25. Mai 2024 22:00

Rohmilch und Freiheit Weißes Gold vom Bauernhof

Die FDA warnt erneut vor dem Verzehr roher Milch

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: StockMediaSeller / Shutterstock Rohmilch: Naturbelassen, genauso wie sie aus dem Euter der Kuh kommt

Zu den Dingen, die ich an Bayern sehr mag, gehört die engmaschige Verfügbarkeit von Rohmilch direkt vom Bauernhof. Sie ist entgegen einem weiterverbreiteten Mythos eines der gesündesten Lebensmittel überhaupt, ein Superfood, ein echter Booster für Darm und Immunsystem. Zudem schmeckt Rohmilch vom Bauernhof einfach viel besser als behandelte Milch aus dem Supermarkt und wird so herrlich cremig, wenn man sie ein paar Tage im Kühlschrank stehen lässt. Unserem Kleinkind geben meine Frau und ich selbstverständlich auch Rohmilch vom Bauern unseres Vertrauens. An der Milchtankstelle zwingt der Staat die Landwirte, darauf hinzuweisen, dass die Milch unbedingt abgekocht werden müsse. Wir ignorieren diese Expertenmeinung. Welches Interesse sollten wir daran haben, Nährstoffe und Vitamine abzutöten? Zumal in der Rohmilch so viele gute Bakterien enthalten sind, die auch die Milch selbst schützen – quasi ein eingebautes Sicherheitssystem. 

Was die Sicherheit der Milch angeht, vertraue ich dem Bauern im Nachbarort, mit dem mein Vater bereits vor über 60 Jahren zur Schule gegangen ist, mehr als irgendeinem industriellen Pasteurisierungsprozess, bei dem Milch von Tausenden verschiedener Bauern zusammengeschüttet wird. Dass unsere Bauernfamilie seit Jahrzehnten ihre eigene Milch roh trinkt, ohne dass es jemals zu gesundheitlichen Vorfällen gekommen wäre, reicht mir als Qualitätsnachweis vollkommen aus. Die heutigen Hygienestandards an Bauernhöfen haben nichts mehr mit den Zuständen Anfang des 20. Jahrhunderts zu tun, die damals Rufe nach Pasteurisieren lauter werden ließen. Damals hatten die Leute noch Kuhställe in den Städten. Einfach eine ganz andere Zeit. 

Dass Bayern nicht nur ein Paradies für Bierliebhaber, sondern auch für Milchtrinker sein kann, wäre mir nie in den Sinn gekommen, bis ich mit meiner Frau in mein Heimatdorf zurückgezogen bin. Als Kind habe ich unsere Milch in der Kanne direkt vom Bauern bei uns am Dorf geholt. Meine Mama wollte nicht, dass ich sie roh zu mir nehme. Aber ich habe es mir nie nehmen lassen, auf dem Nachhauseweg mehrere große Schlucke zu trinken, bevor die Milch schließlich zu Hause abgekocht wurde. Seit der Bauer am Ort vor vielen Jahren aus Altersgründen seinen Hof aufgegeben hat, haben wir unsere Milch beim früheren Schulfreund meines Vaters im Nachbarort an der Milchtankstelle gekauft. Noch heute kostet der Liter dort nur einen Euro. Ich habe das alles immer für selbstverständlich gehalten. Qualitativ hochwertige Milch zu akzeptablen Preisen war in meiner Kindheit und Jugend im ländlichen Oberfranken nie Mangelware, man konnte oft zwischen mehreren Bauern im selben Ort wählen. Erst durch Erzählungen meiner Frau ist mir bewusst geworden, wie gesegnet wir da waren und bis heute sind. In den Vereinigten Staaten etwa müssen viele Menschen, je nach Wohnort, mehrere Stunden mit dem Auto fahren, um einen Landwirt zu finden, der ihnen Rohmilch verkauft. In vielen Bundesstaaten, darunter gerade auch Agrarstaaten wie Colorado, Wyoming oder Indiana, ist der Verkauf von Rohmilch generell verboten. Ich finde es doch irgendwo erheiternd, dass man in Colorado legal und völlig problemlos Cannabis erwerben kann, aber der Milchbauer mit einem Bein im Gefängnis steht, wenn er einem ein tierisches Naturprodukt verkaufen will, das Menschen bereits seit Jahrtausenden konsumieren. Allerdings gibt es auch Grund zum Optimismus, denn der Trend in Amerika geht generell schon eher in Richtung Liberalisierung. Zuletzt hat Amerikas Farmstaat Nummer eins, Iowa, den Verkauf von Rohmilch freigegeben. 

In Kansas, dem Heimatstaat meiner Frau, ist die Regelung zwar ähnlich wie in Deutschland, wo Rohmilch am Bauernhof, aber nicht in Läden verkauft werden darf, doch die Verfügbarkeit ist massiv eingeschränkt und die Milch oft extrem teuer. Bis zu 15 Dollar zahlt man, je nach Wohnort in den Staaten, mittlerweile für die Gallone Rohmilch (rund 3,8 Liter).

