08. September 2024 06:00

Schutzpolitik Zunehmender Protektionismus bedroht den Wohlstand

Es ist der Freihandel, der ein Volk frei und klug macht

von Antony P. Mueller

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Bildquelle: Animaflora PicsStock / Shutterstock Freier Welthandel: Wird tendenziell immer mehr eingeschränkt

Unter den Fundamenten des Wohlstands kommt dem freien Welthandel eine herausragende Rolle zu. Ein möglichst umfassendes Handelssystem fördert die Spezialisierung und legt so den Grundstock für höhere Produktivität. Träger der Spezialisierung sind die Betriebe. In Firmen wird spezifisches Kapital akkumuliert und spezielles Humankapital erworben. Das Wissensniveau in den Firmen steigt. Dadurch erhöht sich die Produktivität und die Einkommen nehmen zu.

Je mehr sich die Unternehmen spezialisieren, desto wichtiger wird der Austausch von Gütern und Dienstleistungen unter den Firmen. Mit der Marktgröße wächst zudem das Potenzial für Kapitalakkumulation und für Innovation. Auch der Erwerb von spezifischem Humankapital ist umso lohnender, je mehr spezifische Arbeitsplätze mit speziellen Anforderungen entstehen.

Das Gesetz der komparativen Kostenvorteile für den Handel stellt einen Spezialfall des allgemeinen Gesetzes der Kooperation dar. Dieses Gesetz der Assoziation besagt, dass man durch die wechselseitige Konzentration der Tätigkeit auf die Gebiete, in denen man günstiger wirtschaften kann, eine höhere Leistungsfähigkeit als in der Isolation unter wirtschaftlicher Autarkie erreicht. Diese wechselseitige Spezialisierung setzt Zusammenarbeit voraus. Wirtschaft, so wie andere menschliche Tätigkeitsbereiche, ist durch beides gekennzeichnet: Zusammenarbeit und Wettbewerb.

Der durch den Welthandel hervorgerufene Produktivitätsgewinn schließt die weniger entwickelten Volkswirtschaften ein, da sich auch dort die jeweiligen Firmen auf die Bereiche spezialisieren, in denen sie relativ gesehen einen geringeren Abstand zu den produktiveren Betrieben haben. Kapitalakkumulation und technischer Fortschritt machen zwar manche Tätigkeiten überflüssig, durch Innovation wird aber langfristig ein Vielfaches mehr an neuen Arbeitsplätzen geschaffen.

Protektionismus ist Ausdruck einer Gesinnung, die sich dem wirtschaftlichen Fortschritt entgegenstellt. Die Anti-Globalisierungsbewegung kommt den Maschinenstürmern gleich, die in früheren Zeiten den Einsatz von arbeitssparenden Maschinen sabotierten. Die Saboteure wollten ihren Arbeitsplatz erhalten und glaubten, dies damit zu erreichen, indem sie mit den alten, weniger produktiven Maschinen und Werkzeugen weiterarbeiten würden. Die Maschinenstürmer erkannten nicht, dass ihr Lohn von der Produktivität abhängt und dass die Produktivität mit besserem Kapitaleinsatz steigt. Sie glaubten, ihren Arbeitsplatz erhalten zu können, während sie tatsächlich ihre Armut zementierten.

Die Gegner des Freihandels sind wie Zensoren, die neue Ideen verbieten. Deshalb sind die Protektionisten Gegner des Fortschritts. Oft ohne es zu wissen, verhindern die Freihandelsgegner höhere Löhne und fördern die Armut. Ihr Protest richtet sich gegen den Wohlstand aller. Die Gegner des Freihandels wollen Arbeitsplätze und das Lohnniveau sichern, erreichen stattdessen aber, falls sie mit ihren Kampagnen erfolgreich sind, das Gegenteil. Protektionismus reduziert die Marktgröße. Je kleiner der Wirtschaftsraum, umso weniger ist Spezialisierung möglich und umso geringer sind Innovation und Kapitalbildung. Protektionismus macht nicht nur arm, sondern auch dumm.

Die erwarteten Gewinne der Schutzpolitik gehen verloren, wenn auch die anderen Länder protektionistische Maßnahmen ergreifen. In den 1920er Jahren konnten zum Beispiel amerikanische Farmer eine kurze Zeit lang höhere Preise erzielen, nachdem die US-Regierung Schutzzölle eingeführt hatte. Mit dieser Politik wurde jedoch die Große Depression eingeleitet, in deren Folge es massenweise zu Konkursen bei den amerikanischen Farmern kam.

