Schützenhilfe durch: Marco Scheel: Klartext vom Lande
Wie der Chef von Nordwolle die Diskrepanz zwischen Politik und echtem Leben genial auf den Punkt bringt
von David Andres
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Als ich diese Kolumne aus der Taufe hob, trieb mich der Gedanke an, Stimmen zu finden, die „unsere“ Haltungen verbreiten, aber zugleich bestens an „normale Leute“ weiterzuleiten sind. Weil sie verständlich bleiben, anschaulich, getrieben von Leidenschaft und bodenständiger Verwurzelung. Weil sie aus dem prallen Leben stammen und aus ihm heraus argumentieren. Weil sie auf eine Weise vorgehen, die jeder, der ideologisch nicht völlig im sozialistischen Sumpf steckt, augenblicklich sympathisch finden muss.
Marco Scheel, der Chef der Firma „Nordwolle“ aus Teplitz in Mecklenburg-Vorpommern, ist ein Mann, der, wenn es ihn nicht gäbe, für die „Schützenhilfe“ hätte erfunden werden müssen. Sie alle kennen ihn wahrscheinlich aus seinem legendären Kurzvideo, das vor Jahren viral gegangen ist. Wenn ich es zitiere, haben sie es sofort wieder vor Augen: „Wir können nicht alle mit nem MacBook und nem Chai Latte in Berlin in nem Co-Working-Space sitzen und die zehnte Dating-App erfinden. Es gibt auch ein paar Leute, die irgendwas anfassen müssen und sich die Hände schmutzig machen.“ Das Kurzvideo ist ein Ausschnitt aus einer Langfassung, die damals sogar der NDR (!) gedreht hat, im Rahmen der „Nordreportage“ mit der Folge „Wolle for Future – Es wird immer bunter.“ Der legendärste Satz aus dem Clip, den Marco Scheel in seiner kurzweiligen, kathartischen Rage in die Kamera ruft, lautet: „Wir brauchen Platz!“
Den Platz wollten die Ämter ihm damals nicht lassen, schikanierten ihn angesichts seines ultramassiven, teils mit Naturstein gemauerten Gebäudes mit teuren Stabilitätsproben des Bodens, der seit zweihundert Jahren nicht nachgegeben hatte. Sein „Rant“, wie man erfrischende Wutreden heute nennt, war und ist ein Kultvortrag gegen die Diskrepanz von Bürokraten und Machern in einer arroganten Verwaltungsdemokratie. Kürzlich – und das ist der Anlass für diese frische Kolumne – saß er im Talk bei Jasmin Kosubek und hatte dort Gelegenheit, seine Erfahrungen und Haltungen in aller Ruhe auszubreiten. Was er dort erzählt und welche Worte er findet, dass müssen Sie unbedingt allen weiterleiten, die auch nur im entferntesten Winkel ihres Herzens ahnen, dass echte Wirtschaft und passionierte Fachleute dieses Land am Leben halten und eben nicht Politiker, Bürokraten und Weltverbesserungsideologen.
„Wir sind nur damit beschäftigt, irgendwelche Bürokraten zu bespaßen“, sagt Scheel in der Folge der Sendung und bringt als Leitmotiv immer wieder ein wunderbares Wort, dass wir alle im Alltag benutzen sollten, um den Menschen klarzumachen, wie schädlich der Staat und seine Regulierungen wirken: „Reibungsverluste“. Diese Reibungsverluste, dieses ständige Aufgehalten-werden durch die Ämter und die Dokumentationspflichten, sorge dafür, dass der „Innovationstreiber“, der Deutschland früher immer war, komplett erlahmt. Wer das nicht wolle, der müsse endlich wieder „die Zügel loslassen“ und die Leute machen lassen.
Zwei sehr markante Kontraste zeichnet Scheel in dem Gespräch. Erstens: Den Kontrast zwischen Politikern und Bürokraten, die naturgemäß gar keine Ahnung von den Sachthemen haben, über die sie entscheiden und den Praktikern, die tagtäglich damit zu tun haben. Zweitens: Den Kontrast zwischen der ideologischen Bubble der Städte und dem völlig anderen Leben auf dem Land, wo „kein Dogma“ in irgendeiner Richtung herrsche, sondern das Leben selbst mit all seinen Möglichkeiten und Begrenzungen.
Zum ersten Punkt führt Scheel zum Beispiel aus, was das von sogenannten „Klimaschützern“ ebenfalls gescholtene Schaf tatsächlich auch für das Ökosystem leistet; wie es unverzichtbar ist, etwa auch in der Beweidung der Moore. Der Detailreichtum und die Liebe zu seiner Berufung, die hier zum Ausdruck kommen, erzeugen automatisch Sympathie für die Macher im Lande und Antipathie für die Bürokraten. Zum zweiten Punkt reagiert er sehr gut auf einen Einwand von Gastgeberin Kosubek, dass die Abgeordneten in Berlin ja aus den ländlichen Gebieten stammen, in denen sie gewählt worden sind. Er räumt es ein, zeichnet aber anschaulich nach, dass diese sich – einmal in der Berliner Bubble aufgegangen – dem dortigen Zeitgeist und den unausgesprochenen Denkleitplanken anpassen.
Zu den amüsantesten Insider-Einblicken der Sendung gehört, dass Marco Scheel im Rahmen seines Studiums der Ingenieurwissenschaften als Pflichtseminar tatsächlich Genderwissenschaften belegen musste und somit in Vorbereitung seines Lebens als Unternehmer in Kenntnis darüber gesetzt wurde, dass ein biologisches Geschlecht nicht existiere. Mein Lieblingssatz dieser Sendung, der besten „Schützenhilfe“ seit Monaten, soll diese Kolumne beschließen, feiert er doch „die kleinste Minderheit der Welt“, zu deren Verteidigung auch wir hier tagtäglich antreten. Er lautet: „Das Individuum ist in seiner Situation immer am intelligentesten!“ Und eben nicht irgendjemand, der sich berechtigt fühlt, ihm Vorschriften zu machen.
Die Baugenehmigungen, um die es damals bei Marco Scheels ursprünglichem Protest ging, hat er übrigens alle erhalten. Durch den Massenerfolg seiner Wutrede verloren manche Akteure ihre Posten und die neuen arbeiteten ihm zu und zerschnitten sogar bei der Einweihung das rote Band.
So kann’s gehen.
Quellen:
Unternehmer Marco braucht PLATZ (und keinen Verwaltungslotsen) (Youtube)
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