Neugründung: Frauke Petry führt die Anti-Partei
Das Coming-out im „Welt“-Interview
von Oliver Gorus
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Die Zeitung „Die Welt“ führte letzte Woche ein Interview mit Frauke Petry, das am Montag veröffentlicht wurde. Darin kündigte Petry die Gründung einer neuen freiheitlichen, anti-etatistischen Partei an. Die Repräsentationslücke in der deutschen Parteienlandschaft, die sie füllen möchte, sieht sie nicht wie die meisten zwischen Union und AfD, sondern auf der anderen Seite der autoritär-kollektivistischen Parteien, nämlich im verwaisten Quadranten eines libertär-individualistischen politischen Angebots.
Deutschland müsse „wieder ein Eldorado für Unternehmer und Selbständige werden“, deshalb gab sie als Devise „das dringend Notwendige“ aus: eine drastische Senkung der Staatsquote auf 25 Prozent in fünf Jahren, also minus fünf Prozent pro Jahr. Und Meinungsfreiheit. Und kulturelle Westbindung. Und „mit der Besonderheit, dass wir parteilose Bürger und Unternehmer mit Lebens- und Berufserfahrung als Kandidaten gewinnen wollen“.
Die Antworten Petrys waren gespickt mit interessanten politischen Positionen, neuen Ideen und ungewöhnlichen Thesen abseits des Mittelstrahls – aber „Die Welt” entschied sich nicht nur dafür, diesen als Abofänger eigentlich prädestinierten Artikel hinter die Bezahlschranke zu setzen, sondern Petry und den Leser durch den Interviewer auch noch mit ollen AfD-Kamellen zu nerven, anstatt die neuen Aspekte und Ideen kritisch zu hinterfragen und zu vertiefen.
Neben der schwachen Interview-Führung erlaubte sich die „Welt“-Redaktion dabei auch noch zwei grobe Foulspiele. Zum einen wiederholte die Redaktion durch einen Einschub eine alte Falschbehauptung über Petrys Kinder, für die die Zeitung vor Gericht schon einmal abgewatscht worden war (und was nun teuer werden könnte), zum anderen veränderte sie nach Fertigstellung der beiderseits vereinbarten und durch Petry freigegebenen Fassung nachträglich noch mal die Fragen, ohne der Interviewten die Chance zu geben, daraufhin ihre Antworten entsprechend nachzuschärfen. Hier wurde ein „massiv“ gestrichen, da wurde das „Bedauern“ rausgenommen, dort wurde „die blaue Partei“ reingesetzt. Sanftes Framing …
Völlig egal, wie die Wirkung des Frage-Antwort-Kontexts durch die Änderungen nachher tatsächlich ist, selbst wenn der Text dadurch besser oder gar für den Interviewten vorteilhafter geworden wäre: Es richtet einen Vertrauensschaden an, wenn eine Einigung über eine Fassung hergestellt war und diese Einigung dann von der Redaktion missachtet wird. So was ist im journalistischen Handwerk nicht zu rechtfertigen und wirft die Frage auf: Wie kann man so etwas Dämliches nur machen? Die Redaktion konnte damit ja keine Punkte sammeln, sondern nur verlieren. Immerhin hatte sie es nicht mit einem unerfahrenen Newbie zu tun, sondern mit einem erfahrenen Politikprofi, der schon so manches mediale Scharmützel ausgetragen hat. Sind die Journalisten nur schlecht oder naiv oder überheblich oder böswillig?
Dass einem neuen Spieler auf dem politischen Markt nichts geschenkt wird, ist dabei natürlich klar. Genörgelt wird immer. Neben verhalten positiven und offenen Reaktionen fanden sich in den Social Media vor allem viele Reaktionen aus dem Lager der AfD-Anhänger, die Petry ihren Parteiaustritt vor acht Jahren noch immer übelnehmen und Konkurrenz befürchten. Sie munkeln über die Absicht einer „Spaltung der Rechten“. Unter den eher freiheitlichen Oppositionellen grassiert der Gedanke, eine Neugründung sei überflüssig, die Kleinparteien wie Werteunion, Bündnis Deutschland und die Libertären müssten sich eben einfach nur zusammentun, anstatt als Splitterparteien jedes ihr eigenes Süppchen zu kochen. Das Problem dabei ist nur, dass dann aus 0,1 plus 0,1 plus 0,1 nicht 0,3 Prozent werden würde, sondern ein zerstrittener Haufen, der eher bei 0,1 Prozent für alle stagnieren würde. Alle in einen Topf kann nicht funktionieren.
Viele andere Redaktionen wie „Bild“ oder „Tagesspiegel“ griffen die Meldung auf und berichteten durchaus wohlwollender als „Die Welt“ – das Interesse ist jedenfalls da. Ob es die neue Partei, die aus dem Verein Team Freiheit heraus beizeiten gegründet werden und die völlig anders strukturiert sein wird als alle herkömmlichen Parteien nach Bauart des 20. Jahrhunderts, im März 2026 in die Parlamente von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz schaffen wird, ist völlig offen.
Sie kommt jedenfalls dem Ideal einer antipolitischen Partei, über die ich schon öfter gesprochen und geschrieben habe, von allen bisherigen Ansätzen am nächsten. Und sie eröffnet nach vielen Jahren der konzeptionellen Vorarbeit und einer bislang acht Monate dauernden konkreten Gründungsphase aus meiner Perspektive eine gut vorbereitete, realistische Chance auf mehr Freiheit und weniger Staat für alle. Deswegen werde ich diesen Versuch nach Kräften unterstützen.
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