28. April 2025 21:00

Deutscher Bundestag Noch eine Brandmauer-Farce

SPD will größeren Fraktionssaal für AfD nicht hergeben

von Klaus Peter Krause

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Bildquelle: trabantos / Shutterstock Berliner Reichstag: Im Inneren „verteidigt“ die SPD gerade vehement „ihren“ Saal

Im Plenum des Bundestages hat es immerhin geklappt: Als seine neuen Mitglieder am 25. März zu ihrer ersten, der konstituierenden Sitzung nach der jüngsten Neuwahl (23. Februar) zusammentraten, war für alle im Hohen Haus ein Sitzplatz vorhanden. Niemand ging leer aus, niemand musste – wie bei dem Spiel „Die Reise nach Jerusalem“ – befürchten, dass es weniger Sitzplätze gab als Abgeordnete, also keinen Platz abzubekommen, folglich schnellstens einen ergattern und anderen zuvorkommen zu müssen, kurzum: Alle fanden Platz. Ohnehin waren sie weniger geworden als in der Legislaturperiode zuvor: „nur“ noch 631 statt 735.

Deutlich größer geworden ist dagegen die Zahl der AfD-Abgeordneten (152 statt 83 in der Vorperiode). Aber auch von ihnen ging – oh, Wunder – keiner leer aus. Selbst Teile von ihnen müssen nicht zur Strafe stehend an den Sitzungen teilnehmen, wohl gar noch schuldbewusst mit gesenktem Kopf, weil sie dieser so schrecklichen rrreeechtsextremen Gott-sei-bei-uns-Partei angehören. So weit geht das Brandmauer-Getöse dann doch nicht. Aber der AfD-Fraktion den Platz verweigern will die SPD-Fraktion an anderer Stelle und dort Platzhirsch bleiben. Wir erleben eine weitere Brandmauer-Farce.

Es geht um den größeren Fraktionssaal für die AfD im Bundestag

Bekanntlich pflegen die Bundestagsfraktionen Sitzungen auch unter sich allein abzuhalten. Dafür stehen ihnen Säle zu, Fraktionssäle. Die liegen im dritten Obergeschoss des Reichstagsgebäudes. Die AfD will einen größeren als bisher. Den soll sie auch bekommen, den der FDP, die keinen mehr braucht, weil sie abgewählt ist. Das sind 251 Quadratmeter. Der vorherige der AfD, der Saal „Paulskirche“, kommt nur auf 151. Aber die AfD ist nach der CDU/CSU die zweitgrößte Fraktion und ihrer Zahl nach stärkste Oppositionspartei. Daher besteht sie darauf, auch den zweitgrößten Fraktionssaal zu beanspruchen. Der trägt den Namen von Otto Wels und hat 462 Quadratmeter. In dem sitzt bisher die SPD und will dort partout sitzen bleiben. Den größten Saal mit 463 Quadratmetern belegen die beiden Unionsparteien.

Fraktionssäle sind keine Erbhöfe

Die Sitzenbleiber-SPD kommt im Bundestag jetzt nur noch auf 120 Sitze und will der AfD nicht weichen. Das ist wider die Gepflogenheit. Die besagt: Die größeren Fraktionen brauchen samt ihren Zuarbeitern mehr Platz und bekommen daher auch die größeren Säle. Fraktionssäle sind keine Besitztümer für immer und ewig. Aber die SPD klebt an ihrem Saal, als sei er ein Erbhof. Otto Wels hat sie ihn genannt, weil dieser der letzte Fraktionsvorsitzende der SPD im Reichstag der Weimarer Republik gewesen ist, bis heute bekannt für seine Rede gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz. Den Raum behalten zu wollen, ist zwar dreist, aber ihn ausgerechnet an die böse AfD abgeben zu müssen: für SPD-Genossen sehr bitter.

Braucht die SPD für ihre große Wahlniederlage optischen Trost?

Jeder Raum im Bundestag ist mit einer Nummer gekennzeichnet, auch die Sitzungssäle. Aber daneben kann jede Fraktion dem ihren auch einen Namen geben. Muss sie aus- und in einen anderen umziehen, kann sie den Namen mitnehmen und den neuen Raum ebenso nennen. Das weiß auch die SPD. Trotzdem sperrt sie sich gegen den Umzug. Warum? Es mag sein, dass sie mit ihrem niedrigsten Bundestagswahlergebnis aller Zeiten (16,4 Prozent) und dem Bedeutungsverlust so gekränkt hadert, dass sie meint, mit dem zweitgrößten Fraktionssaal wenigstens optischen Trostes für die Niederlage zu bedürfen. Ja, Niederlagen sind schmerzhaft.

