03. März 2025 16:00

Kulturelle Kluft zwischen USA und Europa Deutsche Meinungsfreiheitslebenslüge

Redefreiheitsbeschränkungen garantieren kein „Nie wieder“. Eher ist das Gegenteil der Fall.

von Robert Grözinger

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Bildquelle: Shutterstock Kletten: Wie diese an Klamotten können sich Schwachköpfe, Narzissten und Psychopathen ohne Meinungsfreiheit viel länger an der Macht klammern als mit ihr.

Die Rede des US-Vizepräsidenten J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor zwei Wochen beleuchtete die tiefe kulturelle Kluft zwischen den USA und fast dem ganzen Rest der westlichen Welt, insbesondere Europa. Er hob die fundamental unterschiedliche Vorgehensweise in Sachen Rede- und Meinungsfreiheit hervor. Er bezeichnete – und das empörte die versammelte Elite des alten Kontinents mehr als alles andere – die jüngsten Einschränkungen dieser Freiheit als eine größere Bedrohung für Europa als Russland oder China. 

Bis zu seiner Rede konnten viele der Illusion nachhängen, dass sich der gesamte Westen in dieser Sache grundsätzlich einig ist. Diese Illusion ist jetzt geplatzt. Sie war eine jahrhundertalte Lebenslüge. Vances Rede erinnert uns daran, dass viele Vorfahren vieler Wähler Trumps Europa genau deshalb verließen, weil in der alten Heimat Rede- und Meinungsfreiheit viel zu sehr eingeschränkt war. Das heißt logischerweise: Zurück blieben zum größten Teil jene, die sich an diesem Maß an Einschränkungen nicht störten. Und mehr oder weniger gleichgesinnte Nachfahren zeugten. Das wirkt sich aus. Bis heute.  

Im Kielwasser dieser Rede waren hektische Rechtfertigungsversuche der sich plötzlich von Washington isoliert sehenden Elite des alten Kontinents zu hören. Typisch dafür war dead-Kanzler-walking Olaf Scholz, der sich in seiner Antwort auf Vance mit einem „Nie wieder“ als „Antifaschist“ zu präsentieren versuchte, dessen Staat heldenhaft seine ganze Gewalt auf Menschen herabfahren lässt, die etwa den Bundeskinderbuchminister einen Schwachkopf nennen. Während gleichzeitig auch von seiner Partei und Regierung importierte Messerfachmänner ihre Kunst ungestört an Zivilisten, darunter auch Kinder und Renter, ausüben dürfen. Und steuerfinanzierte, marodierende Banden seine politische Konkurrenz kurz und klein schlagen.   

Der europäischen „Elite“ zur Hilfe eilte der amerikanische Nachrichtensender CBS. In einem Interview mit US-Außenminister Marco Rubio äußerte sich die Moderatorin kritsch: Als Vance die Rede in München hielt, „stand er in einem Land, in dem die freie Meinungsäußerung als Waffe eingesetzt wurde, um einen Völkermord zu begehen“. Mit anderen Worten, so Fraser Myers sarkastisch auf „spiked-online.com“, „die Redefreiheit führte zu den Nazis und den Gaskammern.“

Diese Aussage stellt die tatsächliche Geschichte auf den Kopf, entlarvt Myers diese Lebenslüge des deutschen Staates und aller „Ich-bin-für-Meinungsfreiheit-aber“-Etatisten: „Die Wahrheit ist, dass die Nazis und ihre Ideen vor ihrer Machtübernahme regelmäßig zensiert wurden. Antisemitismus und ‚Beleidigung von Glaubensgemeinschaften‘ waren im Weimarer Deutschland strafbare Handlungen. Führende Nazis, darunter Joseph Goebbels, Theodor Fritsch und Julius Streicher, wurden wegen Verstößen gegen diese Gesetze verfolgt. Streicher wurde zweimal inhaftiert. Die Redakteure der NS-Zeitung ‚Der Stürmer‘ wurden in mindestens 36 Fällen vor Gericht gestellt. Insgesamt wurden in den 15 Jahren vor Hitlers Machtübernahme mehr als 200 antisemitische Äußerungen strafrechtlich verfolgt.“

