Machtmonopol: Kein Regent hat ein unbegrenztes Recht auf Herrschaft
Dies steht im Widerspruch zu den Prinzipien der Freiwilligkeit und Autonomie
Ein Gesellschaftsvertrag ist, richtig verstanden, ein zweiseitiger Vertrag und enthält so das Recht zum Widerstand und zur Gehorsamsverweigerung, wenn der Souverän seinen Teil, den Schutz der Freiheit aller im Recht, nicht gewährleistet. Ein Herrscher, auch wenn rechtmäßig bestellt, verliert sein Recht, zu regieren, wenn er sein eigenes Süppchen kocht und nicht den Gemeinwillen ausführt. Persönliche Bereicherung führt ebenso zum Verlust des Rechts auf Regentschaft wie der Versuch, dem Volk eine persönliche Glaubensrichtung oder Ideologie aufzwingen zu wollen. Das Recht des Volkes zur Absetzung einer solchen Person oder Personengruppe bezieht sich nicht auf die Amtsherrschaft, sondern auf den Herrschenden als Person.
Die zwingende Gewalt des Staates ist nur dann legitim, wenn die allgemeinen Gesetze den Privatzwecken der Bürger dienlich sind, ihrer Freiheit, ihrem Wohlstand und dem Landesfrieden. Versagt in dieser Aufgabe die öffentliche Macht, haben die Bürger das Recht auf Widerstand, um die Machtinhaber abzulösen.
Das Recht zur legalen Gewaltanwendung ist an das Recht auf Oberhoheit gebunden. Mit dem Verlust des Rechts auf Oberhoheit geht auch das Recht auf Zwang verloren. Ein Regent verwirkt sein Recht auf Oberhoheit, wenn er dem Gesellschaftsvertrag zuwiderhandelt.
In diesem Sinn argumentiert auch Hans-Hermann Hoppe in seinem Buch von 2001 „Demokratie. Der Gott, der keiner ist“, in dem er die Staatstheorie von Hobbes als in sich widersprüchlich zurückweist.
Nach Hoppe sind echte Verträge freiwillige Vereinbarungen, die von einwilligenden Parteien geschlossen werden. Im Gegensatz dazu geht Hobbes’ Gesellschaftsvertragstheorie davon aus, dass Individuen aus Angst vor dem Zustand der Natur ihre natürlichen Rechte an eine souveräne Autorität abtreten. Eine solche Vereinbarung ist nicht freiwillig, da Einzelpersonen zur Einhaltung des Gesellschaftsvertrags dazu gezwungen werden.
Kein Machtmonopol ist legitim, weil ein solches Monopol zu Machtmissbrauch führen kann und so das Prinzip der Eigenverantwortung verletzt. Einzelpersonen haben das Recht auf Selbstverteidigung und können legitimerweise nicht dazu gezwungen werden, sich einer einzigen Autorität zu unterwerfen.
Die Hobbes’sche Rechtfertigung staatlicher Macht durch die Notwendigkeit, Frieden und Ordnung aufrechtzuerhalten, besagt, dass das Gewaltmonopol des Staates es ihm ermögliche, Einzelpersonen durch Androhung von Strafen zum Gehorsam zu zwingen. Dies aber verstößt gegen die Grundsätze der individuellen Freiheit und des freiwilligen Zusammenschlusses.
Die Annahme, es gäbe eine Homogenität der Interessen, sodass die Einzelpersonen einen gemeinsamen Wunsch an der Errichtung einer souveränen Autorität hätten, widerspricht der Tatsache, dass Einzelpersonen unterschiedliche Vorlieben und Ziele haben. Eine universelle Zustimmung aller Individuen zu einem Unterwerfungsvertrag ist unwahrscheinlich. Die Durchsetzung einer einzigen Autorität widerspricht der natürlichen Vielfalt in einer menschlichen Gesellschaft.
Jede Art von Unterwerfungsvertrag widerspricht den Prinzipien der Freiwilligkeit und Autonomie. Ein vollständiges Monopol an Staatsgewalt ermangelt der Legitimität, da sie im Gegensatz zu den individuellen Rechten steht. Die Parteiendemokratie ist in sich unstimmig. Schon die politischen Wahlen sind nicht Wahlen durch das Volk, sondern eine Abstimmung über das, was die Parteien dem Volk zur Wahl stellen.
