01. April 2025 16:00

Beim Denken keine Kompromisse Der Libertarismus ist in großer Gefahr!

Er könnte ausgerechnet an seinem Erfolg scheitern

von Christian Paulwitz

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Bildquelle: Shutterstock Libertäres Grundwissen: Politik ist nicht die Lösung, sondern das Problem

Vielleicht finden Sie den Titel meiner heutigen Kolumne ausgesprochen merkwürdig und denken, ich möchte Ihnen passend zum Datum einen Aprilscherz unterschieben. Nichts liegt mir ferner als das. Möglicherweise blicken Sie eher pessimistisch in die Zukunft und fragen sich, an welchem Erfolg der Libertarismus scheitern könnte angesichts der sozialistischen Misere nicht nur, aber besonders in Deutschland. Oder Sie gehören zu den Optimisten der Sache der Freiheit, sehen das kommende Ende des korrupten Raub- und Schuldenstaates aufgrund innerer Zwangsläufigkeit seiner Existenz, während eine wachsende Zahl von Menschen erkennt, dass der Staat das eigentliche Problem ist. Zugegeben, denken Sie vielleicht, die unmittelbare Zukunft mag von großen Bedrohungen geprägt sein, aber auf etwas längere Sicht sollten die Chancen überwiegen.

Die Ersteren möchte ich gerne ermutigen, zumindest gelegentlich die Perspektive zu wechseln und sich ein wenig dem Optimismus der Zweiteren zu öffnen. In der Tat haben – um bei Deutschland zu bleiben, aber man könnte auch in andere Länder blicken – die libertäre Szene eine Größe und die Ideen der Freiheit ein interessiertes Publikum erreicht, wie es noch vor 20 Jahren kaum denkbar gewesen wäre; geschweige denn gegen Lebensende von Ludwig von Mises, der sich dennoch nie beirren ließ, an dem festzuhalten, was er als richtig erkannt hatte und es nach Kräften zu verbreiten. Daran gemessen, sollte es für uns keinen Grund geben, an der Gegenwart zu verzweifeln.

Es sind vielmehr die Optimisten, zu denen ich mich selbst zähle, die ich hier ansprechen möchte; und möglicherweise versuche ich nebenbei auch mich selbst ein wenig zu disziplinieren. Was sind das doch für gewaltige Umbrüche, die wir sehen. Javier Milei baut in Argentinien den Staat zurück und gibt den Menschen wieder Hoffnung auf Wohlstand und Freiheit. Milei scheint mir in der Tat authentisch zu sein.

In den USA gewinnt die Meinungsfreiheit wieder an Boden, Strukturen des korrupten tiefen Staats werden umgebrochen, Staatspersonal wird abgebaut und die über den Teich gerichteten Signale sind unüberhörbar, sich auf die ehemals gemeinsamen Werte des Westens von Meinungsfreiheit – Stichwort Zensurbestrebung der EU insbesondere bezüglich der sozialen Medien – und Demokratie – Stichwort Annullierung der korrekt verlaufenen Wahlen in Rumänien – zu besinnen. Auch hier scheint es in die richtige Richtung zu gehen. Endlich gibt es Druck für die eurokratische Politoligarchie, es mit der Beschneidung von Grundrechten nicht zu übertreiben, Oppositionsparteien wie in Deutschland die AfD anzuerkennen und nicht durch den Staat zu verfolgen.

Doch aus den USA wird Politik gemacht – keine Anti-Politik. Die Trump-Administration hat keine libertären Überzeugungen wie der argentinische Präsident. Dennoch neigen hiesige Libertäre häufig zu hohen Erwartungen und – was manchmal schwer erträglich ist – bisweilen zum Schönreden oder Herumeiern. Beispielsweise Zölle. Zölle schaden. Immer. Das wissen wir, und da gibt es nichts zu beschönigen. Natürlich kann man sich mal auf ein Denkmodell einlassen, wie der real existierende Staat sich am wenigsten schädlich finanziert. Aber die Antwort lautet am Ende: mit so wenigen Mitteln wie möglich; es gibt keine gute Steuer. Gäbe es heute das übergeordnete Planungswissen, welche Steuer am wenigsten schädlich wäre, könnte dies morgen unter anderen Umständen ganz anders sein. Doch niemand hat dieses Wissen – es ist reine Anmaßung. Wir wissen nur, dass je geringer die Staatsquote, umso weniger werden Produktion und Wohlstand beschnitten. Entsprechend bei regulierenden Staatseingriffen.

Aber wenn Trump Zölle erhebt, dann hört man auf einmal: Ja, das sei ja besser als Steuern auf Einkommen, da diese die Produktivität bestraften.

Doch Zölle verringern die Wettbewerbsfähigkeit und führen zu weniger produktiver Kapitallenkung. Oder es heißt: Ja, das sei ganz gut für die Volkswirtschaften der EU, das zwinge sie zur Reduzierung der staatlichen Eingriffe, um an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen.

