symbolisches Bild eines zerfallenden Mauerwerks mit einer stilisierten westlichen Flagge, die teilweise verblasst, im Hintergrund ein düsterer Himmel, der Wandel und Konflikt symbolisiert, 16:9, Querformat, ohne Text/Schrift/Logos.

„Das, was wir einmal den normativen Westen genannt haben, gibt es in dieser Form nicht mehr“, sagte der Kanzler kürzlich in einer Rede. Grund zur Empörung?

Das Zitat der Woche ist eine Schlagzeile der Kollegen von Apollo News. Offenbar herrscht dort Entrüstung darüber, dass Friedrich Merz jüngst in einer Rede den „normativen Westen“ aufgekündigt habe. Es dreht sich um seinen Auftritt beim Tag der Metall- und Elektroindustrie des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. Der eigentlich als Transatlantiker bekannte Merz grenzt sich mit seinen Worten von den USA ab, wie sie sich heute zeigen. „Spätestens mit der Veröffentlichung der neuen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten von Amerika in der vergangenen Woche“ sei „klar geworden, dass die Rede von JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar dieses Jahres kein Ausrutscher war, sondern der Beginn einer strategischen Neuausrichtung der Vereinigten Staaten von Amerika.“ Kurzum: Wie auch in der Innenpolitik gilt, dass (c)Unsere Demokratie etwas anders ist als die ursprüngliche Demokratie an sich. So ist fortan auch (c) Unser Westen in der Vorstellung von Brüssel und Berlin nur das, was man mit den USA vor Trump gemeinsam anstreben konnte.

Ist der „Westen“ trotz Differenzen erhaltenswert?

Interessant ist jedoch die Frage, ob es ganz generell nicht erstrebenswert sein sollte, bei allen Differenzen den allgemeinen „Westen“ zu erhalten – gerade in Zeiten wachsender innerer und äußerer Bedrohungen. Manch reale Entwicklung ist nicht wegzumoderieren, allem vorweg die schleichende Islamisierung. Sie ist kein Schreckgespenst ohne Substanz, sondern bestätigte Geschichte. Ägypten, der Libanon, Syrien, der Irak – allesamt einst mehrheitlich christlich geprägt – haben diesen Prozess im Laufe der Geschichte erlebt, ebenso wie der Iran nach der Machtergreifung der Mullahs oder die einst säkulare Atatürk-Türkei, die jetzt von einem Islamisten wie Erdogan geführt wird. Der Prozess läuft über Generationen. Die demografischen wie kulturellen Verschiebungen in Großbritannien, Frankreich und hierzulande erlauben die Frage, ob Vergleichbares auch hier denkbar ist. In einem solchen Szenario erscheint ein „normativer Westen“ als Abwehrbollwerk fast zwingend.

Zugleich darf man sich ehrlich darüber machen, wie oft dieser „normative Westen“ sein höchstes Ideal – die Freiheit – wiederholt verraten hat.

Nach außen hin, indem vor allem die Vereinigten Staaten im Namen von Demokratie und Menschenrechten souveräne Länder überfallen und dortige Machthaber gestürzt haben, sobald sie ihnen geostrategisch gefährlich wurden oder von der Fahne gingen. Männer wie Saddam Hussein oder Muammar al-Gaddafi hat der „normative Westen“ ja nicht nach Jahrzehnten auf einmal als Diktatoren erkannt, sondern sogar gestützt, solange sie nützlich waren. Einmal weg vom Fenster, interessiert den Westen kaum, ob diese Länder sich danach tatsächlich zum Besseren (also Freieren) entwickeln oder ob – wie es meistens geschieht – ein noch steinzeitlicheres Regime die Macht übernimmt. Von den teils Hunderttausenden zivilen Kriegsopfern, deren Leben offenbar weniger zählt als das der „Regime-Change“-Angreifer, einmal ganz abgesehen.

Nach innen verrät der Westen die Freiheit tagtäglich leiser, aber nicht weniger konsequent. Meldestellen für „problematische Meinungen“, Strafverfolgung wegen Politikerbeleidigung, die Renaissance der Majestätsbeleidigung unter neuem Namen. Digitale Überwachung, anlasslose Datenspeicherung, pädagogisch aufgeladene Volkserziehung, die in ihrer Plumpheit selbst autoritäre Systeme beschämen würde. Der Westen, der China oder Russland gern als dystopische Gegenentwürfe zeichnet, ahmt deren Kontrollfantasien mit wachsender Begeisterung nach – und bringt es in der Statistik auf weit mehr Verhaftungen wegen sogenannter Meinungsverbrechen. Darin sind sich der Merz-Westen und der Trump-Westen sogar halbwegs ähnlich, auch wenn sich die Inhalte der rigorosen Maßnahmen unterscheiden und die USA von heute zumindest nominell so tun, als läge ihnen wieder etwas an mehr Beinfreiheit für ihre Bürger.

Die einzig glasklare und im ursprünglichen Sinne „westliche“ Position bleibt die des „wilden Westens“ als einer libertären Gesellschaft – oder wenigstens einer, in welcher der Staat seine Bürger so gut es geht in Ruhe lässt. Ein Modell, in dem die Politik weder die einen noch die anderen jagt, gängelt oder einschüchtert. Freiheit nicht als Exportware, nicht als Erziehungsprojekt, nicht als geopolitisches Druckmittel, sondern als individuelles Recht, nach innen wie nach außen. Bis heute gefällt das Vielen, wenn es sich wenigstens in der Tendenz in diese Richtung bewegt – nicht ohne Grund boomt die Nostalgie über das Deutschland der späten Sechziger bis mittigen Neunzigerjahre. Mehrheitsfähig als bewusste Entscheidung war es dennoch nie. So gesehen hat es „den Westen“ als echten Freiheitsfunken bislang kaum gegeben.

Quellen:

Merz kündigt den Westen +++ Der Denkfehler der AfD-Vorwürfe +++ Das Debanking-System

Rede des Kanzlers beim Arbeitsgeberverband Gesamtmetall - Bundesregierung


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