Der moderne Staat: Woher kommt er, wohin hat er geführt?
Eine Zusammenfassung des Vortrags von Roberta Modugno

Auf der diesjährigen Libertarian Scholars Conference wurde von Roberta A. Modugno ein Vortrag zur Entstehung des modernen Staates („The Making of the State“) gehalten, der wegen seiner Bedeutung für das libertäre Staatsverständnis hier zusammenfassend dem deutschsprachigen Leser zugänglich gemacht werden soll.
Der Ausgangspunkt der Darstellung ist die Grundthese, dass eine realistische Betrachtung des Staates von seiner Historizität ausgehen muss. Der Staat ist keine ewige Einrichtung. Er ist geschichtlich. Der moderne Staat ist in den Anfängen der Neuzeit zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert in Kontinentaleuropa entstanden. Er beinhaltet einen Bruch mit der politischen Machtstruktur, die die europäische Geschichte vorher fast ein Jahrtausend lang geprägt hatte. Vorher war die Macht nicht zentralisiert, sondern auf mehrere Machtzentren verteilt. Dieser moderne Staat, der nun als zentralistische Machtorganisation entstand, war aber nicht ein unvermeidliches Produkt der universellen Vernunft, sondern ist als das Ergebnis einer Reihe von historischen Zufällen zu verstehen. Trotzdem verbreitete sich der Staat, so wie wir ihn heute kennen, von Europa ausgehend über die ganze Welt. Aber erst im 20. Jahrhundert wurde der moderne Staatsbegriff entwickelt. Bis dahin diente der Begriff „Staat“ als eine Art Überbegriff, der verwendet wurde, um jedwede Art von organisierter politischer Gemeinschaft zu bezeichnen. Auch heute geschieht dies teilweise noch.
Die Religionskriege hatten das Problem der territorialen Befriedung verschärft aufgeworfen und es entfaltete sich die Idee des Staates als alleiniger Träger der Gewaltmacht. Das bedeutete, dass die Gesellschaft zu entwaffnen war und es galt, konkurrierende Gewaltansprüche einzudämmen.
„Alle klassischen Funktionen des Staates, angefangen beim Monopol der Gesetzgebung, ergeben sich aus der Auferlegung der Abrüstung der ganzen Gesellschaft.“ Unter der zentralisierten Staatsherrschaft entstehen so zuerst stehende Heere, dann die Staatsdiplomatie und eine ständig wachsende Staatsbürokratie. Der Staat positioniert sich als die einzig mögliche Form der politischen Ordnung. Dabei übt die Konstruktion, dass das Politische nicht außerhalb des Rahmens des Staates und seiner Paradigmen gedacht werden kann, „auch eine begriffliche Tyrannei über uns aus, weil sie uns daran hindern will, außerhalb des Rahmens des Staates anders über Politik nachzudenken“.
Der moderne Staat ist untrennbar mit dem Prinzip der Souveränität verbunden. Souveräne Macht ist so die Macht, die ohne Einschränkungen für alle zu entscheiden befugt ist.
Die politischen Theorien begannen bald, die politische Sphäre von der religiösen und kirchlichen zu trennen. Es entstand das Konzept der Staatsräson, wobei es darum geht, die staatliche Herrschaft zu begründen, zu erhalten und zu erweitern. Zur Staatsräson gehört es, unbedingten Gehorsam von den Untertanen zu verlangen.
„Die Lehre von der Staatsräson bekräftigt, dass die Sicherheit des Staates ein Erfordernis von solcher Bedeutung ist, dass die Staatsherren, um sie zu gewährleisten, gezwungen sind, die rechtlichen, moralischen, politischen und wirtschaftlichen Normen zu verletzen, die sie ansonsten für unerlässlich halten, wenn die Sicherheit des Staates nicht bedroht ist.“
Es bildet sich ein Typus von Staat heraus, für den der Ausnahmezustand – einst als zeitlich begrenzte Aufhebung von Recht und Moral – zur üblichen Praxis der Regierungen geworden ist. Damit sind wir in der heutigen Zeit angelangt, in der die Doppelmoral von Staat und Gesellschaft fest etabliert ist. Die gleichen Handlungen werden unterschiedlich beurteilt, je nachdem, ob sie vom Staat ausgeführt oder von Privatpersonen begangen werden. Diese doppelte Moral führt dazu, dass die vom Staat und seinen Beamten begangenen Handlungen als legitim betrachtet werden, obgleich sie als Verbrechen angesehen würden, wenn sie Privatpersonen begingen. Tief in diesem Zwiespalt gefangen, agiert der moderne Staat, der aus dem Bedürfnis der territorialen Befriedung entstanden ist, nun als der am besten organisierte Aggressor nach innen und außen gegen die individuelle Freiheit und das private Eigentum.
In ihrem Vortrag stellt Roberta Modugno eine Verbindung zwischen einer Reihe von kontinentaleuropäischen Denkern und Murray Rothbard her, der das Wesen des modernen Staates in seiner Aggressivität verankert. Nach der Idee der Demokratie sollen alle Menschen vor dem Gesetz gleich sein, aber die Staatsgewalt agiert jenseits von Gesetz und Moral. Anders als für die betroffenen Menschen, ist so auch der Krieg für den Staat kein Ausnahmezustand, sondern gehört zu seinem Wesen. Kriege sind staatsnotwendig, so könnte man sagen. Im Krieg findet der Staat den Ort seiner vollen Entfaltung. Deshalb gilt für die Staatsmacht auch, dass der Krieg, wenn er nicht kommt, herbeigerufen wird.
Modugno, Roberta Adelaide: „The Making of the State“ in: The Misesian 2, no. 2 (March/April 2025): 6–13. Die Autorin ist Fellow des Mises Institute und Professorin für Geschichte des politischen Denkens an der Universität Roma Tre.
Kommentare
Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.
Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.