„Demokratisches“ Deutschland: Wenn zwei das Gleiche tun, so ist es nicht dasselbe
(K)eine Diktatur?
von Andreas Tögel
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Man stelle sich vor, Wladimir Putin schickte sich an, Vorbereitungshandlungen zum Verbot einer mit seiner regierenden Gruppierung „Einiges Russland“ konkurrierenden Partei zu treffen. Nehmen wir an, er ließe die oppositionellen Kommunisten zum staatgefährdenden Verdachtsfall erklären, nachrichtendienstlich überwachen und verfolgen. Nicht auszudenken, was die Hauptstrommedien in Deutschland in diesem Fall aufführen würden! Es gäbe Sondersendungen in den öffentlich-rechtlichen Medien, „Spiegel“ und „Stern“ kämen mit Extraausgaben heraus und Annalena B. würde, hätte sie noch etwas zu plaudern, Russland mutmaßlich erneut den Krieg erklären.
Für die politisch korrekte Gemeinde Deutschlands läge es jedenfalls auf der Hand, dass es nur in Diktaturen möglich ist, dass eine von der Regierung kontrollierte, den Weisungen des Polizeiministeriums unterstehende Behörde es unternimmt, gegen oppositionelle Kräfte vorzugehen, deren einziges Vergehen darin besteht, nicht mit der Regierungslinie übereinzustimmen. Allenfalls in den USA, wo dank der entmenschten Umtriebe Donald Trumps die Demokratie vor unser aller Augen soeben unterzugehen droht, sind derlei Aktivitäten denkbar. Niemals aber in der EU – und schon gar nicht im lupenrein antifaschistischen, diversen, toleranten und inklusiven Deutschland des 21. Jahrhunderts.
Die deutsche Bundesregierung hält sich anno 2025 für den Gralshüter der Demokratie, die es gegen das Böse in Gestalt der AfD zu verteidigen gilt. Wenn im Namen der Rettung der Demokratie Berliner Zuschnitts, einer erfolgreichen, demokratisch gewählten Partei von einer Regierungsbehörde „gesichert rechtsextremistische Aktivität“ attestiert wird, dann ist das natürlich bedenkenswert. Allerdings wäre es schon hilfreich, zu wissen, was unter „gesichert rechtsextremistisch“ zu verstehen ist. Haben Funktionäre der AfD etwa zu Gewalttaten – sagen wir gegen ethnische oder religiöse Minderheiten – oder zu einem Putsch aufgerufen? Dem interessierten österreichischen Beobachter ist davon jedenfalls nichts bekannt. Oder reicht es gegenwärtig schon, sich als Patriot zu gebärden oder beim Anblick eine Pride-Parade nicht in Beifallskundgebungen auszubrechen?
Der dem Polizeiministerium unterstellte Verfassungsschutz hat in einem 1.100 Seiten starken Gutachten soeben den „gesicherten Rechtsradikalismus“ der AfD konstatiert. Dummerweise wird das Gutachten der Öffentlichkeit aber vorenthalten – möglicherweise, um angesichts der festgestellten Gefährlichkeit dieser Partei keine Massenpanik ausbrechen zu lassen.
Man stelle sich die Schlagzeilen der deutschen Medien vor, die es zu lesen gäbe, würde in Russland oder in den USA ein vergleichbares, die Opposition betreffendes Gutachten geheim gehalten. Der Shitstorm wäre gewaltig. Geschieht so etwas aber in Deutschland, wird der Ball auffallend flach gehalten. Keine kritischen Nachfragen, kein Hauch von Kritik an der mehr als schiefen Optik. Die deutsche Medienlandschaft ist offensichtlich vollkommen korrupt.
Dass die Verfassung dem Schutz der Bürger vor einem übergriffigen Staat dient und nicht etwa dem Schutz des Staates vor seinen Bürgern, sei in diesem Zusammenhang nur am Rande erwähnt.
Die angesichts der steigenden Zustimmungswerte für die einzig nennenswerte Oppositionspartei im Lande entstehende Panik in den Reihen der etablierten Nomenklatura muss so gewaltig sein, dass sie nicht einmal davor zurückschreckt, Mittel einzusetzen, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nichts zu tun haben.
Dem Literaten und Sowjetdissidenten Alexander Solschenizyn verdanken wir folgende Einsichten: „Typisch für ein gegen das eigene Volk gerichtetes System ist es, Kriminelle zu schonen, aber politische Gegner als Kriminelle zu behandeln.“ Ferner: „Ein marxistisches System erkennt man daran, dass es die Kriminellen verschont und die politischen Gegner kriminalisiert.“ Als persönlich Betroffener wusste der Mann, wovon er sprach. Eine „Übersetzung“ der beiden Zitate auf die gegenwärtig in Deutschland herrschenden Zustände erübrigt sich.
Gehen wir davon aus, dass das vom politischen Establishment angestrebte Ziel tatsächlich ein Verbot der AfD ist. Was wäre damit gewonnen? Würden damit die vielen Millionen von Wählern dieser Partei (die in ihrer großen Mehrheit mit Sicherheit keine „Rechtsradikalen“ sind, sondern einfach von der herrschenden Regierungspolitik die Nase voll haben) verschwinden oder zu Grünen mutieren? Eher nein. Was vielmehr zu erwarten ist, ist ein fataler Druckkochtopfeffekt. Druckkochtöpfe verfügen bekanntlich über ein Überdruckventil. Wer dieses Ventil verschließt, während der Topf auf dem Feuer steht, wird alsbald eine böse Überraschung erleben. Der Topf wird explodieren.
Der AfD kommt genau diese Überdruckventilfunktion zu. Sie verschafft den mit der Regierungslinie nicht einverstandenen Bürgern zumindest die Illusion, eine Alternative geboten zu bekommen. Wer den unzufriedenen Bürgern – durch das Verbot dieser Partei – auch diese Illusion noch nimmt, riskiert schwere Unruhen. Mit Absicht?
Sollte es so weit kommen, wird letztlich der Bundesverfassungsgerichtshof über ein Parteiverbot zu entscheiden haben. Allzu viel Vertrauen in die Ausgewogenheit des Urteils der politisch bestellten Verfassungshüter ist indes unangebracht. Deutschland geht wohl noch viel interessanteren Zeiten entgegen, als es sie derzeit schon erlebt.
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