Hopfen und Malz, Gott erhalt’s: Brautag bei den Brückners
Bier selbst herstellen
Meine oberfränkische Heimat ist die Region mit der größten Brauereidichte der Welt. Auf die Spitze treibt es dabei die Gemeinde Aufseß im Landkreis Bayreuth, in der vier Brauereien die durstigen Kehlen von 1.300 Einwohnern benetzen. Eine Brauerei versorgt zwischen Frankenwald und Forchheim durchschnittlich 5.500 Menschen, während deutschlandweit 1,8 Brauereien auf 100.000 Einwohner kommen. Die meisten der oberfränkischen Kleinbrauereien haben meine Eltern und ich im Laufe der Jahre besucht und das dortige Bier getestet.
Lohne es sich denn in einer Region wie Franken überhaupt, selber Bier zu brauen, wurde ich in Berlin manchmal gefragt, wenn ich übers Hobbybrauen daheim erzählt habe. Finanziell lohnt es sich bei den kleinen Mengen, die wir in unserer 20-Liter-Brauanlage auf unserer Terrasse brauen, sicher nicht. Wobei es sich durch den gestiegenen Bierpreis und trotz der natürlich gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise heute sicher mehr als noch vor fünf Jahren lohnt, sein Bier selber zu brauen.
Doch darum, Geld zu sparen, geht es beim Hobbybrauen sowieso nicht. Brautage sind für mich Feiertage. Ich genieße alles daran, vom Aufbauen der Anlage, dem Schroten des Malzes in unserer Schrotmühle übers Einmaischen, den Malzrasten und dem Hopfenkochen bis hin zum Herunterkühlen des Sudes und dem Saubermachen der Braugeräte. Ein paar Tage später steht dann noch das Schlauchen an, wenn wir dem Jungbier die „Speise“ zugeben, was für die Karbonisierung (Bildung von CO2) sorgt. Alternativ könnte man dem Jungbier dafür auch Zucker zusetzen, aber das täte der fränkischen Bierseele schon ein wenig weh. Mich hat schon immer am Bier fasziniert, wie ein so facettenreiches Getränk mit so unterschiedlichen Sorten nur aus vier Zutaten entstehen kann. Ich bin kein Anhänger des Reinheitsgebotes, ich denke nicht, dass gute Produkte staatlichen Schutz benötigen.
Doch dass das Reinheitsgebot die Biervielfalt einenge, stimmt eben auch nicht. Eng ist es dagegen in manchen Köpfen. Dass von den vielen handwerklich so begnadeten fränkischen Brauern sich so wenige an Bierstilen versuchen, die hier in der Region keine Tradition haben, ist schon ein wenig enttäuschend. Versuchen Sie mal, in einem fränkischen Getränkemarkt ein gutes Pale Ale zu einem angemessenen Preis zu finden! Dabei muss man doch das Bewährte nicht verwerfen, um auch mal was Neues auszuprobieren! Wenn es sich nicht verkauft, muss man es ja nicht wiederholen. Auf einem unserer Brauereiausflüge vor einigen Jahren erwiderte einmal ein Wirt meine Frage nach einem hausgebrauten Weizen mit der flapsigen Bemerkung, dass Weizen ein „unfränkisches“ Bier sei, das nach Altbayern gehöre. Da stehen sich manche halt auch ein bisschen selbst im Weg.
Nicht ganz zufällig gehören Weizen und Pale Ale dann auch zu den Sorten, die mein Vater und ich am häufigsten brauen. Weizen sicher auch deswegen, weil es das mit Abstand am einfachsten zu brauende Bier ist. Bei keinem anderen Bier werden Sie selbst als Anfänger so gute Ergebnisse erzielen wie beim Weizen. Umso mehr überrascht mich dann, wie viele Brauereien hier in Franken ein eher mittelmäßiges Weizen brauen; von Brauereien außerhalb Bayerns einmal ganz zu schweigen. Mein Lieblingsweizen ist jedenfalls mit Abstand unser Selbstgebrautes!
Traditionell wird bei den Brückners in der Osterwoche gebraut. Dieses Jahr haben wir uns für ein India Pale Ale entschieden, das wir zum ersten Mal fast ausschließlich mit amerikanischem Hopfen (Cascade und Centennial) gebraut haben. Geboren ist die Entscheidung für ein Ale dabei auch ein wenig aus der Not. Ich hätte gerne mal wieder ein Pilsener gebraut. Oder einen Maibock. Doch uns fehlen schlicht momentan die Kühlkapazitäten für untergärige Biere, bei denen die Gärung so bei rund zehn Grad Celsius anspringt, während man das Gärfass, voll mit frischgebrautem Weizen oder Pale Ale, einfach ins Wohnzimmer stellen und beim Fernsehschauen darauf warten kann, dass bei Zimmertemperatur die Gärung beginnt.
