05. April 2024 20:00

RKI-Files Für eine Generalamnestie!

Vorschlag einer juristischen Aufarbeitung der „Corona-Zeit“

von Thomas Jahn

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Bildquelle: Gorodenkoff / Shutterstock Mehr als überfällig: Eine juristische Aufarbeitung der Plandemie-Maßnahmen

Wie wir seit etwa zwei Wochen wissen, handelt es sich bei dem hochbrisanten Komplex der sogenannten „RKI-Files“ um mehr als 200 schriftliche Protokolle des Krisenstabs des Robert Koch-Instituts (RKI). Die von Januar 2020 bis April 2021 erstellten Protokolle umfassen mehr als 2.000, zunächst geheim gehaltene Seiten, die erst von dem Herausgeber des „Multipolar“-Internetmagazins Paul Schreyer unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz freigeklagt werden mussten. Die Protokolle sind auf den Internetseiten von „Multipolar“ seit Ende März 2024 abrufbar. Der Prozess gegen das RKI vor dem Verwaltungsgericht Berlin auf Herausgabe der vollständigen Akten geht allerdings weiter, weil mindestens 1.000 Seiten durch das RKI geschwärzt wurden. Nach Berichten von „Multipolar“ setzt das RKI aktuell auf die bekannte Verzögerungstaktik, da man einen Antrag auf Verlegung des für den 6. Mai 2024 vorgesehenen mündlichen Verhandlungstermins eingereicht hat.

Verschiedene Tageszeitungen wie die „Welt“ hatten die von „Multipolar“ veröffentlichten Protokolle gesichtet und wichtige, der Öffentlichkeit bislang verschwiegene Aussagen des RKI zu bekannten „Corona-Maßnahmen“ zusammengefasst: Zu den FFP2-Masken heißt es im RKI-Protokoll vom 30. Oktober 2020, dass es keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes gebe. Die etablierte Politik hielt dennoch am Maskenzwang fest, obwohl das RKI in 13 verschiedenen Einträgen bis April 2021 immer wieder zu dem Schluss kam, dass es keine fachliche Grundlage für eine Empfehlung gibt, der gesamten Bevölkerung die ständige Verwendung dieser Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln, Geschäften, Restaurants, am Arbeitsplatz oder sogar in Außenbereichen vorzuschreiben.  

Das RKI sprach sich am 5. März 2021 auch gegen Privilegien beim Nachweis des Impfstatus aus. Weiter heißt es in den Protokollen im Zusammenhang mit den Impfstoffen: „Das Impfzertifikat soll die Erfassung von Impfwirkung, Spätfolgen et cetera ermöglichen, nicht Grundlage für Kategorien und Vorrechte sein.“ Das RKI hätte diese Empfehlung nicht ausgesprochen, wenn es von den teils gravierenden Nebenwirkungen der mRNA-Impfungen nicht gewusst hätte. Der nun zutage getretene besondere RKI-Hinweis, dass das Impfzertifikat der „Erfassung von Spätfolgen“ dienen sollte, erscheint besonders brisant, denn von offizieller Seite wurde Millionen von Menschen bis heute eingeredet, dass solche Gefahren gar nicht existieren würden. So sagte etwa Klaus Cichutek, Chef des Paul-Ehrlich-Instituts im Januar 2022: „In der Regel haben die Impfstoffe keine unerwünschten Langzeitfolgen, die im ursächlichen Zusammenhang mit den Impfungen stehen. Häufig meinen besorgte Bürgerinnen und Bürger mit Langzeitfolgen Nebenwirkungen, die erst spät auftreten. Diese Sorgen sind unberechtigt.“ Trotz der gegenteiligen internen Warnung des RKI propagierten die Bundesregierung, die Länderchefs und zahllose Politiker die mRNA-Impfung als wichtigste „Waffe“ im Kampf gegen Corona. Bereits Mitte September 2021 führten die Bundesregierung und die Bundesländer mit den sogenannten „3G-Regeln“ (geimpft, genesen, getestet) und in ihrer Steigerungsform „2G“ (geimpft, genesen) einen faktischen Impfzwang ein, denn „3G“ und „2G“ sollte Ungeimpfte gezielt aus zahlreichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausschließen. Politiker wie Tobias Hans, CDU („Ihr seid jetzt raus aus dem gesellschaftlichen Leben“), und Verbandsfunktionäre wie Frank Ulrich Montgomery („Tyrannei der Ungeimpften“) zogen medial über Ungeimpfte her. Die damals neu gewählte linke Bundesregierung trommelte trotz gegenteiliger Ankündigungen im Wahlkampf plötzlich für eine allgemeine Impfpflicht.

