04. Juni 2025 06:00

Fünf Jahre Corona-Maßnahmen Der Mensch um des Staates willen

Als Millionen Bürgern klar wurde, dass Grundrechte nichts wert sind, wenn man sie braucht

von Oliver Gorus drucken

Artikelbild
Bildquelle: chaiyawat chaidet / Shutterstock Unmenschliche Zeit: Viele starben einsam – und oft sogar an Einsamkeit

Nie wieder darf der Staat über dem Individuum stehen. Konrad Adenauer formulierte diesen Gedanken sorgfältig in einer Passage seiner Autobiographie „Erinnerungen 1949 bis 1953“ als die zentrale Lehre aus dem Dritten Reich. 1949 leitete er daraus als programmatisches Ziel für die CDU die Freiheit der Person gegenüber der Herrschaft der Masse ab.

Auch der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee kam zu demselben Schluss. Im August 1948 tagten im Alten Schloss Herrenchiemsee zwei Wochen lang 25 Sachverständige im Auftrag der Ministerpräsidenten der westdeutschen Bundesländer. Ziel war die Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs als Grundlage für den Parlamentarischen Rat, der daraus dann 1949 das Grundgesetz entwickelte.

Schon der Auftrag der Siegermächte an die westdeutschen Ministerpräsidenten aus den „Londoner Empfehlungen“, die der „Sechsmächtekonferenz“ von Februar bis Juni 1948 entsprangen, enthielt die Erwartung, dass eine zu erarbeitende, auf demokratischen Grundlagen beruhende föderalistische Verfassung Deutschlands Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten enthalten müsse. Logisch, denn sonst könnte der entstehende deutsche Staat nicht Teil des Wertewestens sein.

Die Verfassungsexperten legten dem Parlamentarischen Rat letztlich einen Entwurf mit 149 Artikeln vor, dessen erster Artikel im ersten Absatz lautete: „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.“

Im heutigen Grundgesetz findet sich diese Passage so nicht mehr, sie wurde durch den Menschenwürde-Artikel ersetzt, dessen Bedeutung weiter gefasst ist, aber den Vorrang des Individuums vor einem fiktiven Gemeinwohl nach wie vor enthält und demzufolge schützt. Oder schützen sollte.

Vor fünf Jahren, im Mai oder Juni 2020, war jedem, der mit offenen Augen und Ohren und mit klarem Verstand in Deutschland lebte, klar geworden, dass diese unbedingte Wahrheit, dass der Staat die individuellen Grundrechte der Deutschen nicht einfach so aus kollektivistischen Erwägungen über potenzielle Gefahren aushebeln darf, in der Bundesrepublik verloren gegangen ist. Denn die Regierung hatte wegen einer als „Pandemie“ bezeichneten ansteckenden Atemwegserkrankung Geschäftsschließungen, Ausgangssperren, Veranstaltungsverbote et cetera, nämlich einen Lockdown angeordnet und damit mehrere Grundrechte der Bürger weitreichend suspendiert.

Ein solcher schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte des Souveräns hätte nur nach sorgfältiger Abwägung, nur nach Abstimmung des Parlaments per Gewissensentscheidung ohne Fraktionszwang und nur unter ganz bestimmten verfassungsrechtlichen Bedingungen erzwungen werden dürfen. Nämlich unter den Bedingungen, dass der Eingriff erstens geeignet ist, die postulierte Gefahr abzuwenden, dass er zweitens notwendig ist, weil es kein milderes Mittel gibt, und dass er drittens angemessen ist, dass also der Nutzen den Schaden überwiegt.