Handel, und somit auch der Welthandel, besteht im Wechselspiel von Konkurrenz und Kooperation. Dieser Prozess der Assoziation beginnt bei jedem Einzelnen schon in der Familie und setzt sich fort in der lokalen und regionalen über die nationale Wirtschaft bis hin zur internationalen und schließlich zur globalen Wirtschaft.

Man versteht Konkurrenz falsch, wenn man sie mit dem Wettbewerb im Sport gleichsetzt. Beim Sport stehen das Ziel und damit das Kriterium der Leistung von vornherein fest. Im sportlichen Wettbewerb geht es darum, höher und weiter zu springen, schneller zu laufen oder mehr Tore als der Gegner zu erzielen. Für die Wirtschaft ist der Wettbewerb von anderer Art. Hier geht es darum, jeweils besser oder schneller herauszufinden, was die Kunden möchten, und dies dann günstig zu produzieren. Im Gegensatz zum Sport mit seinem gesetzten Regelwerk gilt für den wirtschaftlichen Wettbewerb, dass die Regeln in nicht kodifizierter Form existieren und sich diese durch den Wettbewerbsprozess selbst laufend ändern. Das unternehmerische Verhalten besteht in Vorstoß und Nachahmung. Ein Unternehmen kann temporär höhere Gewinne als die Konkurrenz erzielen, indem es ein Produkt anbietet, das mehr als das der anderen Anbieter den Geschmack und den Bedürfnissen der Abnehmer entspricht. Es geht um Innovation, die sich sowohl in den großen Erfindungen zeigt als auch fast unmerklich in zahlreichen kleinen Schritten erfolgt.

Es liegt im Wesen der wirtschaftlichen Konkurrenz, dass erfolgreiche Projekte imitiert werden. Diese Nachahmung bewirkt zweierlei: Erstens werden durch die Nachahmungs-Konkurrenz die Gewinne der Pioniere geschmälert und zu den Kunden hin durch niedrigere Preise verteilt; zweitens werden im Laufe der Zeit Innovationen in der ganzen Volkswirtschaft diffundiert, sodass sich im Durchschnitt die wirtschaftliche Produktivität erhöht und mit der Erhöhung des allgemeinen Produktivitätsniveaus auch in den Sektoren, in denen keine unmittelbaren Produktivitätsfortschritte stattfinden, die Löhne steigen.

Der freie Welthandel dient dem Konsumenten durch eine erweiterte Produktvielfalt, niedrigere Preise und eine bessere Qualität. In Bezug auf die Allokation von Kapital und Arbeit wirkt Freihandel wie technischer Fortschritt. Die weniger produktiven Betriebe machen Platz für die wettbewerbsfähigen. Es kommt zu einer Umschichtung der Produktionsfaktoren zugunsten der Bereiche mit höherer Produktivität auf Kosten der weniger produktiven Sektoren. Dieser Prozess legt die Grundlage für höhere Einkommen. In einer solchen Volkswirtschaft, in der es eine Industrie mit hoher Produktivität gibt, erzielen auch die Arbeiter und Angestellten, die einfache Tätigkeiten verrichten, entsprechend höhere Einkommen.

Der internationale Handel bewirkt, dass Pioniergewinne breit verteilt werden und beim Konsumenten ankommen, da der Welthandel den Wettbewerb intensiviert. Die Integration in die Weltwirtschaft führt zu höherer Produktivität und damit zu mehr Wohlstand, weil die wechselseitige Spezialisierung zunimmt und sich der technische Fortschritt schneller ausbreitet. Als Folge der Globalisierung wird die Armut in der Welt geringer und der Wohlstand wächst. Wie bei den anderen Dingen des Lebens auch, kommen die Vorteile der Globalisierung jedoch nicht umsonst. Der Preis, der zu zahlen ist, besteht darin, sich den wandelnden Umständen laufend anzupassen.

Sanktionen richten sich gegen den freien Welthandel. Sie haben dieselben Effekte wie der Protektionismus. Theorie und Geschichte zeigen es gleichermaßen: Freihandel macht ein Volk reich und klug; Protektionismus macht eine Nation arm und dumm. Ein großer Teil der Prosperität, die viele Länder seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erfahren haben, ist dem freien Welthandel zu verdanken. Nun jedoch macht sich der Protektionismus wieder breit. Regierung erhängen leichtfertig Sanktionen, ohne deren Folgen richtig zu bedenken. In dem Maße, wie Freihandel weltweiten Wohlstand bedeutet, führen Protektionismus und Sanktionen zur globalen Verarmung. Wenn die Tendenz zur Errichtung von Handelsbarrieren weiter anhält, wird die Welt unaufhaltsam in eine neue Große Depression schlittern.

Antony P. Mueller: „Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie. Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik“ (KPD 2021) und „Kapitalismus ohne Wenn und Aber“ (KDP 2018))


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