Es sieht sehr danach aus, dass die SPD ihren Saal behält

Aber die SPD kann hoffen, dass es bleibt, wie es ist. Denn über die Verteilung der Sitzungssäle befindet der Ältestenrat des Bundestages. Einigt er sich nicht friedlich schiedlich, wie es dort am liebsten geschieht, muss letztlich abgestimmt werden. Der neue hat sich aber, anders als der Bundestag, noch nicht einmal konstituiert. Das kann noch dauern, muss aber spätestens bis kurz vor der Kanzlerwahl geschehen, weil der Ältestenrat für diese Bundestagssitzung die Tagesordnung festlegen muss. Aus den Fraktionen gehören ihm 23 Mitglieder an. Die CDU/CSU stellt davon acht, die AfD sechs, die SPD vier, die Bündnis-Grünen drei und die einstige SED (heute Die Linke) zwei. Ebenfalls im Rat sitzt das Bundestagspräsidium, also Julia Klöckner als Präsident und ihre Stellvertreter. Die Kanzlerwahl ist am 6. Mai vorgesehen.

„Es geht nicht um ‚ersessenes“ Recht, sondern um Diskriminierung der AfD“

Darüber, dass der AfD der zweitgrößte Fraktionssaal verwehrt wird, hatte am 11. April zuerst AfD-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann auf der Plattform X informiert. Diese Information wohl als Erster aufgegriffen hat am 12. April der Info-Dienst „Apollo News“ (siehe Link unter dem Beitrag). Noch am gleichen Tag reagierte AfD-MdB Peter Boehringer: „Die Antidemokraten der SPD machen mal wieder antidemokratische Sache mit allen anderen antidemokratischen Altparteien. Was leider auch ‚Apollo‘ hier falsch darstellt, ist folgende wichtige Info: Es gibt im Reichstag keine fixen Namen von Fraktionssälen! Fraktionen wechseln regelmäßig nach BT-Wahlen mit neuen Stärkeverhältnissen die Säle! Die AfD etwa kommt nun in der dritten Legislatur in den dritten, jeweils neuen Saal. Und jedesmal nahmen beziehungsweise nehmen wir unseren Fraktionssaal-Namen ‚Paulskirche[nsaal]‘ mit! Die SPD könnte also problemlos den Namen ‚Otto Wels‘ in jeden anderen Saal mitnehmen!! Das ist völliger Standard im Bundestag nach jeder Wahl. Und den Saal ‚Otto Wels‘ gab es im Reichstag auch nicht schon seit 1933 beziehungsweise 1949, sondern erst seit 1999! Hier geht es nicht um ‚ersessenes‘ Recht, sondern nur um Diskriminierung der eindeutig zweitgrößten Fraktion, der AfD!“

Was der AfD demokratisch zusteht, wird sie wohl abermals nicht kriegen

Dass der AfD als zweitstärksten Fraktion der zweitgrößte Sitzungssaal zusteht, ist also herkömmliche Übung, doch mit den Herkömmlichkeiten brechen die anderen Bundestagsparteien gegenüber der als Schmuddelkind behandelten AfD noch immer. Diese demokratische und demokratisch gewählte Partei hat sinnbildlich gefälligst am Katzentisch zu bleiben. Die „Brandmauer“ gegen sie bröckelt zwar auch schon auf Bundesebene, wird aber bei der Entscheidung über den Sitzungssaal festgemauert wohl bleiben. Sollen sich die lieben 152 AfD-Kollegen doch auf den 251 Quadratmetern zusammenquetschen und sich das Häuflein der 120 SPD-Mitglieder auf den 462 Quadratmetern verlieren. Die sechs AfD-Mitglieder im Ältestenrat werden also überstimmt werden. Was der AfD demokratisch zusteht, wird sie wohl abermals nicht kriegen. Oder sollte sich vielleicht doch ein kleines Wunder einstellen?

„Apollo News“: AfD wird zweitgrößter Fraktionssaal verwehrt – SPD darf Otto-Wels-Saal behalten


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