Veteranentag: Soldaten sind keine Helden
Trump ernennt neokonservatives Gruselkabinett
Vergangenen Montag begingen die USA den alljährlichen Veteranentag, der seit 1954 ein offizieller bundesweiter Feiertag ist. Es ist das Ereignis, das Amerikaner im Allgemeinen mit dem 11. November assoziieren, während wir hier eher an Sankt Martin oder den Faschingsbeginn denken. Erstmals eingeführt nach dem Ersten Weltkrieg, ist der Veterans Day einer der drei großen militärischen Gedenktage, zusammen mit dem Memorial Day, der an die getöteten Soldaten erinnern soll, und dem Armed Forces Day, der jenen Tribut zollt, die sich gegenwärtig als Kanonenfutter für das US-Imperium in Leibeigenschaft begeben haben.
Jedes Jahr offenbaren diese Tage für mich aufs Neue die Naivität und Ignoranz eines Großteils der Amerikaner. Mein Facebook-Feed war jedenfalls vergangenen Montag wieder voll mit amerikanischen Bekannten, die es für angebracht hielten, Soldaten für ihren „Dienst“ und die „Verteidigung unserer Freiheitsrechte“ zu danken. Wie verblendet muss man sein, um zu glauben, dass die stetig schwindenden Freiheiten der Amerikaner bei militärischen Abenteuern im Irak oder am Hindukusch verteidigt würden? Ich glaube, dass viele dies posten, ohne jemals darüber nachgedacht zu haben, was für einen Unsinn sie da absondern. Wann haben Krieg und eine damit einhergehende Stärkung der Zentralgewalt in Washington jemals mehr Freiheiten gebracht?
Selbst viele libertäre Kriegsgegner in den USA mahnen immer wieder an, dass man doch scharf trennen müsse zwischen den Frauen und Männern in Uniform und Politikern, die letztlich Kriege zu verantworten hätten. Ich denke nicht, dass man den einzelnen Soldaten da so leicht aus der Verantwortung nehmen sollte – auch wenn es stimmt, dass sich viele Amerikaner nicht aus Kriegslust, sondern aus finanziellen Gründen verpflichten. Zudem rekrutiert die US-Armee auch ziemlich aggressiv an staatlichen Schulen. Doch für ein kostenloses Studium Menschen töten, die einem nie etwas getan haben? Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Wenn sich keiner mehr verpflichten würde, könnte die US-Kriegsmaschinerie entweder nicht mehr in der jetzigen Form aufrechterhalten werden oder müsste wieder offen zu Zwang greifen wie seinerzeit bei der Rekrutierung für Vietnam mit den bekannten gesellschaftlichen Verwerfungen. Die jetzige Situation aus finanziellen Anreizen, garniert mit patriotischem Gedöns und der Ehrerbietung, die Soldaten in der Gesellschaft zuteilwird, ist für die jeweiligen Machthaber wesentlich komfortabler. Die Führer in Washington setzen auf die Denkfaulheit ihrer Landsleute, die sich nur zu gerne mit „Stars and Stripes“ narkotisieren lassen.
Der anarchistische Freidenker Larken Rose brachte es mit einem sarkastischen Kommentar zum Veteranentag dieses Jahr auf den Punkt: „Vergesst heute nicht, euch emotional zu verbeugen und hirnlos all jene zu verehren, die sich dazu entschieden haben, ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um die schlimmsten Menschen auf der Welt reicher und mächtiger zu machen auf Kosten von Freiheit, Sicherheit, Prosperität und des menschlichen Lebens.“ Es sei wichtig, „das Böse beim Namen zu nennen“, auch dann, wenn es von Amerikanern, die die amerikanische Flagge auf ihrer Schulter tragen, begangen werde. „Wenn so viele Menschen, ohne ihren Verstand zu benutzen, die Mitglieder einer Maschinerie loben, die so viele unschuldige Menschen überall auf der Welt abgeschlachtet hat, dann ist das einfach nicht in Ordnung, ganz egal, wie sich Menschen dabei fühlen, wenn sie diese Kritik hören.“
Die Verehrung der Armee ist eine der großen überparteilichen Konstanten in der US-Politik. Denn beide Parteien wollen im Zweifel für ihre Machtambitionen auf die Streitkräfte zurückgreifen. Die Unterschiede zwischen Demokraten und Republikanern sind in Sachen Kriegsgeilheit erschreckend marginal, auch wenn die jeweils regierende Partei unterschiedliche Kriegsschauplätze favorisiert. Trump wird vielleicht etwas weniger die Ukraine unterstützen und das Militär dafür eher im Nahen Osten zum Schutz vermeintlicher israelischer Interessen einsetzen. Trumps erste Amtszeit gab mit der Bombardierung Syriens und der gezielten Liquidierung eines iranischen Generals im Irak einen Vorgeschmack, auf was sich die Welt einstellen kann. Ebenso wie Trumps Ankündigung, im „Kampf gegen die Drogen“ im Zweifel auch mexikanisches Territorium bombardieren zu wollen. Sicher: Das ist nicht, wofür Trump gewählt wurde. Na und? Bush wurde 2000 auch nicht gewählt, weil sich die Amerikaner davon zwei Kriege erhofft haben. Genau wie Trump trat Bush vor allem mit einer eher innenpolitischen Agenda an. Dass der Irakkrieg ein Riesenfehler war, sehen heute auch die meisten Republikaner ein, wenn auch leider meist aus den falschen Gründen. Der Soldatenverehrung in der amerikanischen Gesellschaft hat diese Erkenntnis keinen Abbruch getan, auch weil die meisten Bushs Irakfeldzug zwar für falsch und für die USA unvorteilhaft, allerdings nicht für moralisch verwerflich halten. Und in „Enduring Freedom“ sehen heute noch viele einen alternativlosen Krieg. Wie wenig es Trump um Frieden geht, zeigten die Personalentscheidungen seiner ersten Amtszeit. Mit Nikki Haley, Mike Pompeo und zwischenzeitlich sogar John Bolton scharte Trump die schlimmsten Kriegstreiber um sich, die das politische Amerika zu bieten hat.
