20. November 2024 10:00

Geopolitik des Weltraums Baustelle der Zukunft: Astropolitik

Und was sie mit 3D-Druckern auf dem Mond zu tun hat

von Axel B.C. Krauss

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Bildquelle: Corona Borealis Studio / Shutterstock Mond: Beliebte Spielwiese der Weltraumforschung

Als Peking verlautbarte, bis 2028 einen 3D-Drucker auf den Mond zu bringen, der aus Mondstaub Ziegel zum Bau von Installationen für die geplante internationale Mondbasis (ILRS, International Lunar Research Station) fertigen solle, stellte man nicht nur in den USA die Ohren auf. Die russische Raumfahrtagentur Roskosmos und ihr chinesisches Pendant CNSA (China National Space Administration) kündigten an, eine gemeinsame Basis auf dem Erdtrabanten zu errichten – für Forschungszwecke und natürlich zum Abbau wichtiger Ressourcen wie zum Beispiel Titanerz, Seltene Erden oder Helium-3.

Was nach Science-Fiction klingt, ist tatsächlich in Arbeit – und eröffnet zusammen mit ähnlichen amerikanischen sowie europäischen Plänen nicht nur großartige Chancen für die nahe Zukunft der Raumfahrt, sondern wirft auch viele rechtliche Probleme auf, die einer zügigen Klärung bedürfen. (die die USA bereits innehaben, siehe weiter unten) – sei es durch die technische Eroberung des erdnahen Umfeldes mit Satelliten oder den Abbau von Ressourcen auf erdnahen Himmelskörpern wie dem Mond oder Asteroiden.

Nicht zuletzt deshalb gibt es natürlich auch amerikanische Pläne einer Mondbesiedelung, allerdings scheint China den USA diesbezüglich zeitlich etwas voraus zu sein. Russland wiederum ist auf die Partnerschaft mit China angewiesen, da es seit dem Ende des Kalten Krieges raumfahrttechnisch zurückgefallen ist und dabei zusehen durfte, wie die Volksrepublik an ihm vorbeizieht. Zwar gibt es in Russland mehrere Raumfahrthäfen, sogenannte Kosmodrome, aber aus den bereits erwähnten technischen wie auch finanziellen Gründen sind sowohl China als auch die USA im Vorteil – Letztere vor allem dank der Verbilligung von Raketenstarts durch Elon Musks Firma „SpaceX“, deren Dienste nicht nur von westlichen, sondern auch vielen anderen Nationen genutzt werden, die Satelliten in den Orbit bringen wollen – darunter unter anderem die Afrikanische Union.

Apropos Satelliten: Auch hier werden erweiterte und verbesserte Abkommen nötig sein, da immer mehr Nationen ihre eigenen Satelliten in den Orbit wuppen. Zwar ist noch mehr als genug Platz – die US-Weltraumbehörde Nasa spricht von mehreren Hunderttausend (!) dieser Vehikel, die im erdnahen Weltraum Platz hätten –, doch wird man sich vor allem in Bezug auf die Beseitigung ausrangierter Satelliten einigen müssen (erste Vertragswerke wie zum Beispiel die amerikanischen „Artemis Accords“ gibt es bereits), da hier die Wahl der Methode von großer Bedeutung ist. Man könnte sie mithilfe anderer Satelliten, die über Greifarme verfügen, aus ihrer Umlaufbahn Richtung Erde stoßen, sodass sie beim Wiedereintritt verglühen – oder man nutzt sogenannte ASATs, also Antisatelliten-Waffen. Dann aber ist die Gefahr groß, dass sie bei ihrer Zerstörung Dutzende größerer sowie Hunderte, vielleicht gar Tausende kleiner Bruchstücke freisetzen, die für geraume Zeit weiter um die Erde kreisen und dabei natürlich andere Raumfahrzeuge beschädigen oder gar zerstören könnten.

Moskau zog bereits einigen Unmut auf sich, als es einen seiner alten Satelliten vom Himmel pustete. Das Gerät explodierte tatsächlich in Tausende kleinere Teile, die sich ausgerechnet auf derselben Höhe wie die internationale Raumstation ISS befanden. Wie Tim Marshall in seinem Buch „Die Geografie der Zukunft. Wie der Kampf um Vorherrschaft im All unsere Welt verändern wird“ schreibt, musste die Besatzung die Schubdüsen anwerfen und die Flughöhe korrigieren, sonst wäre es wohl zu einer Katastrophe gekommen. Solche Vorfälle beweisen die Wichtigkeit verbindlicher Abkommen, nach denen sich alle raumfahrenden Nationen richten sollten, um Streitigkeiten über den die Erde ohnehin schon in recht großer Zahl umkreisenden „Weltraumschrott“ zu vermeiden.

Was die Zerstörung des russischen Satelliten betrifft, so handelte es sich zudem eher um eine Demonstration der eigenen Fähigkeiten seitens des Kremls, im Kriegsfall auch fremde Satelliten vom Himmel zu holen, als um eine unvermeidliche Aktion. Denn das betreffende Gerät hätte eigentlich noch gar nicht außer Dienst gestellt werden müssen – man kann davon ausgehen, dass Moskau damit auch eine Botschaft à la „Guckt mal, wir können das auch!“ an die USA senden wollten, die Russland sowohl finanziell als auch technologisch voraus sind. Außer bodengestützten Raketen zur Zerstörung gibt es noch sogenannte KKVs (Kinetische Kill-Vehikel), die einen Satelliten mit extrem hoher Geschwindigkeit treffen und ihn dadurch zerbröseln. Doch wie gesagt, wird man sich hier andere Wege ausdenken müssen, sonst wird es irgendwann zu Streit kommen, wenn zahllose Trümmerteile die Raumfahrt anderer Länder behindern.