Die Nationalsozialisten nutzten den Opferstatus, den sie damit in den Augen eines wachsenden Teils der Öffentlichkeit bekamen, weidlich aus. Diese Verurteilungen wegen Meinungsäußerungen, also das genaue Gegenteil der Meinungsfreiheit, mögen daher sehr wohl zu den Wahlerfolgen der Nazi-Partei in der späten Weimarer Republik substanziell beigetragen haben.  

Myers stützt seine Äußerung auf einen Auszug aus einem 2005 veröffentlichten Buch mit dem Titel „The Tyranny of Silence“. In diesem auf der Webseite „indexoncensorship.org“ zu findenden Text schreibt der Autor Flemming Rose: „Die weit verbreitete Behauptung, dass Hassreden gegen die Juden ein Hauptfaktor für den Holocaust waren, lässt sich empirisch nicht belegen. Tatsächlich könnte man mit Nachdruck behaupten, dass das Verbot der Hassrede dem Holocaust den Weg geebnet hat, da es Streicher und anderen Nazis eine glorreiche Gelegenheit bot, die jüdische Gemeinschaft in den deutschen Gerichtssälen und in der nationalen Presse zu ködern, die ihnen ansonsten nur wenig Tinte gespendet hätte. Für die Demokraten der Weimarer Republik wäre es eine weitaus wirksamere Strategie gewesen, die Nazi-Propaganda in einer freien und offenen, öffentlichen Debatte zu thematisieren, aber im Europa der Zwischenkriegszeit war das Vertrauen in die freie Meinungsäußerung am Ende.“

Rose verweist in seinen obigen, 2012 geposteten Ausführungen auf einen Artikel im „American Spectator“ aus dem Jahr 2009 mit dem Titel „Insult to Injury“ von Christopher Orlet. Darin heißt es: „Einige werden argumentieren, dass Gesetze gegen Hassreden den Holocaust verhindert hätten oder einen zweiten Holocaust verhindern würden. Aber das ist unglaublich naiv. Im kaiserlichen Deutschland und in der Weimarer Republik gab es Gesetze gegen Aufstachelung zum Hass, darunter auch ein Gesetz, das die Verunglimpfung der jüdischen Religion verbot (Paragraph 166 des Weimarer Strafgesetzbuches). In der Tat waren die Redegesetze in Europa in den 1920er Jahren sogar noch drakonischer als die heutigen Gesetze. Das alles spielte keine Rolle, denn schließlich macht ein Diktator seine eigenen Gesetze. Letztlich haben die Redegesetze die Situation nur verschlimmert.“

Diesen Paragraphen 166 gibt es laut Wikipedia seit der Konstitutierung des Deutschen Kaiserreichs im Jahr 1871 und wurde vom Preußischen Strafgesetzbuch übernommen. Während im Zuge der Aufklärung der Tatbestand der Blasphemie aus Strafgesetzbüchern verschwand, heißt es auf der Seite des Online-Lexikons, wurde seit dem Jahr 1851 laut Paragraph 135 des Preußischen Strafgesetzbuchs mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft, wer christliche Kirchen verspottete oder Gotteslästerung betrieb.   

Weiter schreibt Wikipedia: „Das Reichsstrafgesetzbuch des Deutschen Reichs übernahm diese (preußische) Strafregelungen 1871 in den Paragraphen 166. Neben der Gotteslästerung wurde auch bestraft, wer öffentlich eine der christlichen Kirchen oder eine andere mit Korporationsrechten innerhalb des Reichsgebiets bestehende Religionsgesellschaft oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche beschimpft oder in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Ort beschimpfenden Unfug verübt.“

Zwar wurde im Jahr 1906 „die Forderung nach einer Abschaffung des Gotteslästerungsparagraphen laut.“ Aber erst im Jahr 1969 „wurde klargestellt, dass nicht Gott an sich durch den Paragraphen geschützt werden kann. Die Neufassung wählte bewusst den öffentlichen Frieden als schützenswertes Rechtsgut und nicht das religiöse Empfinden des Einzelnen.“ Der Straftatbestand lautet seitdem: „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“.

