Gestahlfedert: Gesetz des Grauens: Mehr Orwell als Orwell selbst jemals Orwell war (Teil 2)
Ein neuer Terroranschlag „unserer Demokratie“ auf die Meinungsfreiheit
von Michael Werner
Kleiner Nachtrag zur Kolumne von letzter Woche, die quasi der erste Teil zum vorliegenden zweiten war: Die Bundesnetzagentur hat kurz nach meinem Redaktionsschluss nachverschlimmbessert, indem sie der Pressemitteilung zu den „Trusted Flaggern“ einen kleinen Disclaimer vorangestellt hat:
„Uns hat zur ursprünglichen Version dieser Pressemitteilung berechtigte Kritik erreicht. Es waren illegale Inhalte, illegaler Hass und illegale Fake News gemeint. Wir haben den Text an dieser Stelle präzisiert und einen Satz ergänzt, der Missverständnisse ausräumen soll.“
Und dann wurde im Text selbst Folgendes geändert: Aus dem Satz „Illegale Inhalte, Hass und Fake News können sehr schnell und ohne bürokratische Hürde entfernt werden“ wurde „Illegale Inhalte, illegaler Hass und illegale Fake News können sehr schnell und ohne bürokratische Hürde entfernt werden.“ Und am Ende des Absatzes wurde ergänzend hinzugefügt: „Was illegal ist, entscheiden weder Trusted Flagger noch die Bundesnetzagentur.“
Aha. Nicht mehr „Hass“, sondern „illegaler Hass“. Was genau soll das sein, und wer legt das mit welcher Legitimation fest? Kein Hass ist illegal! Was genau unterscheidet „Fake News“ von „illegalen Fake News“, und wer legt das mit welcher Legitimation fest? Wenn es „illegalen Hass“ und „illegale Fake-News“ gäbe, dann wären das ganz einfach „illegale Inhalte“, denn die sind der Oberbegriff für alles an Äußerungen, die gegen irgendein Gesetz verstoßen. Alles Weitere ist redundant. Also hätte es gereicht, einfach nur zu sagen: „Illegale Inhalte können sehr schnell und ohne bürokratische Hürde entfernt werden.“ Das würde jedem, der in der Rechtsstaats-Matrix gefangen ist, in der es so etwas wie einen „illegalen Inhalt“ gibt, oder zumindest in dieser Kategorie zu denken in der Lage ist, sofort einleuchten, und gut ist. Aber mit diesem Unsinn hat man es nur noch schlimmer gemacht.
Und der Nachsatz, dass weder „Trusted Flagger“ noch die Bundesnetzagentur entscheiden, was illegal ist, schafft es tatsächlich, diesem Unsinn noch die Krone aufzusetzen: Wenn eine Social-Media-Plattform einen Inhalt aufgrund einer Meldung eines „Trusted Flaggers“ entfernt, dann hat der „Trusted Flagger“ de facto entschieden, dass es sich um einen „illegalen Inhalt“ handelt. Zudem wirft diese Aussage zwingend die Frage auf, wenn weder „Trusted Flagger“ noch die Bundesnetzagentur entscheiden, was illegal ist, wer denn dann? Doch die Antwort blieb man uns vorsichtshalber schuldig.
Ich habe der Bundesnetzagentur dazu eine Presseanfrage gestellt. Bei meinem Redaktionsschluss lag noch keine Antwort vor, aber ich reiche sie selbstverständlich nach, sollte ich eine Antwort erhalten.
Doch nun zum Thema dieser Woche:
Im Bundestag wurde jüngst über einen neuen Gesetzesentwurf beziehungsweise über Gesetzesverschärfungen diskutiert. Der Aufhänger war, dass es immer häufiger zu gewalttätigen Angriffen auf Polizeibeamte, Feuerwehrleute und insbesondere Rettungssanitäter im Einsatz kommt.
Zunächst einmal klingt es gut und sogar sinnvoll, gegen diese sich zunehmend ausbreitende Unsitte vorzugehen. Aber wenn unsere Regierung mit solchen Ideen um die Ecke kommt, hat die Sache meist einen Haken, oder es handelt sich um eine Mogelpackung, oder gar um ein trojanisches Pferd.