Das ursprüngliche Prinzip der Vergesellschaftung ist die wechselseitige Anerkennung aller. In so einem System gibt es keine Politik und keinen Staat, denn das würde die Erhebung einer Person über andere und somit deren Unterordnung bedeuten. Die Frage stellt sich, ob Ordnung ohne Organisation und ohne Befehl und Gehorsam möglich ist.
Ordnung in Anarchie ist im Unterschied zur Hierarchie möglich durch wechselseitige Anerkennung. Die Souveränität des Einzelnen im gesellschaftlichen Miteinander erwächst aus dem Prinzip der Anerkennung der Gleichheit aller. Werden diese Prinzipien eingehalten, entsteht in einer Gesellschaft eine Ordnung in Anarchie. Die Bürger müssen sich im Wesentlichen nur über eines einig sein: Keiner darf sich über andere erheben wollen. Keiner darf für sich reklamieren, Führer werden zu wollen. Möchtegern-Politiker müssen verstoßen werden, weil sie die Gemeinschaftsstandards verletzen.
Jede Verletzung der Freiheit ist eine Entwürdigung der vernünftigen Natur des Menschen. Allerdings ist der Mensch nicht nur vernünftig, sondern auch sinnlich. Als vernünftiges Wesen will der Mensch das Gute, als sinnliches das Angenehme und Nützliche. Als vernünftiges Wesen will der Mensch die Freiheit aller, als sinnliches nur seine eigene.
Kein Gemeinwesen wird dauerhaft bestehen bleiben, wenn diese beiden Ebenen, so wie heute im sogenannten „Wohlfahrtsstaat“, vermischt werden. Eine richtig verstandene bürgerliche Gesellschaft kann nur eine solche sein, wo rechtlich die Freiheitsrechte aller gegen alle verbürgt sind. Die Gesellschaft wird zu einer echten Demokratie, wenn die Regierung ausführendes Organ des allgemeinen Willens in diesem Sinne ist und sich darüber hinaus allen anderen Einmischungen enthält. Umgekehrt heißt das, dass keine oder eine falsche Demokratie vorliegt, wenn die Aktivitäten der Regentschaft den Gemeinwillen überschreiten. Demokratie kann es in diesem Sinne deshalb nur als Minimalstaat geben oder in einer Gemeinschaft ohne Staat. In dieser Sicht ist es nicht schwer zu erkennen, dass diese undemokratisch ist, je mehr Aufgaben eine Regierung übernimmt und sie so notwendigerweise über den Gemeinwillen hinausgeht, auch wenn sie scheinbar Legitimität durch Abstimmungen erhält, die die Mehrheit repräsentieren sollen. Eine solche Regentschaft ist nicht mehr Diener des Gemeinwesens. Sie ist parteilich zugunsten eines Gesellschaftsteiles und repressiv gegen die anderen Teile. Ein solches Regime ist eine Scheindemokratie und hat seine Rechtsnatur verwirkt.
Glück und Wohlstand des Einzelnen können schon deshalb nicht der Zweck einer bürgerlichen Vereinigung sein, weil sie diesen Zweck nie erreichen kann. Wie Immanuel Kant (1793) betont, kann das „Prinzip der Glückseligkeit“ auch deshalb nicht Richtschnur des gemeinschaftlichen Handelns werden, weil es inhaltlich nicht allgemein zu bestimmen ist: „Der Souverän will das Volk nach seinen Begriffen glücklich machen, und wird Despot; das Volk will sich den allgemeinen menschlichen Anspruch auf eigene Glückseligkeit nicht nehmen lassen, und wird Rebell.“
Nur dann ist ein Gemeinwesen eine Demokratie, wenn sein Zweck kein anderer ist als die Idee der rechtlichen Freiheit aller. Besitzt die Gesellschaft ein Organ mit dem Privileg, darüber hinauszugehen, ist es keine Demokratie mehr, sondern eine Despotie.
Deshalb gilt als Grundprinzip, dass jedwede Form einer Regentschaft, die Befehle erteilt, die das allgemeine Freiheitsrecht verletzt, ihre Legitimität überschreitet und die Gemeinschaftsmitglieder ihrerseits das Recht erwirken, den Gehorsam zu verweigern und Widerstand zu leisten.
Hans-Hermann Hoppe: „Demokratie. Der Gott, der keiner ist“ (2003)
Immanuel Kant: „Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis“, Teil II: „Vom Verhältnis der Theorie zur Praxis im Staatsrecht“ (1793). Werke in zwölf Bänden. Band 11, Frankfurt am Main 1977, S. 143–165
Antony P. Mueller: „Antipolitik“ (2024)
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