Auch die USA kennen Grenzen der Redefreiheit. Diese sind aber sehr viel weiter gefasst als in Europa üblich. Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Gottwald veröffentlichte im Dezember 2021 auf der Seite „anwalt.de“ einen Artikel darüber. Er untersuchte dabei, „wo im US-amerikanischen Recht die Grenze zwischen (erlaubter) freier Rede und (verbotener) sogenannter ‚Hate Speech‘ liegt.“

Der Oberste Gerichtshof der USA, so Gottwald, habe „vier Kategorien von Rede identifiziert, die nicht unter die verfassungsrechtliche Garantie der freien Rede fallen.“ Der Autor listet auf: „Das Unzüchtige und Obszöne, das Profane, das Verleumdende“ sowie „beleidigende oder kämpferische Worte“.

Der Autor beschäftigt sich dann vor allem mit den „kämpferischen Worten“ („fighting words“) und erklärt, was damit gemeint ist. Eine Grenze sei in den USA dort erreicht, „wo die freie Rede eine ‚clear and present danger‘ hervorruft, also eine klare und unmittelbare Gefahr, die über Unannehmlichkeiten, Ärger oder eine gewisse Unruhe hinausgeht.“ Dazu gehören etwa „Aufrufe, die Regierung gewaltsam (!) zu stürzen“. Gottwald führt weiter aus, dass Aufrufe zur Gewalt und zum Gesetzesbruch vom Grundrecht der freien Rede nicht geschützt seien, „wenn sie unmittelbar zu einer Gesetzesverletzung aufrufen und gleichzeitig auch geeignet sind, solche Handlungen zu provozieren.“

Ansonsten aber nicht. Gottwald: „Das (US-)Verfassungsgericht zieht hier eine Trennlinie zwischen dem Verbreiten einer abstrakten Doktrin, zum Beispiel des kommunistischen Manifests, auf der einen Seite und konkreten Umsturzplänen auf der anderen Seite. Nur solche konkreten Pläne stellen eine ‚clear and present danger‘ dar. Die bloße Verbreitung radikaler Ideen dagegen ist vom Grundrecht der freien Rede geschützt.“

Außerdem: „Nicht vom Recht auf freie Rede gedeckt sind sogenannte ‚true threats‘. Das sind Aussagen, mit denen ein anderer in ernst zu nehmender Weise mit rechtswidriger Gewalt bedroht wird.“

Und das zeigt die ganze Kluft zwischen den USA und Deutschland sowie Europa auf: Einen unfähigen Minister öffentlich „Schwachkopf“ zu nennen, fällt unter die Redefreiheit, weil dieses Wort in keinster Weise eine „klare und unmittelbare Gefahr“ darstellt.

Vance hatte also völlig Recht, auf diese Diskrepanz hinzuweisen und die Frage aufzuwerfen, ob die USA tatsächlich in eine Wertegemeinschaft von Staaten gehört, in denen die Redefreiheit institutionell mit Füßen getreten wird. Da helfen auch noch so viele „Nie wieder“-Begründungen nichts, denn sie sind bestenfalls ahistorisch und naiv, schlimmstenfalls aber eine moralbefreite Verharmlosung abscheulichster Greueltaten vergangener Tyranneien.

Natürlich gibt es auch in den USA viel engere Einschränkungen der Meinungsfreiheit als die eben beschriebenen, vor allem an den Universitäten. Das ist zwar traurig und ein Zeichen des Voranschreitens etatistischen Denkens auch in Amerika, aber hier handelt es sich nicht um eine staatliche Redefreiheitsbeschränkung, sondern um eine Auswirkung der Machtübernahme woker Ideologen an den Bildungseinrichtungen. Darüber hinaus, so hört man, will die gegenwärtige US-Regierung auch die dortigen Meinungseinschränkungen bekämpfen.    

