24. April 2025 06:00

Arbeitswelt Kündigungsschutz: Sinnvoll oder schädlich?

Eine nähere Betrachtung

von Olivier Kessler

von Olivier Kessler drucken

Artikelbild
Bildquelle: Pormezz / Shutterstock Entlassung: Eine persönliche Katatrophe – und zugleich eine neue Chance?

Die marxistische Lehre, die im heutigen sozialdemokratisierten Meinungsklima zur Mainstream-Ansicht geworden ist, geht davon aus, dass es scharfe Interessengegensätze zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt. Diese beiden Gruppen stünden miteinander in einer Art ständigen Kriegszustands. Doch diese Klassenkampf-Rhetorik hat kaum etwas mit realen Gegebenheiten zu tun hat.

Im Arsenal der Arbeitgeber sei das Damoklesschwert der Kündigung eine schwere Waffe. Der Arbeitnehmer sei dem Arbeitgeber also auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und von diesem abhängig. Arbeitnehmer könnten auch nicht auf Augenhöhe mit Arbeitgebern verhandeln. Es gelte daher von Staates wegen Schutzmaßnahmen für die Opfergruppe der Arbeitnehmer zu ergreifen. Dafür sei der „Kündigungsschutz“ eine wichtige Maßnahme.

Unterstützt wird die Behauptung eines Machtungleichgewichts auch durch die Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“. Demnach ist es der Arbeitgeber, der etwas gibt und sich in einer mächtigeren Position befindet, während der Arbeitnehmer lediglich etwas in Empfang nimmt, das er selbst nicht unter Kontrolle hat.

Doch eigentlich ist es doch gerade umgekehrt: Es ist der Arbeitnehmer, der seine Arbeit anbietet, sie also gibt. Der Arbeitgeber hingegen gibt keine Arbeit. Er sucht sie und vergütet diese entsprechend. Insofern müssten die Arbeitgeber korrekterweise als „Arbeitnehmer“ bezeichnet werden und die Arbeitnehmer als „Arbeitgeber“. Doch bleiben wir der Einfachheit halber bei den gewohnten Begrifflichkeiten. Das Missverständnis, das staatlichen Kündigungsschutzmaßnahmen zugrunde liegt, geht nämlich noch viel tiefer.

Die behaupteten Interessengegensätze in allen Bereichen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern respektive der angebliche Kriegszustand zwischen den beiden Gruppierungen gibt es im behaupteten Umfang nämlich gar nicht. Ganz im Gegenteil: Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden gar nicht erst freiwillig miteinander kooperieren und Arbeitsverträge abschließen, wenn sie keine gemeinsamen Interessen hätten. Gerade die Tatsache eines zustande gekommenen Vertrags zeigt ja, wie sehr beide Parteien ein Interesse an einer entsprechenden Zusammenarbeit haben.

Der Arbeitgeber ist es, der glaubt, eine Gelegenheit auf dem Markt erkannt zu haben, um anderen Menschen einen Nutzen zu stiften und somit Geld zu verdienen. Er organisiert die notwendigen Werkzeuge, Maschinen und Arbeitskräfte und die Finanzierung dieser Mittel, um die entsprechenden Güter oder Dienstleistungen produzieren zu können. Das heißt: Er zahlt Arbeitnehmern schon dann einen Lohn, wenn er noch gar keine Produkte und Dienstleistungen verkaufen konnte.

Davon profitieren die Arbeitnehmer, die kein persönliches Risiko auf sich nehmen müssen (außer jenes des Arbeitsplatzverlusts), um zu ihrem Einkommen zu gelangen. Für die Arbeitnehmer ist dies ein guter Deal, da ihr Einkommen ohne die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mittel und die übernommenen Transaktionskosten zur Vermittlung von Arbeitseinsätzen tiefer ausgefallen wäre. Denn dann hätten sie Dinge ohne entsprechendes Kapital produzieren müssen, was wesentlich weniger ergiebig gewesen wäre. Oder sie hätten selbst das Risiko eingehen müssen, unternehmerisch tätig zu sein, was sie mehr Zeit gekostet und das Risiko des persönlichen Kapital- und Reputationsverlusts mit sich gebracht hätte. Es ist also nicht so, dass Arbeitnehmer in einer wesentlich unkomfortableren Position sind als Arbeitgeber.