Wird diesmal alles besser? Natürlich nicht. Derzeit kursieren die Namen Marco Rubio als Außenminister, Mike Waltz als Nationaler Sicherheitsberater, Pete Hegseth als Verteidigungsminister und Elise Stefanik als UN-Botschafterin. Das Who is Who neokonservativer Kriegstreiber! Rubio war 2010, als er sich erstmals um einen Senatssitz bewarb, der Wunschkandidat von Jeb Bush und Dick Cheney und ist seitdem immer wieder mit Unterstützung militärischer Interventionen, darunter dem Libyen-Desaster und Syrien, aufgefallen. Und Israel kann sich die Entsendung eines Botschafters nach Washington in Zukunft sparen, wenn der größte Unterstützer zionistischer Kriegspolitik bald im State Department sitzt. Afghanistan-Veteran Waltz arbeitete während der Bush-Administration im Pentagon direkt Donald Rumsfeld zu und gilt als Vertrauter von Cheney, für den er als „Anti-Terrorismus-Berater“ tätig war. Waltz betrachtet den Abzug amerikanischer Truppen aus Afghanistan und dem Irak als Fehler. Die Kriege dort würden noch Generationen dauern müssen, weil man nicht gegen einen Staat, sondern gegen eine Idee kämpfe, die es zu eliminieren gelte, so der Kongressabgeordnete aus Florida. Russland ist für Waltz „eine Tankstelle mit Nuklearwaffen“. Und die Idee seines künftigen Bosses, notfalls militärisch gegen Drogenkartelle im südlichen Nachbarland vorzugehen, findet Waltz ganz großartig. Trumps neuer Verteidigungsminister Pete Hegseth war nicht nur in Guantánamo stationiert, sondern verteidigte auch wiederholt die menschenverachtende Behandlung dortiger Häftlinge. Während Trumps erster Amtszeit setzte er sich für die Begnadigung verurteilter amerikanischer Kriegsverbrecher ein. Das ist nicht die Austrocknung des Washingtoner Sumpfes, die Trump bereits 2016 und nun erneut 2024 versprochen hat. Trump holt sich handverlesene Kandidaten des industriell-militärischen Komplexes direkt ins Weiße Haus. Er weiß genau, was er tut. Anders als seine irregeleiteten Maga-Sympathisanten, die den „Orange Führer“ (Larken Rose) allen Ernstes für einen Anti-Establishment- und Anti-Kriegs-Präsidenten halten.
Wird unter Trump ein neuer Krieg beginnen? Das hängt nicht nur von Trump ab. Doch wer sich solche Leute ins Kabinett holt, kann nicht ernsthaft geltend machen, für Frieden zu stehen. Auch unter Trump werden in Arlington Gräber ausgehoben werden und Kinder um ihre Mütter und Väter weinen, die die unverantwortliche Entscheidung getroffen haben, sich für imperiale US-Interessen totschießen zu lassen, statt für ihre Familien da zu sein. Hätten diese Frauen und Männer eine andere Entscheidung getroffen ohne die Vergötzung des Militärs, den „Thank you for your service“-Anfeuerungen dumpfer Pseudo-Patrioten und das hohe Ansehen, das Veteranen aus schwer nachvollziehbaren Gründen in der Gesellschaft genießen?
Einige libertäre Amerikaner verteidigen den Veteranentag übrigens gerne mit dem Verweis, dabei würde ja auch an Soldaten gedacht und erinnert werden, die im Zweiten Weltkrieg Dienst getan hätten, in dem selbst freiheitsliebende, militärkritische Amerikaner einen gerechten Krieg sehen. Ich weiß nicht so recht. Wer Bomben auf deutsche und japanische Zivilisten geworfen und dafür nie Reue gezeigt hat, verdient dafür sicher keine Heldenverehrung. Als Beispiel für einen edel geführten, gerechten Krieg taugt die von der US-Regierung bewusst gesuchte militärische Auseinandersetzung mit Japan und Nazi-Deutschland jedenfalls nicht.
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