12. August 2024 16:00

Ausschreitungen in Großbritannien Willkommen auf dem Pulverfass

Der Staat konzentriert sich darauf, Proteste abzuwürgen, statt die Ursachen anzugehen

von Robert Grözinger

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Bildquelle: Shutterstock Staatlich unterdrückte Wende: Wann explodiert das Pulverfass in gewissen europäischen Ländern?

Die Ausschreitungen in Großbritannien sind ein gewalttätiges Symptom einer Gemengelage an Problemen, die man in ähnlicher Form in vielen anderen europäischen Ländern kennt; und die zu lösen jahrzehntelang nicht im Interesse der Herrscherkaste war. Die Taktik, die sie einsetzte, um die aktuellen Proteste abzuwürgen, erinnert stark an einen Vorgang, mit dem die Herrscher Deutschlands Anfang dieses Jahres den wachsenden Unmut im Land erfolgreich einhegten.   

Die unmittelbaren Ursachen der Ausschreitungen in mehreren Städten Großbritanniens in den vergangenen zwei Wochen sind bekannt: Aus noch unbekannten Gründen überfällt ein 17-jähriger Junge in der Stadt Southport bei Liverpool eine „Taylor Swift“-Tanzklasse kleiner Mädchen und sticht viele Teilnehmer sowie die Tanzlehrerinnen nieder. Drei Mädchen sterben. Der Täter ist ein in Cardiff geborener Sohn von Migranten aus Ruanda. Anfangs verbreitete sich das Gerücht, er sei ein Islamist. Ganz nebenbei: Es würde den Autor dieser Zeilen nicht überraschen, wenn beim Täter Drogenmissbrauch im Spiel war.  

Auch die mittelbaren Ursachen sind regelmäßigen Lesern dieser Seite bekannt: Fast ganz Europa ist inzwischen ein Pulverfass. Erstens dank der Migrationspolitik der vergangenen Jahrzehnte und zweitens wegen der Verunmöglichung einer Integration vieler Einwanderer – aufgrund eines aggressiven Relativismus, der Behörden und Polizei lähmte, wenn es darum ging, Verfehlungen von Einwanderern zu verfolgen, aus Angst, des Rassismus bezichtigt zu werden. Hinzu kommt die ebenfalls seit Jahrzehnten laufende geldpolitische Umverteilung von unten nach oben – auch Inflation genannt – sowie die massive fiskalische Umverteilung von Leistungsträgern an, höflich formuliert, Leistungsempfänger.

Das Ergebnis solcher Politik ist ein Kontinent, dessen politische Flammbarkeit inzwischen der natürlichen Flammbarkeit jener Wälder Nordamerikas und Australiens entspricht, die aus falsch verstandenem Umweltschutz nicht von Fallholz oder Zunder geräumt werden.  

In diesem Pulverfass wirkte die Nachricht von der Erdolchung kleiner Mädchen durch einen jungen Mann mit Migrationshintergrund wie ein Zündfunke. Die Fehlmeldung, er sei Islamist, war da lediglich ein Brandbeschleuniger.

Über die Ausschreitungen selbst braucht man keine Worte zu verlieren: Wer Eigentum anderer beschädigt, raubt oder stiehlt, das Leben oder die Gesundheit anderer bedroht oder gefährdet, gehört bestraft.

Nachdem Läden geplündert, eine Bibliothek abgefackelt und die Inneneinrichtung von Hotels, in denen illegal Eingewanderte untergebracht sind, zerlegt worden waren, reagierte der Staat wie gewohnt: Mit Schnelligkeit und Härte. Moment: Nicht wie gewohnt, sondern mit ungewohnter Schnelligkeit und Härte, die man etwa bei den „Black Lives Matter“-Protesten oder den sogenannten, von Männern pakistanischer Herkunft dominierten „Grooming Gangs“ von Rotherham und anderenorts vermisste. Ich korrigiere also: Mit einer Schnelligkeit und Härte, die man erwarten kann, wenn der Staat – genauer gesagt, die Gruppe, die ihn führt und fest im Griff hat – sich im Kern herausgefordert fühlt.

Ebenfalls wie gewohnt, kündigt der Staat weitere freiheitsbeschränkende Maßnahmen an: Mehr Überwachung und mehr Sprachregelung – auch Zensur genannt – im Netz. In diesem Zusammenhang ist die Rolle von X-Inhaber Elon Musk bemerkenswert. Er twitterte angesichts der Ausschreitungen, dass in Großbritannien ein „Bürgerkrieg unausweichlich“ sei. Später verhöhnte er den Premierminister, der auf X gepostet hatte, dass die „muslimische Gemeinschaft“ zu schützen sei. Musk fragte zurück: „Sollte nicht jede Gemeinschaft zu schützen sein?“ Dieses Ärgern und Aufstacheln der Regierung mögen zwar großes Kino sein. Aber Musk hat noch nicht gezeigt, dass mehr für ihn dahintersteckte als nur ein profaner Versuch, Internetverkehr auf seine Plattform zu lenken, um Werbeeinnahmen zu erhöhen.   