Das sozialdemokratische Verständnis des Arbeitsmarktes geht zudem fälschlicherweise davon aus, dass Arbeitgeber ihre Angestellten pausenlos auf die Straße werfen wollten, um ihre Profite zu maximieren, und es daher einen Kündigungsschutz brauche. Doch auch diese Annahme ist unlogisch. Firmen benötigen Angestellte, um ihre Ziele zu realisieren. Natürlich können sich Konstellationen zwischen Arbeit und Kapital in einzelnen Branchen zum Beispiel aufgrund technologischer Innovationen ändern. Doch das heißt nicht automatisch, dass alle Firmen ihre Angestellten jederzeit am liebsten loswerden wollten. Sonst hätten sie ja mit ihnen keine entsprechenden Arbeitsverträge geschlossen.

Es ist jedoch ein Grundgesetz einer erfolgreichen Volkswirtschaft, dass der Arbeitsmarkt liberal organisiert sein muss. Das bedeutet, dass Arbeitsverträge flexibel und dynamisch angepasst und auch wieder aufgelöst werden können, wenn sich die Bedarfssituation ändert. Wir dürfen nicht vergessen, warum wir überhaupt zur Arbeit gehen: Es geht darum, die Bedürfnisse unserer Mitmenschen zu erfüllen und damit deren Lebensstandard zu erhöhen, damit sie uns im Gegenzug eine Entschädigung dafür bezahlen – und sich so auch unser Lebensstandard erhöht.

Wenn sich unsere Bedürfnisse ändern (und das tun sie die ganze Zeit), so muss sich auch die Produktionsstruktur der Volkswirtschaft ändern. Ansonsten würden mehr und mehr Dinge produziert, die gar niemand mehr haben möchte. Es käme zu immer größerer Ressourcenverschwendung und steigender Armut. Wenn wir also wollen, dass es uns gut geht, müssen wir Arbeiten verrichten, die auch tatsächlich gefragt sind. Wird eine Arbeitsstelle aufgrund sich ändernder Bedürfnisse überflüssig, so muss es die Freiheit geben, diese Stelle wieder aufzulösen, genauso wie es die Freiheit braucht, dass sich jeder weiterbilden und eine neue Stelle suchen oder schaffen darf. Ein Kündigungsschutz ist deshalb wohlstandsbehindernd, weil seine Befürworter fälschlicherweise von einer statischen Volkswirtschaft ausgehen, in der die Arbeitnehmer immer das genau Gleiche tun, obwohl sich die menschlichen Bedürfnisse laufend ändern.

Kündigungsschutz kann zum Beispiel bedeuten: Es wird den Arbeitgebern erschwert, Kündigungen auszusprechen. Sie sind in der Beweispflicht, dass es keine anderen Lösungen mehr gäbe außer die Kündigung. Kündigungsschutz kann auch ein Verbot bedeuten, Personen ab einem bestimmten Alter zu entlassen. Wie auch immer man einen gesetzlichen Kündigungsschutz aufsetzt, bedeutet dies für die Firmen größere Aufwendungen und damit höhere Kosten, um jemanden zu beschäftigen.

Je restriktiver der gesetzlich verordnete Kündigungsschutz ausfällt und je illiberaler der Arbeitsmarkt wird, desto eher werden sich Firmen überlegen, ob es wirklich nötig ist, noch jemanden anzustellen. Jobgelegenheiten werden schwinden. Jene, die an der Ausübung einer Arbeit interessiert sind, werden auf dem Stellenmarkt weniger Möglichkeiten finden. Die Situation wird ungemütlicher. Natürlich haben es jene, die bereits einen Job haben, mit einem Kündigungsschutz im Rücken vordergründig etwas komfortabler, doch nur zum Preis eines asozialen Ausschlusses anderer Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt und zum Preis eines gesamtgesellschaftlichen Wohlstandsverlusts. Der vermeintliche Komfort des Kündigungsschutzes entpuppt sich als Illusion.

Hinter der Forderung eines Kündigungsschutzes steht oft die Angst, die menschliche Arbeitskraft könnte bald vollständig durch Maschinen ersetzt werden. Doch diese Angst ist unbegründet: Menschliche Bedürfnisse sind unendlich. Es gibt immer Dinge, die man aus Sicht des Einzelnen noch verbessern oder outsourcen könnte, um zum Beispiel mehr Freizeit zu gewinnen oder an Komfort hinzuzugewinnen. Daher wird auch Arbeit potenziell unendlich nachgefragt, wenn es keine gesetzlichen Beschränkungen des Arbeitsmarktes gibt. Das Arbeitsrecht sollte also möglichst gelassen sein und auf staatliche Kündigungsschutzvorschriften verzichten.


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.