19. Juli 2024 18:00

Pressefreiheit Solidarität ist das Gebot der Stunde

Bevor es demnächst auch andere (Medien) trifft …

von Thomas Jahn

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Bildquelle: Willy Pragher / Wikimedia „Spiegel“-Affäre 1962: Führte zu großen deutschlandweiten Solidaritätskundgebungen und letztlich zum Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß – und heute?

Als 1962 ein Ermittlungsverfahren gegen Redakteure des „Spiegels“ und gegen seinen Herausgeber Rudolf Augstein eingeleitet, Redaktionsräume durchsucht und Druckfahnen beschlagnahmt wurden, gingen diese Ereignisse nicht nur unter dem Begriff „Spiegel“-Affäre als bis dahin größte innenpolitische Krise in die Geschichte der Bundesrepublik ein. Anders als 2024 verurteilte die damalige bundesdeutsche Medien-Öffentlichkeit das Handeln der damaligen Regierung einmütig. Auch Gegner des „Spiegels“ warnten vor einem Anschlag auf die Pressefreiheit und leisteten aktiven Beistand. Anders als das „Compact“-Magazin konnte der „Spiegel“ dank der Hilfe zahlreicher Konkurrenz-Zeitungen, nicht zuletzt auch dank der logistischen Hilfe des Springer-Konzerns weiter erscheinen. Solidarität war das Gebot der Stunde. Solidarität erhielt der schon damals als links geltende „Spiegel“ seinerzeit auch von als rechts geltenden Blättern. Zur Verteidigung der Pressefreiheit fanden sich damals nicht nur Journalisten, sondern auch zahlreiche Juristen, die damalige Opposition und selbst die Bundesminister der FDP.

Und heute? Als Nancy Faeser im Morgengrauen des 15. Juli 2024 zu einem historisch einmaligen Schlag gegen das mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren monatlich erscheinende Politmagazin „Compact“ ausholte, waren regierungstreue Mainstreammedien schon vorab informiert worden, wie zum Beispiel das ARD-Magazin „Kontraste“, das mit einem Kamerateam natürlich rein zufällig vor Ort war und Fotos von vermummten Polizeibeamten schossen, wie sie den „Compact“-Chefredakteur Jürgen Elsässer im Bademantel in seinem Privathaus überraschten und alles beschlagnahmten, was nicht niet- und nagelfest war. Zufällig wird die Redaktion von „Kontraste“ von Georg Heil geleitet, dem Bruder von Faesers Kollegen, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Die Haltungsgenossen der „Tagesschau“, ZDF-Frontfrau Dunja Hayali und der Großteil der Printpresse schlossen sich mit hämischen Kommentaren an, wonach es mal wieder den Richtigen getroffen habe.

Die erste Journalistenpflicht, das Handeln der Mächtigen zunächst einmal kritisch zu hinterfragen, kam niemanden in den Sinn, weder bei ARD und ZDF noch bei „Spiegel“, „FAZ“ oder der „Zeit“. Niemand wäre gezwungen gewesen, sich mit den Inhalten von „Compact“ zu identifizieren. Es wäre auch nicht darum gegangen, Elsässers Krawall-Journalismus und seine politischen Metamorphosen vom einstmals linksradikalen Aktivisten zum rechtssozialistischen Anhänger Putins gut zu finden. Es hätte genügt, wenn zumindest einige bekanntere „Qualitäts“- und Hauptstadtjournalisten ihre Posten als ehrenamtlich tätige Regierungssprecher kurzzeitig verlassen und sich mit der Frage beschäftigt hätten, was eigentlich gefährlicher für Demokratie und Rechtsstaat ist: ein kleines Monatsmagazin oder eine Innenministerin, die, mit der Rückendeckung der ganzen linken Regierungsmannschaft inklusive der ehemaligen liberalen Rechtsstaatspartei FDP, ein Presseorgan verbietet, sämtliche Konten und Vermögenswerte bis hin zu Bürogegenständen und Schreibpapier beschlagnahmen lässt und die ganze Aktion mit einer Presseerklärung krönt, die in ihrer rechtsfremden, einfältigen Sprache aus vorgestanzten linken Neusprech-Schablonen auch einem Pamphlet der Jusos oder der Grünen Jugend entsprungen sein könnte.