Maßgeblich für diese künstliche Verknappung ist auch eine massive politische Kampagne der Agrarlobby („Big Ag“) im Verbund mit der FDA (Food and Drug Administration), mit der immer wieder auf angebliche Sicherheitsrisiken nicht pasteurisierter Milch hingewiesen werden soll. Unter anderem darf Milch deswegen nicht über Bundesstaatsgrenzen hinweg verkauft werden, selbst dann nicht, wenn dabei nur Staaten involviert sind, in denen der Verkauf von Rohmilch legal ist. Einfach nur, weil die FDA das so will. Seit 1986 ist diese Regelung in Kraft. Wie ist das verfassungsrechtlich eigentlich möglich, wenn doch die Interstate Commerce Clause von 1887 die Kontrolle über den Handel zwischen Bundesstaaten ausdrücklich dem Kongress und nicht einer Bundesbehörde ohne jedes Mandat zugewiesen hat?

Das möchte der libertäre Kongressabgeordnete Thomas Massie, der im Nebenberuf Landwirt ist, seit Jahren korrigieren. Sein nun wieder neu eingebrachter Gesetzesentwurf, der „Interstate Milk Freedom Act“, hat zum Ziel, Bundesbehörden zu untersagen, „den Handel zwischen friedlichen Farmern und ihren Kunden zu unterbinden“. Massie verweist in dem Zusammenhang darauf, dass es die Aufgabe des Kongresses sei, hier entsprechende Regelungen zu treffen. Warum der friedliche Handel zwischen zwei privaten Parteien überhaupt staatlich geregelt werden muss, ist freilich noch mal eine andere Frage. Massie berichtet auf X übrigens auch über seine eigene Erfahrung mit Rohmilch. Im Laden gekaufte pasteurisierte Milch verursache bei ihm Magenbeschwerden, so Massie. Seine Empfehlung an laktoseintolerante Menschen: Trinkt Rohmilch!

Wie so oft ist der Sicherheitsaspekt auch beim politischen Krieg um die Milch bloß vorgeschoben. Knallharte Lobbyinteressen verhindern eine bessere Verfügbarkeit zu bezahlbaren Preisen – sonst nichts. Die neueste Sau, die die FDA in ihrem Kampf gegen die Rohmilch durchs Dorf treibt, hat nichts mit Schweinen, dafür mit Vögeln zu tun. Wegen der Vogelgrippe sei der Genuss von Rohmilch jetzt noch unsicherer als zuvor. Und das will aus FDA-Sicht etwas heißen, hatte man doch schon bei früheren Verlautbarungen der Behörde manchmal den Eindruck, wer Rohmilch trinke, könne genauso gut gleich auf eine Zyankali-Kapsel beißen. „Sicher“ sei nur die „kommerzielle Versorgung“ mit pasteurisierter Milch, so die FDA. Manchmal hat man fast den Eindruck, solche FDA-Kommuniqués stammten direkt aus der Presseabteilung eines Agrargroßkonzerns. Es ist für mich kein Zufall, dass mit der FDA und dem CDC (Center for Disease Control) die größten Warner vor der Rohmilch auch die Behörden sind, die am aggressivsten Masken-Terror und Covid-Impfung gepusht haben – Empfehlungen von Regierungsbehörden, die kranke statt gesunder Menschen wollen. Dass überhaupt noch irgendein Amerikaner irgendetwas auf FDA- oder CDC-Warnungen gibt, ist mir ohnehin unerklärlich.

In Bayern leben wir in Sachen Milch auch im europäischen Vergleich auf einer Insel der Seligen. Auch in Ungarn, Kroatien und Albanien haben wir regelmäßig Rohmilch getrunken, wenn auch die Verfügbarkeit deutlich eingeschränkter war, als ich es aus Bayern kannte. Meine Frau trank sie sogar während ihrer Schwangerschaft und es hat Mutter und Kind nicht geschadet – im Gegenteil. Preislich ist der eine Euro, den unser Bauer hier in Oberfranken nach wie vor verlangt, konkurrenzlos – selbst im Vergleich zu Albanien. Der niedrige Milchpreis am Bauernhof führt sogar dazu, dass selbst behandelte Milch im Supermarkt oft teurer ist als die „Milch ab Hof“: ein weiterer Grund, meinen Bauern, der 365 Tage im Jahr um sechs Uhr morgens seine Milchtankstelle öffnet und sie erst abends um 21 Uhr wieder schließt, zu unterstützen. Denn nichts gefährdet die preiswerte dezentrale Versorgung mit gesunder Rohmilch mehr als das Höfesterben. Die Milchsituation in Amerika sollte uns eine Warnung sein! Mein Bauer garantiert mir Qualität und haftet dafür mit seinem guten Ruf am Ort und am Ende daher auch mit seinem Betrieb (was mir in Sachen Produktsicherheit ein wesentlich besseres Gefühl gibt als irgendwelche staatlichen Regeln, die angeblich mein Essen und Trinken schützen sollen). Am Ende handelt es sich natürlich wie bei allem um eine sehr persönliche Konsumentenscheidung. Wem Rohmilch zu gefährlich ist, der soll sie halt einfach nicht trinken. 


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