01. Juni 2024 22:00

Libertarian Party Convention Lachnummer mit libertärem Lichtblick

Prinzipien sind wichtiger als zu gewinnen

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: Gage Skidmon (CC BY-SA 2.0 Deed) / Wikimedia Chase Oliver: Wurde Ende Mai als Präsidentschaftskandidat der Libertarian Party nominiert

Alle vier Jahre nominieren nicht nur Demokraten und Republikaner ihre jeweiligen Präsidentschaftskandidaten, sondern auch zahlreiche Kleinparteien, darunter die Constitution Party, die amerikanischen Grünen oder auch die Libertarian Party. Selten bekommen die Nominierungsversammlungen dieser Kleinparteien Medienaufmerksamkeit. Das wollte die Führung der Libertarian Party um Angela McArdle in diesem Jahr ändern und lud zu ihrer Convention vergangenes Wochenende in Washington, D. C., auch Joe Biden, Robert F. Kennedy Jr. und Donald Trump ein. Biden kam wie erwartet nicht, doch Kennedy und Trump gaben sich die Ehre. Kennedy, der natürlich in vielerlei Hinsicht das Gegenteil eines Libertären ist, war dabei durchaus bemüht, sein Publikum abzuholen und gab sich in seiner mit höflichem Applaus bedachten Rede auch als Verteidiger des Zweiten Verfassungszusatzes zu erkennen. Kennedy trat dann auch tatsächlich in der ersten Runde an und bewarb sich um die Nominierung, erhielt aber nur rund zwei Prozent.

Ganz anders Trump. Die Abneigung zwischen ihm und der Mehrheit der Convention-Teilnehmer war ganz offensichtlich wechselseitig. Trumps Rede wurde wiederholt mit Buhrufen quittiert, und das, obwohl er versprach, einen libertären Minister in sein Kabinett zu ernennen und Ross Ulbricht zu begnadigen, der 2015 in einem fragwürdigen Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, weil er die Darknet-Plattform „Silk Road“ betrieben hatte, auf der vor allem illegale Drogen verkauft wurden. Seine Begnadigung ist mehr als überfällig! Meiner Meinung nach hätte er nie verurteilt werden dürfen. Hätte Trump ihn begnadigen wollen, hätte er das allerdings bereits 2020 vor seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus tun können. Doch er begnadigte ja noch nicht mal seine Unterstützer vom 6. Januar. Er sagt viel, wenn der Tag lang ist. 

„Wenn ihr gewinnen wollt, solltet ihr mich nominieren“, provozierte Trump die Menge, „ansonsten werdet ihr wieder bei drei Prozent enden.“ Trump sagte dies freilich im Bewusstsein, dass die Regeln der Republikanischen Partei verhindern, dass er noch die Nominierung einer zweiten Partei annimmt. Hätte er sich zur Wahl gestellt, der „Orange Fuhrer“, wie ihn der anarchistische Freidenker Larken Rose gerne nennt, wäre er krachend gescheitert. Für Trump vermutlich unvorstellbar, dass es Menschen gibt, die lieber zu ihren Prinzipien stehen und verlieren, als sich opportunistisch zu verbiegen, um Macht zu erlangen.

Für die Führung der Libertarian Party endete die Einladung Trumps im Desaster. Kaum war Trump weg, gingen auch die meisten Medienvertreter. Und verpassten so die Kür des Kandidaten, Chase Oliver, der sich im siebten Wahlgang die Nominierung sicherte. Zwei Jahre nach dem „Reno Reset“ und der Übernahme der Partei war das eine krachende Niederlage für den Mises Caucus. Daran änderte auch die Wiederwahl McArdles nichts. Der libertäre Publizist Tom Woods, der dem Mises Caucus nahesteht, nahm dann auch kein Blatt vor den Mund. Chase Oliver sei das beste Geschenk, das die Libertäre Partei Trump habe machen können, so Woods. Unter anderem zitierte er frühere Äußerungen Olivers, in denen dieser Sympathien für das Tragen von Masken während Covid deutlich machte und sich auch zur Covid-Impfung bekannte wie auch dazu, diese ohne große Tests so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen. Allerdings muss man dann schon auch so fair sein zu erwähnen, dass Oliver fast jeden dieser ziemlich mainstreamig daherkommenden Tweets mit dem Satz beendete, er sei gegen staatliche Regelungen und auch in Sachen Impfung für körperliche Selbstbestimmung. Ob in einem Geschäft eine Maske getragen werden müsse, sei ausschließlich die Angelegenheit des Besitzers. Das klingt jetzt gar nicht mal so unlibertär. 

Zum ersten Mal betrat Oliver die nationale Bühne vor zwei Jahren, als er für die Libertäre Partei als Senatsbewerber in Georgia kandidierte. Konservative werfen ihm bis heute vor, durch sein Antreten eine Stichwahl nötig gemacht zu haben, die der demokratische Kandidat Raphael Warnock gewann, wodurch er seiner Partei die Mehrheit in der Kammer sicherte. Ich glaube, dass solche Vorwürfe auf einem Missverständnis beruhen, das die Führung der Libertären Partei vergangenes Wochenende mit der Einladung Trumps noch einmal kräftig befeuerte. Und dieses Missverständnis lautet, dass Libertäre wesentlich größere Schnittmengen mit Konservativen als mit Linken hätten. Das mag für den Mises Caucus und dessen Libertarismus-Interpretation zutreffen, der seit dem Reno Reset versucht, der Partei einen deutlich konservativeren Anstrich zu geben, und sich dabei auch sehr einwanderungs- und abtreibungskritisch positioniert. 