Wir wissen heute, dass Regierung, Parlament und Justiz, also die drei staatlichen Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative, diese sorgfältige Abwägung niemals vorgenommen haben. Auch die nachträgliche Legitimierung des Regierungshandelns während der Corona-Maßnahmen durch das „Skandalurteil“ des Bundesverfassungsgerichts unter seinem parteifreundschaftlich mit der Kanzlerin verbundenen Präsidenten ging bei seiner Begründung nicht in die Tiefe, berücksichtigte nicht die zum damaligen Zeitpunkt bereits vorliegenden wissenschaftlichen Studien und statistischen Daten, würdigte nicht die sorgfältig formulierten Gegenargumente der Regierungskritiker und führte vor allem nicht die erforderliche Abwägung hinsichtlich Wirksamkeit, Notwendigkeit und Angemessenheit durch.

Seit damals wissen wir, dass die im Grundgesetz formulierten Grundrechte, die als Abwehrrechte gegen einen übergriffigen Staat gedacht waren, dem Ernstfall nicht standgehalten hatten. Die Grundrechte sind eben nicht garantiert, denn sie sind ausgerechnet dann gegenüber dem Staat nicht einklagbar, wenn es darauf ankommt, weil es kein letztentscheidendes staatliches Gericht gibt, das bei einem solchen staatlichen Übergriff das Individuum über den Staat stellt.

Stattdessen haben ich und viele andere mit mir den Eindruck, dass die höchsten Gerichte als Teil des Staatsapparats heute gemeinsam mit den anderen beiden Gewalten den Staat vor dem Individuum verteidigen, nämlich genau dann, wenn das Individuum kritisch und somit unangenehm wird.

Seit diesen Wochen von vor fünf Jahren ist bei mir und bei Millionen anderen Bürgern die Gewissheit entstanden, dass in diesem Land mittlerweile das Individuum um des Staates willen existieren soll. Die Umstürzung der gesellschaftlichen Grundkonstellation hat stattgefunden: Wir sind wieder so weit, dass das Kollektiv über dem Individuum steht.

Mehr als 300.000 Männer, Frauen und Kinder, die während der menschenverachtenden Lockdowns in Deutschland einsam und ohne familiären Beistand sterben mussten, weil die angemaßten Herrscher Besuchsverbote ausgesprochen hatten, sind Beispiele für die Tragweite dieser Zäsur in der Geschichte.

Die täglich zu erlebende Arroganz der Maßnahmen-Befürworter, die noch heute über „Covidioten“, „Querdenker“ und andere „rechtsextreme Schwurblerbanden“ herziehen, bietet einen Hinweis auf das kollektive schlechte Gewissen, das hinter einer Wand aus Hochmut verborgen wird.

Das Unbehagen voreinander, die Sprechbarriere zwischen den durch die Maßnahmen, insbesondere durch die Hetze und Diskriminierung gegen die Ungeimpften, gespaltenen Teilen der Gesellschaft, die ungeheuerlichen volksverhetzenden verbalen Entgleisungen von Personen des öffentlichen Lebens, das gegenseitige Misstrauen, das verlorene Vertrauen in den Staat und seine Organe, die dickköpfige Verweigerung einer Nachbereitung des Geschehens, die ungestrafte Geschäftemacherei mit Masken, Tests und Spritzen, die schamlosen Lügen über Statistiken, das dokumentierte Versagen von Behörden wie Robert-Koch- oder Paul-Ehrlich-Institut oder Europäische Arzneimittelbehörde, die Vertuschungsversuche, die Schwärzungen von Dokumenten … all das vergiftet nachhaltig das Zusammenleben in dieser Post-Corona-Zeit.

Vor allem aber geht der Ketchup nicht mehr in die Flasche zurück. Millionen von Bürgern ist erst durch die Corona-Maßnahmen klar geworden, dass die Grundrechte vom Staat keineswegs garantiert werden, sondern dass sie gerade dann, wenn man sie am dringendsten braucht, das Papier nicht wert sind, auf dem sie seit 1949 gedruckt wurden.

Es gibt eine deutsche Bundesrepublik vor den Corona-Maßnahmen und es gibt eine deutsche Bundesrepublik nach den Corona-Maßnahmen. Der Unterschied ist gravierend. Und irreversibel.


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.