Etwas mehr als 7.500 Satelliten umkreisen bereits die Erde (Stand vom 1. Mai 2023), von denen 5.200 (!) US-Privatunternehmen oder dem Militär gehören. Die Vereinigten Staaten haben mit weit mehr als der Hälfte aller Satelliten also eine Quasivorherrschaft. Dagegen kann vorerst selbst das schnell wachsende chinesische Beidou-Satellitennetzwerk nicht mithalten, von anderen, kleineren Nationen ganz zu schweigen. Und da man im Kreml weiß, dass der Westen technologisch überlegen ist, besinnt man sich vor allem auf militärische Aspekte: Das Kalina-Laserwaffensystem im Nordkaukasus wird so leistungsfähig sein, dass es mit seinen Strahlen Satelliten vernichten kann. Besonders problematisch sind solche Waffen, unabhängig davon, welche Länder sie entwickeln, auch deshalb, weil die abgefeuerten Laserstrahlen für das menschliche Auge unsichtbar sind. Sie hinterlassen im Gegensatz zu konventionellen Waffen keine Rückstände, die chemisch nachweisbar wären – weder am Abschuss- noch am Aufschlagsort. Man darf sich potenzielle Lasergefechte also nicht so vorstellen, wie Hollywood sie gerne zeigt: Grüne Strahlen für die Guten, rote für die Bösen. Stellt sich dann die Frage: Wer war’s? Jedenfalls werden sich die Fachjuristen für Weltraumrecht in den nächsten Jahren nicht über Arbeit beklagen können.

Wer das Rennen zum Mond machen wird, hängt von den technischen Erfindungen der nächsten paar Jahre ab. Natürlich auch davon, wie schnell der Weg dorthin zurückgelegt werden kann. Die bislang verfügbaren Raketen mit Fest- oder Flüssigtreibstoff könnten bald tatsächlich überholt sein: Sogenannte Sonnensegelschiffe, die den Lichtdruck unseres Zentralgestirns nutzen, können – zumindest in der Theorie – weitaus höhere Geschwindigkeiten erreichen. Die Rede ist von zehn bis 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit, allerdings hängt das ganz stark vom Gewicht der zu transportierenden Lasten und natürlich von der Größe der Sonnensegel ab. Eine mögliche Reise zum Mars könnte sich im Falle der erfolgreichen Entwicklung eines superschnellen Schiffes dieser Art jedoch dramatisch verkürzen. Die internationale Fachwelt streitet allerdings über den Sinn von Marsmissionen: Statt gleich in solche Fernen zu schweifen, argumentieren sie, sollten erst mal die Möglichkeiten in der näheren Umgebung wie dem Mond ausgeschöpft werden. Elon Musk, der einmal sagte, er wolle „auf dem Mars sterben“ – in einer Marskolonie, die seinen Vorstellungen zufolge eine Million (!) Menschen beherbergen soll –, wird sich aufgrund der bisher ungelösten technischen Probleme für solche interplanetaren Trips noch etwas gedulden müssen. Weshalb er seine Wunschjahreszahl für die Ankunft dort ja auch schon stark nach oben korrigierte.

Wie eingangs erwähnt, will China bis spätestens 2028 einen 3D-Drucker zur Herstellung von Baumaterial für die ILRS auf den Mond bringen; die USA sind ein wenig bescheidener und haben die Jahre 2030 bis 2035 anvisiert. Was den amerikanischen „Lunar Gateway“ betrifft – eine Art Raumbahnhof, der den Mond umkreisen und als Zwischenstation für Astronauten auf der Weiterreise zur Mondoberfläche dienen soll –, möchte man jedoch zeitlich mit Peking gleichziehen: 2028 soll es so weit sein. Die nächsten Jahre dürften also sehr spannend werden, was die Entwicklungen in der Raumfahrt betrifft – und sie bergen leider auch viel Konfliktpotenzial, das am besten schon im Vorfeld rechtlich gelöst werden sollte. Es ist nicht anzunehmen, dass große Nationen dauerhaft von anderen abhängig sein wollen, wenn es zum Beispiel um wichtige Rohstoffe geht: Schon heute werden knapp 60 Prozent der für die modernen Elektronik- und Halbleiteeindustrien (auch für die sogenannte „Energiewende“) unverzichtbaren Seltenen Erden in China gefördert. Was die Weiterverarbeitung betrifft, ist es noch krasser: Hier liegt der globale Marktanteil der Volksrepublik bei satten 87 Prozent, und was daraus produzierte Magnetprodukte betrifft, sogar bei 94 Prozent. Würde China sich einen guten, vielleicht sogar den größten Teil der Seltenen Erden auf dem Mond sichern, wären zunehmende Spannungen unvermeidlich.

Doch bevor es so weit ist, braucht es klare Regeln für den Satellitenverkehr. Marshall zufolge hat ein führender Weltraumforscher bereits vor einer möglichen „Kaskadenreaktion“ gewarnt: Es sei möglich, dass eine große Menge Trümmerteile eine Kettenreaktion auslöse, die fast den gesamten Satellitenbestand auslöschen könnte. Welche Folgen ein solches Ereignis für die moderne elektronische Kommunikation weltweit haben könnte, braucht nicht erklärt zu werden.

Bis nächste Woche.


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