Pressefreiheit: „Compact“-Magazin verboten
Wenn „die Demokratie“ dreimal klingelt …
von Sascha Koll
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Am 16. Juli 2024 um sechs Uhr morgens läutete es an Jürgen Elsässers Tür: „Guten Morgen Herr Elsässer, die Demokratie ist da, um Ihnen alles wegzunehmen und Sie mundtot zu machen.“ Ob dies der genaue Wortlaut der Räuberbande war, die den Gründer und Chefredakteur des „Compact“-Magazins in den frühen Morgenstunden überfiel, darüber lässt sich nur spekulieren. Worüber sich nicht spekulieren lässt, ist, dass es in Deutschland weder Meinungs- noch Pressefreiheit gibt – bewiesenermaßen seit diesem Tag.
Das „Compact“-Magazin ist mir vor allem durch Elsässers Youtube-Auftritt bekannt: reißerische Überschriften auf „Bild“-Niveau, hochnotpeinliche Gäste wie André Poggenburg und wirtschaftliche Kompetenz direkt aus dem kommunistischen Manifest. Nein, mir gefallen die Inhalte von „Compact“ überhaupt nicht. Eine Ausgabe habe ich mir dennoch mal im örtlichen Kiosk gekauft, da ich einen Artikel von Oliver Janich lesen wollte. Für das Print-Magazin schrieben Linke, Rechte und Libertäre – wie man es sich eigentlich von einem ordentlichen Meinungsmagazin wünscht. Das hat den Bundesverfassungsschutz jedoch nicht davon abgehalten, „Compact“ seit Dezember 2021 als „gesichert rechtsextremistisch“ zu führen. Vermutlich ist es kein Zufall, dass diese Einstufung genau während der Corona-Maßnahmenpandemie, erst nach elfjährigem Bestehen, getroffen wurde. Immerhin berichtete „Compact“ regierungskritisch.
Doch die Brandmarkung als „das pure Böse“ durch den Verfassungsschutz reichte Bundesinnenministerin Nancy Faeser nicht aus. Sie gab am Morgen des 16. Juli bekannt: „Ich habe heute das rechtsextremistische ‚Compact‘-Magazin verboten. ‚Compact‘ ist das zentrale Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene. Es verfolgt eine klare Agenda: Rechtsextremisten zu vernetzen und antisemitische Verschwörungsideologien zu verbreiten. Das selbsterklärte Ziel ist die Zerstörung unserer freiheitlichen Gesellschaft. Dieses Magazin hetzt und agitiert auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie. Und deswegen ist unser Verbot ein weiterer harter Schlag gegen den Rechtsextremismus. Unser Rechtsstaat schützt all diejenigen, die wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder auch wegen ihrer demokratischen Haltung angefeindet werden. Wir lassen nicht zu, dass ethnisch definiert wird, wer zu Deutschland gehört und wer nicht. Ich danke den Sicherheitsbehörden im Bund und den beteiligten Ländern für diese konsequente Maßnahme im Kampf gegen Rechtsextremismus.“
Wer sich fragte, was Faeser im März dieses Jahres mit folgendem Satz meinte, bekam nun seine Antwort: „Wir wollen dem Umstand Rechnung tragen, dass Hass im Netz auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze vorkommt.“ Es sollte selbstverständlich sein, dass die Gedanken wenigstens „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ frei seien, doch dem ist nicht mehr so. Das „Compact“-Magazin ist nach meinem aktuellen Kenntnisstand niemals wegen strafbarer Handlungen verurteilt worden, nicht einmal wegen Volksverhetzung – mit der Richter wie Bonbons an Karneval um sich werfen. Elsässer war sich bewusst, was legal und was illegal ist und eckte demnach nie am „Rechtsstaat“ an. Genau für solche Fälle wurde die „Demokratieförderung“ erfunden: um die Meinungs- und Pressefreiheit faktisch abzuschaffen.
Als Rechtsgrundlage für das Verbot von „Compact“ soll aber nicht das „Demokratiefördergesetz“ herhalten, sondern das Vereinsrecht, das es erlaubt, gegen Vereine vorzugehen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten. Ich finde das amüsant, da das Magazin nicht durch einen Verein, sondern durch eine GmbH produziert und vertrieben wurde und ich Jürgen Elsässer, nach den Videos, die ich von ihm gesehen habe, mit dem Begriff „Grundgesetz-Ultra“ bezeichnen würde. Ich kenne keine andere Sendung, in der Recht und Gesetz so häufig zitiert werden wie in denen, die ich gesehen habe.