Ach ja? Als ob den Regierungen in der EU etwas an allgemeinem Wohlstand in ihren Ländern läge. Für die EU-Kommission ist die Zollinitiative der Trump-Administration eine großartige Sache. Während dieser mit seinem populistischen Lügennarrativ vorgibt, die US-Volkswirtschaft zu schützen, kann die EU-Kommission mit gleicher Münze antworten und erhält so Steuereinnahmen, über die sie an den Mitgliedstaaten vorbei direkt zentral verfügen kann. Und sie besitzt auch noch die Unverschämtheit, sich dabei als Verteidiger des freien Welthandels aufzuspielen. Die Erhöhung der Zölle zwischen den USA und der EU inklusive der Show, mit der sie jeweils begründet werden, sind ein Win-Win-Spiel für die plündernden Staats- beziehungsweise Supra-Staatsapparate. Und ich denke, genau deswegen läuft das auch so, in beiderseitigem Mafia-Interesse.

Wäre die EU-Kommission an freiem Handel interessiert, wie sie behauptet, würde sie Trump mit den eigenen Waffen schlagen und vorschlagen: Machen wir einen Deal – streichen wir alle gegenseitigen Zölle. Trump könnte kaum „Nein“ sagen, denn im Saldo dürften bisher die EU-Zölle gegen die USA deutlich höher gewesen sein als umgekehrt. Deswegen schlägt das die EU auch nicht vor. Es wäre aus libertärer Sicht das einzig Richtige.

Mir scheint, dass ein Teil der libertären Szene von den Veränderungen in den USA zur Siegestrunkenheit neigt, wozu ich keinen Anlass sehe. Zugegeben, der Irrsinn der letzten Jahre erfährt dort durch den Narrativwechsel eine Abschwächung und ändert die Richtung. Manche optimistischen Libertäre neigen zur Annahme, dass sich nun die besseren Argumente, die schon immer auf der Seite der Freiheit waren, aufgrund der Sachzwänge mehr oder weniger von selbst durchsetzen werden. Soweit ist es noch lange nicht. Wer sich verfrüht auf der Siegerstraße wähnt, weil er die besseren Waffen führt und der Gegner angeschlagen zu sein scheint, neigt im Überschwang zu Fehlern, die den Sieg kosten können. Konzentration ist angesagt – wir sollten uns nicht die Waffe des besseren Arguments aus der Hand nehmen oder sie stumpf machen lassen und Wert auf das legen, was uns von den Protagonisten des amerikanischen Narrativwechsels trennt. Im Hauptstrom wird die neue amerikanische Politik vereinzelt „libertär“ genannt. Zeigt sie in einiger Zeit ihr nicht weniger übergriffiges Gesicht, wird dies auf den Libertarismus zurückfallen, wenn seine Vertreter keine klare Kante zeigen.

Das geht weiter mit den außenpolitischen Erpressungsversuchen der Trump-Administration – bei denen die europäischen Länder mitspielen. Stichwort Militärhaushalte. Die Darstellung, die USA würden durch ihre NATO-Partner zu exorbitanten Militärausgaben gedrängt, weil sie auf Kosten der USA ihre Militärhaushalte klein hielten, ist einfach falsch. 2024 war der Etat für Militär und Rüstung der USA etwa so hoch wie der der zwölf nächstgrößten staatlichen Militärhaushalte zusammen! Wenn die Trump-Administration sparen will, so kann sie ihn offenkundig leicht halbieren, ohne die Sicherheit der USA zu gefährden. Und in ein paar Jahren kann sie ihn auch noch einmal halbieren. Soll sie es doch tun und ihre Militärpräsenz in der Welt verringern! Wird sie aber nicht tun.

Andererseits waren die Militäretats nur der drei größten europäischen NATO-Partner – Deutschland, Vereinigtes Königreich, Frankreich; zwei davon Atommächte – zusammengenommen mehr als ein Drittel größer als der Russlands, das zudem eine deutlich geringere Wirtschaftsleistung und Bevölkerungszahl hat. Sicher ist die Wertigkeit in der Umsetzung der Ausgaben schwer zu vergleichen, aber wenn die Mittel ineffizient ausgegeben werden, könnte man sich ja auch erst einmal darum kümmern, bevor man auf die Aufforderung Trumps, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (das nebenbei weder den Staaten gehört noch ihnen zur Verfügung steht und daher eine fragwürdige Bemessungsgröße ist) für Rüstung auszugeben, willig eingeht. Doch die Regierungen spielen „good guy – bad guy“ und werfen sich dabei die Bälle zu, immer auf Kosten ihrer Bevölkerungen, die dabei in unterschiedliche Lager geteilt auch noch mitspielen. Libertäre sollten das nicht tun. Ein Teil steigender Militäretats der NATO-Partner fließt dann direkt in die US-Rüstungsindustrie und hilft den Interessengruppen, auf deren Unterstützung Trump angewiesen ist.

So läuft das schmutzige Spiel. Auch die übergriffigen Signale der Trump-Administration in Richtung Kanada und Grönland muss man zumindest als verstörend bezeichnen. Die USA könnten friedlichen Handel mit einem künftig vielleicht einmal unabhängigen Grönland treiben, ohne es gleich als Bundesstaat einverleiben zu müssen, nicht wahr?

Bleiben wir also dabei: Politik ist nicht die Lösung, sondern das Problem. Das gilt für die Trump-Regierung genauso wie für ihre Vorgänger. Die Probleme, die sie schafft, mögen einen anderen Schwerpunkt haben, aber es wird der Sache der Freiheit schaden, wenn es Regierungen gibt, die wir mit einem zugekniffenen Auge bewerten. Hüten wir uns also davor; nur so können wir Menschen, die heute noch an Politik glauben, für die Freiheit gewinnen, wenn die Zeit für sie reif ist.


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