Hier haben wir gleich das volle Programm: Zunächst einmal wurde geflissentlich verschwiegen, von welcher Bevölkerungsgruppe diese neue Art von Gewalt vornehmlich ausgeht. Um mich nicht unnötig in den Strafbarkeitsbereich des Volksverhetzungs-Paragraphen zu begeben, drücke ich es mal so aus: Bullenklatschen oder im sich spontan zusammengefundenen Rudel Feuerwehrleute und Rettungssanitäter krankenhausreif zu prügeln oder gar zu messern, war noch nie ein typisch deutscher Volkssport und ist es auch aktuell nicht. Die Regierung doktert also mal wieder am Symptom eines Problems herum, das sie selbst überhaupt erst geschaffen hat, weshalb sie vorsichtshalber Ross und Reiter nicht offen benennt, denn das könnte ja den Rrrääächten in die Karten spielen.
Soweit der erste kleine Haken. Kommen wir zur Mogelpackung, oder besser gesagt, zum trojanischen Pferd:
Auf der Website des Deutschen Bundestags heißt es dazu, dass „Menschen, die für das Gemeinwohl tätig sind, ,immer wieder zum Ziel von Angriffen sowohl physischer als auch psychischer Natur‘ werden. Neben Einsatzkräften der Polizei und Feuerwehr werden auch Medienschaffende und ehrenamtlich Tätige in der Flüchtlingshilfe als Betroffene solcher Angriffe genannt. Aus Sicht der Bundesregierung können solche Angriffe ,gravierende Auswirkungen‘ haben, nicht nur für die angegriffenen Personen, sondern auch für die ,Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens‘. ,Denn dort, wo für das Gemeinwohl tätige Personen zum Ziel von Aggressionen und Angriffen werden, steht zu befürchten, dass sie sich von solchen Tätigkeiten zurückziehen und auch andere Personen vor einem solchen Engagement zurückschrecken‘.“
Daraus ist zu entnehmen, dass es nicht nur um „Angriffe physischer Natur“ geht, also um körperliche Gewalt, sondern auch um „Angriffe psychischer Natur“. Spätestens an der Stelle bimmeln beim geübten Leser sämtliche Alarmglocken, denn was dürfte damit wohl gemeint sein? Richtig: Hier werden durch die Hintertür mal wieder Wortverbrechen mit eingeschleust, also unliebsame Meinungsäußerungen von Regierungskritikern. Und es sollen mitnichten nur lebensrettende Einsatzkräfte vor körperlicher Gewalt geschützt werden, sondern „Medienschaffende“ und „ehrenamtlich Tätige in der Flüchtlingshilfe“ vor Unmutsbekundungen des staatsdelegitimierenden Steuersklavenpöbels.
Da drängen sich gleich zwei Fragen auf:
Warum nur jene Ehrenamtler, die in der „Flüchtlingshilfe“ tätig sind? Sind die mehr wert als alle anderen Ehrenamtler? Sie ahnen es sicher schon: Ja, sind sie. Aus Gründen!
Und welche „Medienschaffende“ sind genau gemeint? Alle? Auch die in den sogenannten „alternativen Medien“? Wird man demnächst also flugs mal vor den Kadi gezerrt, wenn man Julian Reichelt, Roland Tichy oder Boris Reitschuster anpöbelt? Sie ahnen es sicher schon: Natürlich nicht! Aber wenn Sie zu explizit verbalisieren, was Sie von den zwangsgebührengepamperten Propagandaschleudern des Regime-Schundfunks halten oder warum Sie Staatsclowns wie Jan Böhmermann, Oliver Welke oder Sarah Bosetti maximal unlustig finden, könnte es passieren, dass Sie von unserer Rechtsstaats-Simulation einer Sonderbehandlung zugeführt werden. Mit verbindlichsten Grüßen von unserem Justizminister Dr. Marco Buschmann von der Eff-De-Pe.