Ob das Vereinsrecht für ein Verbot eines Presseerzeugnisses herangezogen werden kann, darüber werden sich in den kommenden Wochen und Monaten wohl Staatsanwälte und Anwälte streiten. Nach meinem Verständnis sollte dieses Verbot vor Gerichten krachend scheitern. Im Urteil vom 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/51heißt es: „1. Die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat; in den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes verkörpert sich aber auch eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt.“ Weiter heißt es in Punkt sechs: „Das Grundrecht des Artikels 5 GG schützt nicht nur das Äußern einer Meinung als solches, sondern auch das geistige Wirken durch die Meinungsäußerung.“ Damit sollte klar sein, dass es nicht nur die Freiheit gibt, eine Meinung zu haben –wie immer wieder behauptet wird –, sondern sie auch auszusprechen.
Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel sieht das ähnlich und kommentierte auf „X“: „Ob das von der in Verfassungsfragen nicht immer sattelfesten Innenministerin Faeser heute verkündete Verbot des höchst unappetitlichen Magazins ‚Compact‘ Bestand haben wird, könnte fraglich sein. Hier ein Zitat des Bundesverfassungsgerichts: ‚Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer ‚Vergiftung des geistigen Klimas‘ ist ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte.“ Somit sollten alle Äußerungen, die bisher nachweislich nicht strafbar waren, sich jedoch gegen den Staat richteten, durch die Verfassung geschützt sein.
Auch Wolfgang Kubicki von der FDP meldete auf „Facebook“ Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verbots an: „Das Vereinsrecht kann nicht als Hilfskonstruktion zum Verbot von Medien dienen. Der Satz von Nancy Faeser, ‚Ich habe heute das rechtsextremistische ‚Compact‘-Magazin verboten‘, ist daher problematisch. Denn das Vereinsrecht ermöglicht das Verbot von Vereinigungen und nicht von Medien. Die Äußerung der Innenministerin könnte den Verdacht aufkommen lassen, dass das Verbot der hinter ‚Compact‘ stehenden GmbH vorgeschoben ist. Das Ziel scheint hier ausdrücklich das Magazin und nicht die Gesellschaft.“
Wie die Gerichte entscheiden werden, liegt in den Sternen. Ich könnte mir aufgrund meiner Beobachtungen der letzten Jahre durchaus vorstellen, dass sie sich auf Faesers Seite schlagen und das Verbot für rechtskonform erklären. Dann wäre „Schicht im Schacht“ – Feierabend für regierungskritische Berichterstattung, da mit dem fadenscheinigen Argument, es handele sich um ein Medium, das gegen die freiheitliche Grundordnung stehe, jedes kritische Medienoutlet aus der Presselandschaft entfernt werden könnte. Willkommen im Faschismus.
Unter dem Begriff „Rechtsstaat“ verstehe ich eigentlich, dass erst ein Gericht entscheidet und dann das Urteil vollstreckt wird. Am 16. Juli geschah es anders: Elsässer wurde vom „Linksstaat“ seiner gesamten Geschäftsgrundlage beraubt, und im besten Fall bekommt er alles nach einem Urteil eines Gerichtes wieder. Sollte einem Eilantrag nicht stattgegeben werden, kann sich das jedoch über Monate oder Jahre hinausziehen. Alleine das reicht meiner Meinung nach schon aus, um von einem „Unrechtsstaat“ zu sprechen.
Auch wenn ich die Meinung von Jürgen Elsässer nicht teile und in großen Teilen für sehr bedenklich halte, spreche ich mich für eine zügige Klärung in seinem Sinne aus. Niemand sollte nach meinem Verständnis für eine Meinungsäußerung bestraft werden – und schon gar nicht, bevor er sich vor einem Gericht verteidigen durfte. Ein Verbot von oppositionellen Medien hat mit dem, was wohl die meisten unter dem Begriff „Demokratie“ verstehen, nicht viel zu tun. Wer jedoch „Demokratie“ synonym zu „Sozialismus“ verwendet, der wird sich in den Fußstapfen Hitlers, Maos und Stalins sicher wohlfühlen.
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