Zum Thema Schulschließungen stellte das RKI laut Sitzungsprotokoll vom 9. Dezember 2020 Folgendes fest: „Schulen sind nicht das Mittel, um die Pandemie einzudämmen, das zeigen auch andere Länder.“ Beim anschließenden Bund-Länder-Gipfel unter der Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde vier Tage später aber beschlossen, die Präsenzpflicht an Schulen auszusetzen und diese „grundsätzlich“ zu schließen.

Es wird in den kommenden Monaten nun auf Grundlage der bestens dokumentierten Sitzungen des RKI-Krisenstabs herauszuarbeiten sein, was die hauptverantwortlichen Politiker, allen voran die damals und heute amtierenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Karl Lauterbach, tatsächlich wussten, denn das RKI ist als Bundesoberbehörde direkt dem jeweiligen Bundesgesundheitsminister unterstellt.  

Christoph Lütge, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der TU München, war nur einer von vielen Wissenschaftlern, die sich damals kritisch über die Corona-Maßnahmen äußerten. Lütge fasste jetzt gegenüber der „Neuen Züricher Zeitung“ die wesentlichen Inhalte der RKI-Protokolle prägnant zusammen: „Die veröffentlichten Protokolle offenbaren Überlegungen der Behörde, von denen vorher behauptet wurde, das wären Verschwörungstheorien. Nun weiß man: Selbst das RKI hatte Zweifel an Impfstoffen, Lockdowns und der Maskenpflicht.“

Lütge war eines von Hunderttausenden Opfern der rigiden Corona-Politik, wenn auch seine „Strafe“ vergleichsweise glimpflich ausfiel: Die Bayerische Staatsregierung warf ihn im Februar 2021 als Reaktion auf seine deutliche Kritik an den Lockdown-Maßnahmen aus dem Bayerischen Ethikrat. Der Chef der Bayerischen Staatskanzlei Florian Herrmann bezeichnete Lütges Äußerungen als „verstörend“, sie würden den Beifall von „Corona-Leugnern“ provozieren und schadeten dem Ansehen des Ethikrates.

Die von Lütge natürlich zu Recht kritisierten „Maßnahmen“ hatten sich juristisch seit März 2020, ausgehend von dem einschlägigen Infektionsschutzgesetz, mit zahllosen bundes- und landesrechtlichen Verordnungen bis hin zu einzelbehördlichen und kommunalen Allgemeinverfügungen wie ein undurchdringliches Dickicht über Deutschland gelegt. Zeitweise überblickte wirklich niemand mehr die Vielzahl aller, meist an „Inzidenzen“ geknüpfter Ge- und Verbote, die in einzelnen Bundesländern wie Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern strenger als andernorts gefasst waren. Allen freiheitseinschränkenden Maßnahmen gemein war aber, dass sie stets mit angeblich aktuellen Einschätzungen des RKI als Fachbehörde hinsichtlich der jeweiligen Erforderlichkeit begründet wurden.

