27. Juli 2024 10:00

Ökonomie Ein ideales Geld gewinnt an Kaufkraft

Über Inflation und Deflation

von Karl-Friedrich Israel (Pausiert)

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Bildquelle: LiszewskiPhotography / Shutterstock Schutz vor Unsicherheit: Geld, das an Kaufkraft gewinnt

Einige Ökonomen argumentieren, dass die optimale Inflationsrate bei etwa zwei Prozent pro Jahr läge. Die meisten Politiker haben diesen Zielwert blindlings übernommen. Die Europäische Zentralbank hat es zu ihrem vorrangigen Ziel erklärt, „Preisstabilität“ zu gewährleisten, und damit meint sie tatsächlich eine durchschnittliche mittelfristige Inflationsrate von zwei Prozent pro Jahr. Gemessen wird die Inflation am harmonisierten Verbraucherpreisindex. Ziel ist es also, dass Verbrauchsgüter jedes Jahr im Durchschnitt um zwei Prozent teurer werden.

Es gibt keine wissenschaftlich stringente Begründung, warum es unbedingt zwei Prozent sein müssen. Aber der allgemeine Tenor scheint zu sein, dass man Deflation in jedem Falle verhindern müsse. Lieber etwas Inflation als Deflation lautet die Devise, denn Deflation könne für eine Volkswirtschaft ganz verheerende Folgen haben. Wenn die Preise im Durchschnitt sinken, werden Kaufentscheidungen hinausgeschoben. Güter werden über die Zeit günstiger und damit lohnt es sich, zu warten. Wenn Ausgaben allerdings verzögert werden, geraten Unternehmen, die auf laufende Einnahmen angewiesen sind, in Schieflage. Es könne zu einer Deflationsspirale kommen, in der zahlreiche Unternehmen bankrottgehen. Deswegen sei Preisstabilität zu bevorzugen. Und noch besser sei eine milde Inflationsrate, damit man einen Sicherheitspuffer vor der bösartigen Deflation habe.

Philipp Bagus widmet sich in seinem neuen Buch unter vielen anderen auch diesem verfehlten Argument. Bagus kritisiert darin die Geldtheorie seines spanischen Kollegen Juan Ramón Rallo, der im spanisch sprachigen Raum eine enorme Reichweite hat. Er behauptet von sich, die Geldtheorie des österreichischen Ökonomen Ludwig von Mises weiterentwickelt zu haben. Rallo argumentiert für ein bestimmtes System der Teilreserve, in dem Banken die Geldmenge über ungedeckte Kredite entsprechend der Nachfrage nach Geld ausweiten können, sodass das Preisniveau über die Zeit konstant bleibe. Bagus hält es mit seinem Doktorvater Jesús Huerta de Soto, der sagte, dass an Rallos Theorie zum einen nichts Neues sei und zum anderen nichts Österreichisches. In der Tat finden sich unter den modernen Österreichern einige der vehementesten Kritiker des Teilreservesystems, da es nach ihrem Dafürhalten das Wirtschaftssystem destabilisiere und Konjunkturzyklen auslöse.

Unabhängig von der Theorie der Konjunkturzyklen stellt Bagus aber im zweiten Teil seines Buches die Frage nach dem idealen Geld. Und genau hier präsentiert er die wichtigsten Argumente gegen die weitverbreitete These, dass Geld idealerweise eine stabile Kaufkraft haben müsse oder sogar an Kaufkraft verlieren sollte.

Zum einen verweist Bagus auf das universelle Phänomen der Zeitpräferenz. Menschen möchten ihre Ziele lieber früher als später erreichen. Dies führt dazu, dass sie Ausgaben tätigen, auch wenn sie wissen, dass Güter in der Zukunft günstiger sein werden. Der Umstand, dass das neue iPhone in zwei Jahren hundert Euro weniger kostet, steht den enormen Einnahmen von Apple nicht im Wege. Ganz im Gegenteil, es sind ja gerade die Bereiche der Volkswirtschaft, die am stärksten florieren und wachsen, in denen wir die stärksten Preissenkungen beobachten. Die Deflation ist eine Folge des Wirtschaftswachstums und kein Hemmschuh desselben. Deflation entsteht natürlicherweise in einer wachsenden Wirtschaft. Über sinkende Preise breiten sich die Vorteile des Wirtschaftswachstums innerhalb der gesamten Volkswirtschaft auf alle Bevölkerungsschichten aus.

Zum anderen verweist Bagus auf die eigentliche Ursache der Nachfrage nach Geld. Wir fragen Geld nach und belassen es nur deshalb auf Bankkonten oder in unseren Barbeständen, weil wir mit Unsicherheit konfrontiert sind. Gäbe es keine Unsicherheit, würden wir kein Geld halten, sondern es ausgeben oder gegen Zinsen verleihen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir sicher wissen, dass wir es für Einkäufe brauchen. Die Geldhaltung ist also eine Versicherung gegen Unsicherheit. Wir halten Geld und andere liquide Mittel, um schnell auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Diese wichtige Funktion von Geld wird unter sonst gleichen Bedingungen besser erfüllt, wenn das Geld an Kaufkraft gewinnt. Ein Geld, das über die Zeit an Wert gewinnt, schützt seine Halter besser vor Unsicherheit als ein Geld, dessen Kaufkraft erodiert.

Vom Standpunkt der Geldhalter scheint die Sache also klar: Ein ideales Geld gewinnt an Kaufkraft über die Zeit. Kein Mensch würde ein Geld wählen, dass an Kaufkraft verliert, wenn er auch eines halten könnte, das an Kaufkraft gewinnt.                          

Philipp Bagus (2024): Full Reserve Banking versus the Real Bills Doctrine.  


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