11. Mai 2024 22:00

Trump im Wahlkampf Straffreiheit für den Freund und Helfer

Gefährlicher als jede Neighborhood-Gang

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: Denis---S / Shutterstock US-Cops: Greifen oft recht schnell zur Waffe

Ihr Fall sorgte weit über die Grenzen Alabamas hinaus für Aufsehen. Ende Februar wurde Twyla Stallworth in ihrem Haus in Andalusia im südlichen Teil des Bundesstaates von einem Polizisten aufgesucht. John Barton vom Andalusia Police Department stellte Stallworth vor die Wahl: „Weisen Sie sich aus oder gehen Sie ins Gefängnis!“ Als sie sich weigerte, attackierte Barton Stallworth und ihren 18 Jahre alten Sohn brutal. Ein Video ihres Sohnes dokumentierte den Vorfall. 

Das Filmen eines Polizisten, um mögliche Polizeigewalt zu dokumentieren, ist vom Ersten Verfassungszusatz vollumfänglich gedeckt. Arizona versuchte, es 2022 illegal zu machen, einen Polizisten im Einsatz „ohne dessen Zustimmung“ zu filmen. Ein Bundesrichter haute dem Staat dieses Gesetz später um die Ohren. Das hält Floridas Gouverneur Ron DeSantis nicht davon ab, Ähnliches nun in Florida zu versuchen. Doch DeSantis ist schlau. Filmen ist nicht ausdrücklich verboten, wird aber in einen Graubereich geschoben, in dem am Ende der Staat die Deutungshoheit darüber hat, wer rechtmäßig filmt oder nicht. 

Anders als in Florida (und in nur drei weiteren Bundesstaaten) kann man in Alabama nicht einfach festgenommen werden, nur weil man sich nicht gegenüber der Polizei ausweist. Eine im Übrigen ebenso zutiefst unamerikanische Praxis wie das Filmverbot, die immer wieder gerade aus dem „Law and Order“-Segment verteidigt werden. Die, die sich wie DeSantis sonst gerne als freiheitsliebende Verfassungspatrioten inszenieren, können die Bill of Rights gar nicht schnell genug in die Tonne treten, wenn sie den Handlungsspielraum der Polizei und damit die Kontrollmöglichkeiten von Politikern beschränkt. Das zeigt sich gerade aktuell auch beim Thema Meinungsfreiheit, ein Verfassungsrecht, das amerikanische Konservative spätestens dann nicht mehr zu interessieren oder verteidigenswert scheint, wenn es von Israel-Kritikern an US-Universitäten reklamiert wird.

Mit Law and Order gewinnt man in Amerika noch heute Wahlen. Das dachte sich wohl auch Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Wisconsin vergangene Woche. „Wir geben unserer Polizei ihre Macht zurück“, rief Trump da seinen begeisterten Anhängern zu. Und versprach: „Wir werden ihnen Immunität vor Strafverfolgung geben.“ 1.160 Menschen wurden im vergangenen Jahr Opfer tödlicher Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten. Diese Zahl steigt seit Jahren. Zwischen 1980 und 2018 starben mehr als 30.000 Menschen durch die Hand eines Freund und Helfers. 

Kaum ein Polizist, der in Amerika ein Verbrechen begeht, wird je angeklagt. Das geschieht allenfalls bei großen Fällen wie dem Mord an George Floyd in Minneapolis, wo der mediale Druck zu groß ist, um dem Volk nicht einen Sündenbock in Uniform zu präsentieren. Das Problem ist – und da hat die systemkritische Systemgeburt Black Lives Matter vollkommen recht – strukturell, systeminhärent und sicher nicht auf einzelne „bad cops“ zurückzuführen.

Wobei man sich schon die Frage stellen muss, und das gilt für Deutschland eigentlich noch mehr als für Amerika: Was bewegt eigentlich jemanden dazu, bei der Polizei arbeiten zu wollen? In Amerika ist das oft der Not geschuldet. Wer zu dumm fürs Militär oder selbst einen Waltmartjob ist, kommt in Amerika noch immer bei der Polizei unter. Auch hierzulande sind Polizisten in der Regel nicht die Hellsten, obgleich die Anforderungen schon höhere sind. Darüber hinaus glaube ich, dass man Polizisten nicht automatisch hehre Motive bei der Wahl ihres Berufs unterstellen sollte. Meiner Erfahrung nach handelt es sich bei vielen Polizisten um narzisstische Persönlichkeiten, die ihre Kontrollsucht, ihre Machtphantasien und ihre Gewaltaffinität in diesem Beruf legal oder zumindest straffrei ausleben können, anstatt sie therapieren zu lassen. Es ist ein wenig wie mit den pädophilen Priestern in der katholischen Kirche. Wie der Priesterdienst überproportional viele Pädophile anzieht, gilt meiner Meinung nach Gleiches für den Polizeiberuf und Menschen mit Gewaltneigung. Das ist nur meine eigene Wahrnehmung und ich nehme selbstverständlich nicht für mich in Anspruch, die Motivation jedes einzelnen Polizisten beurteilen zu können. Aber eines weiß ich sicher: Ich habe spätestens seit Covid null Verständnis für konservative Polizeiversteher – weder in den USA noch hier, und das gilt besonders für jene Heuchler, die sich dabei auch noch vermeintlich libertär geben. 