Auch nahezu alle Gerichte machten sich die vermeintliche Sichtweise des RKI unkritisch zu eigen. Anderslautende Beweisanträge zu den Gefahren der Infektion und der Wirksamkeit der Maßnahmen wurden in aller Regel abgewiesen. Exemplarisch für das Vorgehen der Gerichte war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. November 2021 gegen die absurde „Bundesnotbremse“, einer noch im April 2021 beschlossenen Vielzahl von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen. Das Gericht sah die massiven Eingriffe in mehrere Grundrechte als verhältnismäßig, insbesondere erforderlich an, weil das RKI angeblich die Gefährdungslage der Bevölkerung im Zeitraum des Inkrafttretens der Maßnahmen für sehr hoch eingeschätzt habe. Die Einschätzungen des RKI zur Gefährdung von Leben und Gesundheit sowie der Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems hätten auf angeblich „tragfähigen tatsächlichen Erkenntnissen“ beruht, so das Bundesverfassungsgericht. Mit den „RKI-Files“ liegen nun aber wirklich neue Tatsachen vor, die die damals getroffenen Maßnahmen juristisch weder für erforderlich noch als geeignet erscheinen lassen. Das Strafprozessrecht und das Verfahrensrecht bei Ordnungswidrigkeiten sehen für solche Fälle das Recht auf Wiederaufnahme vor, auch wenn das jeweilige Verfahren durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossen wurde. Zehntausende Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren waren coronabedingt allein in Bayern anhängig. Grundlage einer Verurteilung waren in den meisten Fällen Verstöße gegen die Maskenpflicht oder gegen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen. Vor allem Gastwirte wurden zu hohen, teils fünfstelligen Strafzahlungen verurteilt. Die juristischen Erfolgschancen auf Wiederaufnahme dieser Verfahren dürften in zahlreichen Fällen gut ausfallen. Die Justiz wäre auf Jahre hinaus mit einer Prozesslawine überfordert. Die adäquate Antwort des Rechtsstaats kann daher nur in einem Gesetz für eine bundesweite Generalamnestie nach dem bisherigen Vorbild Sloweniens bestehen. Das Amnestiegesetz müsste sich auf alle Ordnungswidrigkeitenverfahren erstrecken, die wegen Verstößen gegen Verordnungen und Allgemeinverfügungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes gegen unbescholtene Bürger angestrengt wurden. Alle darauf basierenden Bescheide und Urteile wären aufzuheben. Verhängte Bußgelder müssten zurückgezahlt werden. Die Amnestie müsste aber auch alle Strafverfahren erfassen, die gegen Wissenschaftler, Ärzte, Beamte, Richter oder ganz normale Bürger angestrengt wurden, weil sie, mit ähnlichen Argumenten wie in den RKI-Files dokumentiert, Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen geleistet und dabei uneigennützig und nach bestem Wissen und Gewissen das Wohl anderer Menschen im Blick hatten. Es kam auch zu unzähligen Verurteilungen wegen sogenannter Meinungsdelikte, obwohl viele medial oder auf Demonstrationen präsentierte, sicher teils auch provokante oder sogar geschmacklose historische Vergleiche selbstverständlich von der Meinungsfreiheit gedeckt waren. Die generelle Aufhebung dieser Urteile wäre der erste Schritt zur notwendigen Aufarbeitung der Corona-Pandemie und würde zugleich eine befreiende, gesellschaftlich wichtige Debatte befeuern, die sich auch auf andere regierungsamtliche Narrative wie rot-grüne Klimareligion oder den linken „No nation, no border“-Wahn ausdehnen würde.

Die RKI-Files bieten die Chance für die wichtige Forderung nach Stärkung eines freiheitlichen Meinungspluralismus, der Diskussionen endlich wieder auf der Basis von Fakten und Argumenten zulässt und persönliche Diffamierungen und Etikettierungen als menschenverachtende politische Herrschaftstechniken im Dienste von kartellartig organisierten Macht- und Finanzinteressen entlarvt.

„Wer Kritiker als Leugner bezeichnet, will Sachfragen zu Glaubensfragen machen, um Widerspruch zur Ketzerei erklären zu können.“ Dieser einprägsame, von dem liberalen Autor Ramin Peymani lange vor der „Corona-Zeit“ geäußerte Ausspruch zeigt, worum es auch jetzt wieder geht: um den Widerpart zwischen Freiheit und Zwang und um den Versuch, das Recht mit den Mitteln der Propaganda auszuhebeln.

Setzen wir uns dafür ein, dass Freiheit und Recht am Ende die Oberhand behalten!

Der Autor führte auf dem Sender „Kontrafunk“ zum Thema „Generalamnestie“ auch ein Interview mit Carlos A. Gebauer.


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