Falls Sie nun denken, dystopischer wird es heute nicht mehr – weit gefehlt! Die legen noch eine Schippe drauf: „Mit den geplanten Änderungen will die Bundesregierung nun die schon bestehende besondere Schutzwürdigkeit dieser Personen klarstellen und bekräftigen. In Paragraf 46 Absatz 2 Strafgesetzbuch (StGB) soll künftig klargestellt werden, dass bei der Strafzumessung auch die ,Eignung der Tat, eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen‘ zu berücksichtigen ist. Wie die Bundesregierung anführt, können Gerichte schon jetzt die ,verschuldete Auswirkung der Tat‘ bei der Strafzumessung berücksichtigen. Die geplante Erweiterung erscheine gleichwohl geeignet, ,um im Lichte der aktuellen Entwicklungen ein klares Zeichen gegen gemeinwohlschädliche und demokratiefeindliche Straftaten im analogen und digitalen Raum zu setzen‘.“
Das Team von „Nius“ hat es in einem Artikel wunderbar auf den Punkt gebracht, und da ich es nicht besser, sondern höchstens strafbarer ausdrücken könnte, zitiere ich die Kollegen hier kurz: „Gemeinwohlschädlich kann, nimmt man den Gesetzesentwurf beim Wort, alles sein, was den betroffenen Politikern oder Journalisten als ,Hass und Hetze‘ erscheint. Das Gesetz wird ausdrücklich mit dem ,großen Ausmaß an Hass und Hetze‘ begründet. Der Verdacht liegt nahe, die schwammige Begründung wurde gewählt, um gewisse Politiker und Journalisten vor besonders harscher Kritik zu schützen. Aufhorchen lässt, dass die Bundesregierung und der Bundesjustizminister von ,Sozialschädlichkeit‘ und ,gemeinwohlschädlichem‘ Verhalten sprechen, sich also eines Vokabulars bedienen, das eher an autoritäre Regime erinnert.“
Lassen Sie uns kurz gemeinsam überlegen, an welches autoritäre Regime genau uns der Begriff „Sozialschädlinge“ erinnert… Da war doch was… Irgendwann in den tausend Jahren zwischen Dreiunddreißig bis Fünfundvierzig… Und jetzt stellen wir uns mal kurz vor, was wohl losgewesen wäre, wenn ein Björn Höcke diesen Begriff verwendet und damit Menschen gemeint hätte, die unter dem Vorwand einer Flucht vor Krieg oder politischer Verfolgung hierherkommen, sich äußerst großzügig von uns alimentieren lassen, und zum „Dank“ dann schwerste Straftaten vornehmlich gegen die indigene Bevölkerung begehen. Merke: Nazisprech ist nur Nazisprech, wenn’s die „Falschen“ sagen!
Als Libertärer überkommt einen schon beim Begriff „Gemeinwohl“ das kalte Grauen, denn wir wissen, dass unter diesem Vorwand die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte begangen wurden. Könnte man Hitler oder Stalin heute dazu befragen, dann dienten Holocaust und Holodomor auch nur dem „Gemeinwohl“. Unter Mao mussten bis zu 80 Millionen Chinesen (also quasi die Einwohnerzahl Deutschlands) ihr Leben fürs „Gemeinwohl“ lassen. Googeln Sie mal nach „Gemeinnutz vor Eigennutz“ – sie finden Fotos von Reichsmark-Münzen aus der Braunauer Phase, einige davon sogar mit dem Konterfei des Braunauers höchstselbst. Ist es nicht interessant, dass diese Parole der NSDAP heute nicht verboten ist, dafür aber „Alles für Deppenland“, weil das eine Zeitlang auf einigen SA-Dolchen eingeritzt war, was bis vor kurzem nur eingefleischte Devotionaliensammler wussten?
Wir erinnern uns an die treffenden Worte des großen Roland Baader: „Wenn es möglich wäre, dass ,die Allgemeinheit‘ Kopfweh hat – alle Menschen zur gleichen Zeit, subjektiv gleich schmerzhaft und aus derselben Ursache heraus –, dann könnte es vielleicht auch so etwas geben wie ,das Gemeinwohl‘."
Genau das ist das kleine, schmutzige Geheimnis hinterm „Gemeinwohl“: Es existiert nicht! Fragen Sie 80 Millionen Menschen, was ihrer Ansicht nach zum „Gemeinwohl“ gehört, und Sie bekommen 80 Millionen unterschiedliche Antworten!
Es gibt absolut nichts, was der Staat „leisten“ könnte, das wirklich allen zum Vorteil gereicht. Unter dem Etikettenschwindel des „Gemeinwohls“ werden stets nur Partialinteressen bedient. In der Realpolitik, in der die Parteien sich längst schon den Staat zur Beute gemacht haben und die daher eine reine Klientelpolitik ist, werden vornehmlich die Interessen der eigenen Günstlinge und/oder Genossen bedient: Hier ein hochdotiertes Pöstchen, da ein lukrativer Regierungsauftrag, hier ein paar Privilegien, da ein paar Milliönchen Fördergelder. Selbst wenn es vermeintlich „gute“ Sachen sind wie öffentliche Schwimmbäder oder öffentliche Bibliotheken: Nicht nur Nichtschwimmer und Analphabeten haben nichts davon – es reicht schon, wenn man keine ausgewiesene Wasser- oder Leseratte ist. Oder wenn man so reich ist, dass man sich einen eigenen beheizten Swimmingpool und eine eigene umfangreiche Bibliothek leisten kann. Es gilt die Regel: Der Vorteil der einen Gruppe, die etwas bekommt, ist stets der Nachteil einer anderen Gruppe, die davon – aus welchen Gründen auch immer – nicht profitiert, aber dennoch dafür bezahlen muss.