Rede- und Meinungsfreiheit sei „nicht so sehr ein Recht, und schon gar nicht eines, das vom Staat wohlwollend gewährt wird, sondern der Pfeiler, auf dem eine stabile und dennoch dynamisch anpassungsfähige Gesellschaft beruht und gegründet ist“, schreibt Jordan Peterson, der gegenwärtige Superstar der konservativ-klassisch-liberalen Bewegung gegen den bleiernen Wokismus im Westen, in seinem jüngst erschienenen Buch „We Who Wrestle With God“ (deutsch: „Gott. Das Ringen mit einem, der über allem steht“).

Peterson begründet das mit dem Hinweis auf den „Bund mit Gott“, also der Einhaltung der biblischen Gebote Gottes. Auch dieser Bund kennt Redebeschränkungen, und diese stimmen weitgehend mit den oben genannten vier Ausnahmekategorien des Obersten Gerichtshofs der USA überein. Der kanadische Psychologe führt weiter aus: „Eine Gesellschaft, die sich genug von dem richtigen Bund bewahrt hat, so dass einige wenige oder sogar ein einziger es noch wagen, innerhalb seiner Beschränkungen frei zu sprechen, kann durch diesen Glauben und diesen Mut vor einer völligen Katastrophe geschützt werden.“

Mit anderen Worten: Eine Gesellschaft, in dem es nicht einmal ein Einziger mehr wagt, frei zu sprechen, ist reif für eine Katastrophe. Wenn man zum Beispiel als Schwachköpfe empfundene Menschen in der Regierung nicht mehr straflos Schwachköpfe nennen darf, ist die Möglichkeit, Mitmenschen vor ihnen zu warnen, sehr eingeschränkt. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Leute an der Macht bleiben, weitere Schwachköpfe – oder auch Narzissten, Psychopathen und sonstiges Gesocks – an die Macht kommen und sich dort klettenartig festhaken.

Leuten wie unserem dead-Kanzler-walking schreibt Peterson ins Stammbuch: „Der Staat kann sich daher niemals in einer Position befinden, in der er das Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigtermaßen abschaffen oder verweigern kann, da er bei seiner Gründung auf dieses Recht angewiesen war und auch heute noch auf Kritik, Korrektur und Wiederauferstehung angewiesen ist.“

Die europäische Herrscherkaste ist aber blind und taub gegenüber solchen Warnungen, oder stellt sich zumindest so. Sie ist die negative Auslese einer Gesellschaft, aus der sich bereits vor zwei, drei Jahrhunderten jene verabschiedeten, die den Kausalzusammenhang von freier Rede und „dynamisch anpassungsfähigen“ und somit prosperierenden Gesellschaften verstanden. Beide Seiten haben ihr jeweiliges Wissen darüber und den Umgang damit an ihre Nachfahren weitergegeben. In den vergangenen 60 Jahren hat es zwar auch in den USA sehr starke Bestrebungen gegeben, die Redefreiheit auf europäische Art einzuschränken. Es ist unser Glück, dass dies offenbar noch nicht in hinreichendem Maß gelungen ist.

Quellen:

Fraser Myers: No, free speech did not cause the Holocaust (spiked-online.com)

Flemming Rose: Words and Deeds (Auszug aus dem Buch „The Tyranny of Silence“ vom selben Autor, indexoncensorship.org)

Christopher Orlet: Insult to Injury (American Spectator)

Wikipedia über Paragraph 166 Strafgesetzbuch (Abschnitt Geschichte und kriminalpolitische Bedeutung)

Dr. Wolfgang Gottwald: Die Grenzen der Redefreiheit (US Recht) (anwalt.de)


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