Ich glaube, auch wenn man sich frühere Äußerungen von ihm anhört, nicht, dass Trump die Unterstützung der Polizei ein Herzensanliegen ist. Er sagt das, was seine Anhänger hören wollen. Mit Prinzipien hat es die Maga (Make America Great Again) -Mischpoke nicht. Da geißeln dieselben Leute die Covid-Impfung einerseits (zu Recht) als todbringendes Gift, nur um dann Trump zuzujubeln und zu wählen, der es als sein großes Verdienst reklamiert, die Impfung ohne langjährige wissenschaftliche Prüfung auf den Markt gebracht zu haben. Und wenn die Steuerbehörde IRS unter einer demokratischen Administration Konservative unter Beschuss nimmt, ist der Katzenjammer groß, doch selbst hat man keine Probleme, Andersdenkenden die Polizei auf den Hals zu hetzen. Team rot und Team blau unterscheiden sich eben am Ende doch nur in Nuancen, und beide lieben es, sich den Staat untertan zu machen und ihn gegen politische Gegner einzusetzen.

Ich kann Rufe nach einer Abschaffung der Polizei sehr gut nachvollziehen. Sie kommen meist aus Communitys, die gerade seit Beginn des „Krieges gegen die Drogen“ in den 70ern überproportional unter Polizeigewalt und Militarisierung der Polizei gelitten haben. Wer so was als Spinnerei abtut, sollte sich fragen, ob er immer noch so denken würde, wenn er mal bei einer „No-Knock Raid“ nachts um halb drei Uhr in den Lauf einer Maschinenpistole geschaut hätte, weil die Gesetzeshüter mal wieder den Drogenvorrat auf ihrer Wache auffüllen wollen. Das suburbane weiße Amerika mag den gewöhnlichen Drogendealer für gefährlich und den Polizisten für seinen Beschützer halten. Im Amerika der Minderheiten weiß man längst, was mancher Weißer besonders seit Covid auf die harte Tour lernen musste: Die Polizei ist nicht dein Freund und oft wesentlich gefährlicher als jede Neighborhood-Gang.

Wenn Trump nun Immunität für Polizisten fordert, stellt sich mir die Frage, was genau er damit meint. Qualifizierte Immunität („qualified immunity“) schützt Polizisten bereits vor teuren Zivilklagen, hat aber keine Auswirkungen auf Strafrechtsprozesse. Dass so wenige Polizisten für ihre Verbrechen am Ende vor Gericht landen, hat entgegen der allgemeinen Wahrnehmung nicht direkt etwas mit qualifizierter Immunität zu tun, sondern mit allzu polizeifreundlichen und korrupten Staatsanwälten und der berüchtigten „Blue wall of silence“, also Polizisten, die lieber den Mund halten, als das Verbrechen eines anderen Polizisten öffentlich zu machen, auch aus Furcht vor Vergeltung durch Kollegen. Bei der Konkurrenz heißt das „Omertà“.

Will Trump Polizisten mit absoluter Immunität auch bei Strafprozessen schützen? Wohl kaum. Die übergroße Zahl der wenigen Fälle von Polizeigewalt, die am Ende tatsächlich vor Gericht landen, werden auf Staaten- und nicht auf Bundesebene verhandelt. Mit Forderungen wie der nach Immunität für Cops macht Trump sich also einen schlanken Fuß. Er kann seine Anhänger begeistern, ohne irgendetwas politisch liefern zu müssen. Doch für eines sorgen solche Aussagen dennoch: Sie zementieren das Bild einer angeblich von den Demokraten kastrierten Polizei, die dank linker Ideologen nicht mehr in der Lage sei, rechtschaffene Bürger zu verteidigen, was freilich mit der Realität wenig zu tun hat.

Ganz abgesehen davon, dass es für Opfer von Polizeigewalt gleich welcher Hautfarbe wie ein Hohn klingen muss, zu hören, die Polizei müsse ihre Macht zurückbekommen. Ich finde man sollte an Polizisten im Dienst stets die gleichen Standards, wenn nicht gar höhere anlegen als an jeden anderen Menschen auch. Doch problematisch finde ich nicht nur, dass Polizisten oft ohne Konsequenzen Dinge tun können, für die der Otto Normalbürger im Gefängnis landen würde. Schlimmer ist für mich, wie viele Menschen in Amerika und hier in Deutschland bereit sind, Gewalt durch Polizisten zu rechtfertigen, die sie bei einem Täter ohne Uniform uneingeschränkt verurteilen würden. 


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