Doch der Kandidat des Mises Caucus, Michael Rectenwald, scheiterte, nachdem er die ersten fünf Wahlgänge gewonnen hatte, dabei aber keine Mehrheit auf sich vereinen konnte. Und das lag vor allem an Trump. Denn während Chase Oliver den Delegierten im Anschluss an Trumps Rede erklärte, worin sich Libertarismus und MAGA-Nationalismus unterscheiden, signalisierte Rectenwald, er wolle sich nicht an einem Trump-Bashing beteiligen. Schon ein bisschen armselig, wenn man als Libertärer keine Argumente gegen Trump finden kann. Doch vielleicht war er zu einer eloquenten Antwort zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht mehr in der Lage. Denn wie Rectenwald später einer Reporterin verriet, war er da bereits high. Jemand habe ihm auf der Convention Edibles gegeben, die er auch gegessen habe. Wie wenig ernst Rectenwald den ganzen Prozess dabei nimmt, hat schon auch was Erfrischendes. Und sind wir mal ehrlich: Am Ende ist es eine Randnotiz auf Wikipedia, welcher libertäre Kandidat diesmal ein Prozent bekommen wird. An das Resultat von 2016 mit 3,3 Prozent ist in diesem Jahr nicht einmal zu denken. In großen Flächenstaaten wie New York hat man es nicht mal auf den Wahlzettel geschafft.

Das Problem der Libertären Partei: Ein Flügel biedert sich dem Mainstream an, während der andere Gleiches bei republikanischen Wählern versucht. Prinzipien werden dabei oft über Bord geworfen. So ist halt Politik! Wer sich an dem Spiel um Macht beteiligen will, verliert schnell seine Seele. Gary Johnson, der 2012 und 2016 Präsidentschaftskandidat der Partei war, verteidigte 2016 Antidiskriminierungstatuten und zeigte sich mit Blick auf einen Fall aus Colorado damit einverstanden, dass eine christliche Bäckerei durch den Staat dazu gezwungen werden kann, eine Torte für ein homosexuelles Hochzeitspaar zu backen. Für einen allgemeinen Impfzwang zeigte er sich offen und sagte dabei solch gruselige Sätze wie: „Die Regierung hat eine Pflicht, den Menschen zu helfen, ihre Kinder und ihre Communitys zu schützen.“

Rectenwald hingegen ist in Sachen Einwanderung Proponent eines starken Staates. Angelehnt an Hans-Hermann Hoppe, der in diesem Lager fast schon Heiligenstatus genießt, postuliert er ein auf privaten Einladungen basierendes Einwanderungssystem, das er freilich vom Staat kontrolliert und überwacht sehen möchte. Für legale Einwanderung sei er, so Rectenwald. Was bedeutet, dass in Rectenwalds Welt am Ende weiterhin dem Staat die Aufgabe zugebilligt wird, völlig friedliche Menschen gewaltsam außer Landes zu schaffen, sie im Zweifel von ihrer Familie zu trennen, nur weil sie über keine Einladung in die USA verfügen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich einst auch versucht habe, eine solche Sichtweise in mein Freiheitsverständnis zu inkorporieren.

Ein Bekenntnis zu „legaler Einwanderung“ ist nichts anderes als das Eingeständnis, mit den Mitteln des Staates Herrschaft über andere Menschen ausüben zu wollen. Nämlich über solche, die diesen Status nicht haben und sich nach dem Verständnis Rectenwalds „illegal“ im Land aufhalten. Spätestens da wird der Begriff Libertäre Partei lächerlich. Niemand, der über andere herrschen und dabei, wie Johnson oder Rectenwald, auch Zwang zur Durchsetzung der eigenen Ziele anwenden will, kann für sich in Anspruch nehmen, libertär zu sein. Im Kontrast dazu wirkt der geläuterte Ex-Linke Oliver fast schon wie ein prinzipienfester Lichtblick, zumal er nie in die Verlegenheit kommen wird, zwischen seinen Prinzipien und den etatistischen Zwängen, die das Amt des Präsidenten mit sich bringt, entscheiden zu müssen. In einem Punkt bin ich allerdings ganz bei Tom Woods: Jemand, der wie Oliver wirklich jede „Experten“-Narretei zu Covid geschluckt hat, besitzt am Ende nicht die intellektuellen Voraussetzungen für den Job. Aber welchen Unterschied macht das im konkreten Fall schon? Ist ja nicht so, dass der Amtsinhaber da die Messlatte gerade besonders hochlegt.

Viel grundsätzlicher stelle ich mir bei den Aktivisten der Libertären Partei immer wieder die Frage, wofür man da eigentlich so viel seiner Freizeit opfert. Um einen Staat, den man hasst und den man zu Recht für hochgefährlich hält, besser, schlanker und effizienter zu machen und ihn auf dieselben Kernbereiche zurückstutzt, von denen er unweigerlich wieder auswuchern wird? In Amerika wird der Begriff „Libertarianism“ von den meisten Menschen nach wie vor mit der Libertären Partei verknüpft. Viele Libertäre in den USA nennen sich daher selbst „small-l-Libertarians“, womit sie sich nicht nur von der Partei mit dem großen „L“ abgrenzen wollen, sondern oft auch von der Politik insgesamt. 


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