Schützenhilfe durch: J.D. Vance: „Tear down this firewall!“
Die neue US-Politik – Freund in Gedanken, Feind in der Praxis
von David Andres
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12. Juni 1987. Ein konservativer und wirtschaftsliberaler, aus linker Sicht faschistoider und rechtsradikaler US-Präsident ist zu Gast in West-Berlin und ruft im Rahmen seiner Rede den berühmten Satz: „Tear down this wall!“ Der Präsident hieß Ronald Reagan, war ein Quereinsteiger in die Politik, kam aus dem Showgeschäft und rief bei seiner Amtseinführung eine „Ära der nationalen Erneuerung“ aus. Deren Inhalte? Unter anderem Steuersenkungen und eine massive Kürzung der staatlichen Ausgaben.
14. Februar 2025. Ein konservativer und wirtschaftslibertärer, aus linker Sicht faschistoider und rechtsradikaler US-Vize-Präsident ist zu Gast in München und sagt im Rahmen seiner Rede bei der sogenannten Sicherheitskonferenz sinngemäß: „Tear down this firewall!“ Der Vize heißt J.D. Vance, war aufgrund seiner bewegenden Autobiografie lange Zeit ein Liebling der Linken und gehört nun zu den „Bösen“, da er gemeinsam mit Donald Trump und Elon Musk eine tatsächliche Zeitenwende einleitet und den Laden dermaßen aufräumt, dass mehr als nur Filz zum Vorschein kommt.
Eine knappe halbe Stunde lang liest Vance in München den Deutschen die Leviten und zeichnet das Bild eines Landes, deren Regierung und Schein-Opposition gemeinsam mit bezahlten Massen die einzige echte Opposition bekämpft und die Meinungsfreiheit unterdrückt. Ein Land, das seine Bevölkerung nicht mehr hinter eine echte Mauer, sondern hinter eine Brandmauer zwingt. Eine Politik, die ihren eigenen Bürgern nicht traut. Die „größte Sicherheitsbedrohung“ für Europa, erzeugt Vance Schnappatmung unter anderem beim deutschen „Verteidigungsminister“ Pistorius, gehe nicht von China oder Russland aus, sondern von innen. Von einer zu laxen Migrationspolitik, von Zensur und von der störrischen Weigerung, mit Parteien zusammenzuarbeiten, welche ein knappes Viertel der Wähler ihre Stimme geben.
Natürlich freut uns das, als Libertäre, so rein inhaltlich. Natürlich beobachten wir mit Popcorn und Spannung, wie Musks „DOGE“-Behörde in den USA den Sumpf aushebt und dabei nebenher Dinge enthüllt, die dem „Deep State“ ein Gesicht und Namen geben. Natürlich genießen wir solche Reden ähnlich wie jene, die Javier Milei beim Weltwirtschaftsforum zum Besten gibt. Schauen wir aber auf das, was die USA mit der Ukraine vorhaben, sollten wir uns nichts vormachen – als Wirtschaftslibertäre mögen Vance und Co. auf unserer gedanklichen Seite sein. Als Staatspolitiker manövrieren sie unser Land sowie die EU gerade in eine fatale Lage. Das entscheidende Geschehen rund um München war schließlich nicht die Rede von Vance, sondern das Telefonat seines Chefs mit Wladimir Putin.
Wie zeigt sich dort die Lage? Trump und Putin sitzen am Verhandlungstisch, der ukrainische Selenskyj ebenfalls, aber weit ab vom Schuss, an der Spitze der viel zu langen Tafel. Die Europäer sind in den Nebenraum verbannt, in die Spielecke des Wartezimmers. Die Amerikaner werden sich nach einer Einigung ihr „Engagement“ der vergangenen Jahre durch Zugriff auf die Bodenschätze und seltenen Erden im Land zigfach zurückzahlen lassen. Den Frieden sichern und darauf achten, dass kein russischer Fuß mehr die 1944 Kilometer lange Grenze übertritt – diese Aufgabe möchte die USA den Europäern zuschieben. Die Lokomotive Europas ist weiterhin Deutschland, auch wenn diese Lokomotive mittlerweile dem Zustand der Deutschen Bahn gleicht. In der Praxis bedeutet dies für die kommenden Jahre zweierlei, und zwar ganz egal, wer in Deutschland die Regierung stellt:
Erstens: Die Politik wird tiefer in alle Taschen greifen, derer sie habhaft werden kann, weil ein solches Unterfangen Hunderte von Milliarden kostet.
Zweitens: Die Wehrpflicht wird wiederkehren und je nach Regierungskoalition lediglich anders begründet werden.
Drittens: Die EU könnte ihren lang gehegten Zentralisierungstraum der gemeinsamen europäischen Armee umsetzen, die auch Selenskyj gefordert hat, als er kurz den Kopf ins Wartezimmer mit der Spielecke steckte.
Die Worte der libertären Amis mögen uns als gedankliche Schützenhilfe freuen. Die politische Praxis, uns zur tatsächlichen Schützenhilfe für sie zu zwingen, wird unser Land noch unfreier machen und noch mehr knebeln, als es ohnehin schon immer der Fall war. Es sei denn, Deutschland und Europa kündigten das transatlantische Bündnis auf, was sie sich auf vielerlei Weisen nicht erlauben können.
Wie sehen Sie das? Schreiben Sie es gern in die Kommentare.
Quellen:
Rede von J.D. Vance auf Deutsch (Langemann Medien)
Europäische Staaten halten einen Sondergipfel ab. Als Antwort auf Trumps brachiale Ukraine-Pläne (nzz)
Kommentare
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