Beachtenswert war der – erfolgreiche – Versuch seitens des tiefen Staates, die Hoheit über das Narrativ über die Ausschreitungen in den Griff zu bekommen. Sämtliche Hauptstrommedien waren innerhalb weniger Tage gleichgeschaltet und sprachen nur noch von „rechtsextremen“ („far-right“) Ausschreitungen. Eine breite Auseinandersetzung mit den tieferen Ursachen wurde damit unterdrückt. 

Noch beachtenswerter war der Hauptstoß der Ausschreitungsbekämpfung. Denn er erinnerte stark an einen Vorgang, der in Deutschland Anfang dieses Jahres ausprobiert wurde. Und zwar aus ähnlichem Grund: Auch dort und damals ging es um die Zurückdrängung einer ernsthaften Herausforderung der den Staat fest im Griff haltenden Gruppe. Der Unterschied: Es war damals keine Gewalt im Spiel.

Aber der Reihe nach. Zunächst die Taktik in England: Dort kursierte vergangene Woche plötzlich eine Liste von Personen und Einrichtungen, die angeblich von den „Rechtsextremen“ anvisiert worden waren. Es waren NGOs, die sich um Migranten kümmern, Moscheen, Einwanderungsanwälte und so weiter. Am Mittwochabend sollten diese Ziele massiv angegriffen werden. Als das bekannt wurde, sammelten sich tausende „Gegendemonstranten“ an den verschiedenen Adressen. Viele hielten auffallend identische Plakate in den Händen, die auffallend schnell produziert worden waren. Auch die Polizei war in voller Montur überall an diesen Orten anwesend. Von den „Rechtsextremisten“ gab es, bis auf wenige, zahlenmäßig winzige Ausnahmen, keine Spur. 

Am nächsten Tag titelten die Medien mit fast identischen Bildern und dem Narrativ, dass die große Masse der „anständigen“ Briten die Gewalt der „Rechtsextremen“ verhindert hätte. Woher die ominöse Liste kam, interessiert keinen mehr. Das Ergebnis dieser Taktik, zusammen mit den schnellen und harten Prozessen: Bis auf wenige Ausnahmen wie Belfast – wo man in Sachen Ausschreitungen und Staatsgewalt mehr Erfahrungen hat und entsprechend aus anderem Holz geschnitzt ist – ist die Luft aus dem Protest gegen die Zustände im Land raus. Bis zum nächsten Mal.

Und der ähnliche Vorgang, wenngleich mit gewaltlosem Hintergrund, in Deutschland? Die „Gegendemonstrationen“ in England erinnern stark an die gratismutigen Proteste Anfang dieses Jahres gegen die Schimäre einer „Wannseekonferenz 2.0“. Ausgelöst von einer von den Massenmedien und führenden Politikern endlos aufgebauschten und wiederholten Falschmeldung der „Faktenchecker“-Plattform „Correctiv“. Die Stimmungsmache in Endlosschleife zielte auf die AfD, die damals in Umfragen nahe an 25 Prozent war – was in Bundestagssitzen umgesetzt die Macht bedeutet hätte, Untersuchungsausschüsse einzufordern. Die AfD verlor aufgrund dieser institutionalisierten Lüge mehr als fünf Prozent an Unterstützung. Auch hier wurde eine ernsthafte Herausforderung der den Staat fest im Griff haltenden Gruppe zurückgedrängt.

Diese Taktik ist offenbar gut durchdacht, sehr wirksam und übertragbar auf andere Länder. Aber sie ist eine Verteidigungstaktik. Eine Verteidigung gegen Proteste, die, auch wenn sie, wie jetzt in Großbritannien, in Gewalt und Illegalität abgleiten, legitime Ursachen haben. Ursachen, mit denen sich die Herrscherkaste nicht ernsthaft beschäftigen möchte, da eine ernsthafte Beschäftigung mit ihnen ihren Interessen entgegenlaufen würde.

Die Herrscherkaste sieht sich zu diesen Verteidigungstricks gezwungen, weil sich Proteste inzwischen mit Hilfe der sozialen Medien jenseits der von ihr kontrollierten Medien in bisher ungewohnter Schnelligkeit aufbauen können. Im ganzen Pulverfass Europa ist der Staat jetzt in der Defensive. Das macht ihn derzeit besonders gefährlich.


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