Und auch die Reifung ist, vor allem beim Weizen, wesentlich kürzer als bei Pils oder gar Bock. Wenn ich am Ende des bei uns rund acht Stunden dauernden Brautages, nachdem das Bier von 100 Grad bei Brauende auf etwa 20 Grad heruntergekühlt worden ist, die Hefe zugebe und das Gärfaß einmal kräftig schüttele, ist da auch diese tiefe Befriedigung, ein ziemlich komplexes Lebensmittel mit den eigenen Händen hergestellt zu haben. Als mir mein Vater vor vielen, vielen Jahren das Bierbrauen beibrachte, legte er großen Wert darauf, dass ich zuerst völlig händisch das Brauen lerne, also mit Kochtopf und Thermometer in der Hand, um bei den jeweiligen Raststufen die Temperatur zu kontrollieren, sowie einem großen Kochlöffel, mit dem ich so viel rühren musste, dass ich am nächsten Tag Muskelkater hatte. Heute machen wir uns mit unserer Speidel-Brauanlage einen vergleichsweise lauen Lenz, spielen während des Brauens Karten und trinken das ein oder andere Seidla.
Durch mein zumindest rudimentäres Verständnis eines Brauvorgangs habe ich auch einen enormen Respekt für manche Brauer hier bei uns in der Region bekommen, die immer noch mit relativ wenig technischer Hilfe brauen. Ein Brauer im Landkreis Bayreuth etwa beheizt seinen Sudkessel ausschließlich mit Holz. Auf unsere verdutzte Frage, wie er denn so bitte eine konstante Temperatur halten könne, meinte er nur lapidar: „Wenn’s zu warm wird, nehm ich halt a Scheitla raus.“ Hut ab.
Ob man das Brauen besser vorschriftsmäßig beim Hauptzollamt anmelden soll oder nicht, wird unter Hobbybrauern kontrovers diskutiert. Für einige scheint es das Normalste von der Welt zu sein, zusammen mit der Bestellung von Malz, Hopfen und Hefe auch noch eine Zollanmeldung mit auszufüllen. Bei manchen hat man den Eindruck, sie würden am liebsten noch ihren nächsten Stuhlgang bei der Regierung anmelden. 200 Liter pro Jahr sind sowieso steuerfrei. Mit unserer 20-Liter-Anlage, aus der wir am Ende vielleicht mit Glück 15 Liter Bier rausbringen, könnten wir einmal pro Monat Bier brauen, ohne über diese Grenze zu kommen. Und wer etwas mehr brauen will, muss das ja nicht an die große Glocke hängen.
Hobbybrauen in Franken ist auch deswegen ein so tolles Hobby, weil man damit fast in jeder Brauerei entweder mit Gästen oder sogar dem Wirt oder Brauer ins Gespräch kommen kann. Und durch die hohe Brauereidichte braucht man hier auch keine Sorge zu haben, vor dem Brauen ohne Hefe dazustehen. Gerade die kleinen Brauereien sehen in Hobbybrauern keine Konkurrenz und geben auch gerne mal von ihrer Hefe ab, ganz umsonst. Zumindest für all jene Traditionalisten, die sich nicht so richtig mit dem Gedanken anfreunden können, Trockenhefe zu benutzen, mit der zumindest wir als Amateure die besten und zuverlässigsten Ergebnisse erzielt haben. Wer mehr über das Thema Hefe oder allgemein über Bier und Brauen wissen will, dem empfehle ich an dieser Stelle gerne die regelmäßige Bierkolumne von Helge Pahl in eigentümlich frei, die ich jeden Monat mit Begeisterung lese und dabei auch schon das ein oder andere dazugelernt habe.
Irgendwann zwischen Ostern und Pfingsten ist unser Bier dann trinkfertig. Zum ersten Schluck backt meine Mama dann auch immer ein Roggenbrot mit viel Treber, von dem wir gleich nach dem Brauen etwas zur Seite gelegt und eingefroren haben, bevor die übrigen Malz- und Hopfenreste auf dem Kompost landen. Hätten wir Tiere, würden sich diese begeistert über die Brauabfälle hermachen. Ganz so überraschend kommt das Endergebnis nicht. In der Regel bekommt man bereits bei der Jungbierprobe nach ein paar Tagen eine Idee, in welche Richtung es mit dem selbstgebrauten Bier geht und ob das Resultat den nicht geringen Aufwand lohnt.
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