Und mit minimaler Recherche hätte sogar die in „ein Hayali“ gemessene kleinste geistige Einheit des ZDF entdecken können, dass sich bislang kein einziger namhafter Staats- und Verfassungsrechtler zu einer juristischen Rechtfertigung von Faesers Aktion aufraffen konnte. Alle in Sachen Grundrechte an prominenter Stelle tätigen Juristen – von Professor Rupert Scholz, dem Herausgeber des wichtigsten Kommentars zum Grundgesetz, bis hin zu Medienanwalt Joachim Steinhöfel – waren sich ausnahmsweise einig: Faesers Aktion war grob rechtswidrig. Das von ihr bemühte Vereinsrecht findet auf Presseorgane natürlich keine Anwendung, jedenfalls nicht unter völliger Außerachtlassung des besonderen Schutzanspruchs der Pressefreiheit, die im Rahmen der Prüfung von etwaigen Verbotsgründen, insbesondere der Verhältnismäßigkeit des Verbots, zu berücksichtigen gewesen wäre. Hinzu kommt, dass die Bundesebene für presserechtliche Maßnahmen überhaupt nicht zuständig ist, da Presserecht reine Ländersache ist.

Doch selbst wenn es sich bei „Compact“ nur um einen Verein gehandelt hätte, erfordert die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur einschlägigen Rechtsgrundlage für das Verbot von „Vereinigungen“ nach Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes ein aktives, aggressiv-kämpferisches Verhalten, das sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten müsste. Die bloße Veröffentlichung von krawalligen Artikeln, Schmähkritiken gegen Regierungspolitiker oder verzerrende und manipulative Darstellungen erfüllen diese Voraussetzung natürlich ebenso wenig wie ähnlich geartete Videobeiträge im Internet oder die Durchführung entsprechender Veranstaltungen. 

Als weitere Alternative hätte sich Faesers Verbot auf mögliche Straftaten stützen können, die dem „Compact“-Verlag zuzurechnen gewesen wären. Voraussetzung wäre allerdings gewesen, dass der Verlag Straftaten zumindest gebilligt oder bewusst hervorgerufen und einzelne Mitarbeiter in der Begehung von Straftaten bestärkt, die Begehung erleichtert oder unterstützt haben müsste. Gerade davon war bislang nicht einmal in den Presseverlautbarungen des Bundesinnenministeriums die Rede, nachdem Nancy Faeser kein einziges Strafverfahren gegen Redakteure oder sonstige Mitarbeiter von „Compact“ benennen konnte. 

Um diese einfachen Fakten in kürzester Zeit zu prüfen, hätte es nicht einmal eines Faktencheckers bedurft, die sich ja neuerdings zu Hunderten in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und anderen rot-grünen Vorfeldorganisationen tummeln. Ein kurzer Blick ins Gesetz und auf die Internetseite des Bundesinnenministeriums hätte genügt. Vielleicht hätte in einem weiteren Schritt sogar ein „Spiegel“- oder „SZ“-Redakteur erkannt, dass echte Bedrohungen für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte nie von völlig einflusslosen Medien und nie von angeblich noch so radikalen Individuen wie einem Jürgen Elsässer ausgingen, sondern von einer sich immer radikaler, skrupelloser und rechtsbrecherischer gebärdenden Regierungsmacht. Nach dem von Nancy Faeser hochstilisierten „Rollator-Putsch“ vom November 2022 hätte man eigentlich gewarnt sein müssen: Alle paar Monate sucht diese Regierung, neben ihrer üblichen Propaganda zur Kriminalisierung des politischen Gegners, nach neuen Sündenböcken, die zur Erziehung widerborstiger Bürger an den Pranger gestellt werden können. Das eigentliche Angriffsziel dient der Abschreckung eines politischen Spektrums, das weit über den Angegriffenen hinausreicht. Wenn in der „Compact“-Verbotsbegründung zum beispielsweise angeführt wird, dass „Compact“ gegen ein „pluralistisches Gesellschaftssystem“ agitiere und ein angeblich „völkisch-nationalistisches“ Gesellschaftskonzept propagiere, „das ethnisch Fremde aus dem Staatsvolk ausschließen“ wolle, lautet die Übersetzung für dieses Neusprech:

Wer sich gegen die rot-grüne Politik der multikulturellen Gesellschaft, der offenen Grenzen und der Express-Einbürgerung von Migranten zur Verbesserung der Wahlchancen des linken Spektrums stellt, ist ein Verfassungsfeind und wird von uns verfolgt.    

Umso wichtiger ist es daher, sich gerade jetzt mit allen politisch Verfolgten und ausgegrenzten Andersdenkenden zu solidarisieren, auch wenn man ihre Meinung ganz oder nicht in allen Punkten teilt. Freiheit ist unteilbar und in der Tat im Zweifel immer die Freiheit einer Meinung, die man selbst nicht unbedingt gut findet.    


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