Wir Libertären wissen: Das Einzige, was wirklich existiert, ist das Individualwohl. Und das gestaltet sich bei jedem Menschen völlig anders: Der eine lebt gerne in einer Großstadt, der andere lieber am Waldesrand. Der eine ist Vegetarier, der andere bevorzugt ein saftiges Steak. Der eine hört Heavy Metal, der andere lieber Mozart. Der eine bevorzugt die Sicherheit eines Angestelltenverhältnisses, der andere die Unwägbarkeiten und Herausforderungen der Selbstständigkeit.
Echtes „Gemeinwohl“ wäre also, wenn jedem Menschen der größtmögliche Gestaltungsspielraum zur Erreichung seines Individualwohls gewährt würde. Der korrekte Begriff dafür lautet „Freiheit“. Was dem libertären Ansatz entspricht. Sobald jedoch vom „Gemeinwohl“ gesprochen wird, sind damit Gleichmacherei und Kollektivismus gemeint, sprich: Unfreiheit.
Wenn demnächst also Äußerungen, die dem „Gemeinwohl“ schaden könnten, besonders hart bestraft werden, dann bedeutet das nicht weniger, als dass die Meinungsfreiheit endgültig zu Grabe getragen werden soll.
Viele Juristen bezweifeln, dass solche Gesetze, ähnlich wie der neugefasste Majestätsbeleidigungs-Paragraph 188 des Strafgesetzbuchs, überhaupt verfassungskonform sind, und gehen davon aus, dass sie früher oder später vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden. Doch dafür muss sich erst mal jemand finden, der es nicht auf sich sitzen lässt, wegen eines blöden, aber harmlosen Spruchs von irgendeinem Amtsgericht verknackt zu werden, sondern sowohl die Kohle als auch die Eier hat, seinen Fall durch alle Instanzen bis nach Karlsruhe durchzuprügeln. Das kann mitunter Jahre dauern, und bis dahin ist der Schaden bereits weitgehend irreversibel eingetreten, nämlich die Einschüchterung der überwiegenden Mehrheit, die längst selbst die Schere im eigenen Kopf angesetzt hat und sich zunehmend immer weniger traut, die eigene Meinung laut zu sagen.
Das wissen die Politiker ganz genau, daher erlassen sie solche Gesetze, auch wenn sie offensichtlich verfassungswidrig sind, denn sie erzielen die gewünschte Wirkung. Und das ist alles, was zählt. Sollte Karlsruhe in ein paar Jahren einen Deckel draufmachen, kann ihnen das wurscht sein, denn entweder sind sie dann längst nicht mehr im Amt, oder selbst wenn doch, hat es eh keine persönlichen Konsequenzen für sie, so dass sie das maximal mit einem kalten Schulterzucken quittieren werden und sich dafür auch noch völlig schambefreit ein Bundesverdienstblech an die Brust tackern lassen. So wie Angela Merkel, die den Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht ihre Anweisung, die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen unter anderem durch Stimmen der AfD „wieder rückgängig zu machen“, für verfassungswidrig erklärt hat, einfach unkommentiert wegignoriert hat, mit tatkräftiger Unterstützung der Systempresse, die sie deswegen nie mit einer unangenehmen Nachfrage behelligt hat. Zur Belohnung gab’s dann den höchsten Verdienstorden der Bunten Republik – für eine Verfassungsbrecherin!
Alles fürs Gemeinwohl, Genossen! Und wer das nicht so sieht: Ab in den Gulag! Schöne Grüße, Ihr „Rechtsstaat“!
Quellen:
Bundesnetzagentur lässt erstmalig Trusted Flagger für Online-Plattformen in Deutschland zu (Presseerklärung auf der Website der Bundesnetzagentur)
Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften (Website des Deutschen Bundestags)
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie von dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten (Datenserver des Bundestags)
Der nächste Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit: Bundesregierung plant Gesetz gegen Bürger, die sich „gemeinwohlschädlich“ äußern! (Website „Nius“)
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