„Generationen“-Frage: Weshalb Anspruchsrechte keine Menschenrechte sind
Die irreführende Unterteilung in verschiedene Kategorien

Wenn heute von „Menschenrechten“ die Rede ist, meinen die meisten Dinge wie ein „Recht auf Bildung“, „auf Medizin“ oder auf „bezahlte Ferien“. Doch können solche Anspruchsrechte tatsächlich Menschenrechte im eigentlichen Sinne sein?
Die Idee universeller Menschenrechte – verstanden als individuelle Abwehrrechte – konnte sich seit der Aufklärung immer stärker durchsetzen. Es ereignete sich ein regelrechter Siegeszug individueller Abwehrrechte, welche die einengenden Ansprüche von Gruppen und politischen Herrschern zurückzudrängen vermochten. Mittlerweile ist insbesondere in der westlichen Welt weitestgehend anerkannt, dass alle Menschen gleichermaßen über individuelle Abwehrrechte verfügen sollten – unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer Ethnie, ihres Standes, ihres Geschlechts und weiterer Unterscheidungsmerkmale. Quelle dieser Überzeugung ist die Einsicht, dass Menschen vernunftbegabte Wesen mit einem freien Willen sind. Entsprechend gilt es, sie in ihrer Würde zu schützen. Alle Menschen sollen die gleichen Rechte haben und vor dem Gesetz gleichbehandelt werden – allein aufgrund ihres Menschseins.
Jedoch geraten Menschenrechte, die im Verlauf der Geschichte mühsam erstritten und erkämpft werden mussten, nun zunehmend unter Druck. Diese Bedrohung kommt weniger im Gewand offen deklarierter, unverblümter Missachtung akzeptierter Menschenrechte daher als vielmehr unter dem Deckmantel der sozialdemokratischen Forderung, nebst individuellen Abwehrrechten auch individuelle oder kollektive Forderungen und Ansprüche an andere Menschen zu erheben und diese ebenfalls zur Kategorie der „Menschenrechte“ hinzuzuzählen. Dieser Paradigmenwechsel, der sich hauptsächlich im vergangenen Jahrhundert vollzogen hatte, verdrängt zunehmend die ursprünglichen Menschenrechte – die Abwehrrechte –, weil sich Anspruchsrechte nicht komplementär neben den bereits existierenden individuellen Freiheitsrechten aufreihen lassen, sondern Letztere relativieren.
Was sind Menschenrechte überhaupt? Menschenrechte sind subjektive Rechte, auf die sich jeder Mensch gleichermaßen allein aufgrund seines Menschseins berufen kann. Sie sind Existenzbedingungen, die der Mensch seiner Natur nach zum angemessenen Überleben und Prosperieren braucht. Sie sind unveräußerlich und unteilbar. Damit Menschenrechte universelle Gültigkeit beanspruchen können, müssen sie unabhängig der Umstände, der involvierten Personen, der Zeit und des geographischen Ortes angewendet werden können.
Heute hat sich eine Unterteilung der Menschenrechte in drei verschiedene Kategorien – sogenannte Generationen – durchgesetzt, die fälschlicherweise auf einen Fortschritt hindeuten. Die erste Generation umfasst Abwehrrechte zum Schutz des Lebens, der Persönlichkeit und der individuellen Freiheit, wobei unter „individueller Freiheit“ nicht die Ermächtigung gemeint ist, etwas tun zu können, sondern die Tatsache, dass man von anderen nicht daran gehindert wird, nach eigenem Urteil zu handeln, solange man dasselbe Recht auch anderen zugesteht. Diese Rechte werden auch als „ursprüngliche“ Menschenrechte bezeichnet.
Eher neuartig sind die wohlfahrtsstaatlichen Anspruchsrechte der zweiten Generation, die jedem Menschen das Recht auf einen „angemessenen“ Lebensstandard garantieren wollen, sowie kollektive Rechte der dritten Generation, bei denen es nicht um Rechte für Menschen, sondern um Sonderrechte für Gruppen von Menschen geht. Doch diese beiden neueren Kategorien eignen sich nicht, um als „Menschenrechte“ durchzugehen. Warum? Beginnen wir bei den kollektiven Rechten.
Eine Gruppe stellt nichts weiter dar als die Summe der Gruppenmitglieder. Eine Gruppe kann deshalb nicht mehr Rechte haben als sämtliche Gruppenmitglieder zusammengenommen. Aus diesem Grund reicht es, sich bei der Definition von Menschenrechten auf individuelle Rechte zu beschränken. Gruppen innerhalb der Menschheit, wie beispielsweise Weiße, Arbeitnehmer, Angehörige einer religiösen Minderheit, einer sexuellen Ausrichtung und so weiter, können an sich keine Träger von Menschenrechten sein. Ist eine Gruppe Träger von Rechten, eine andere jedoch nicht, bedeutet dies, dass gegen das Universalitätsgebot verstoßen wird, wonach alle Menschen dieselben Rechte haben müssen. Kollektive Rechte, die heute als „Menschenrechte dritter Generation“ bezeichnet werden, sind deshalb keine Menschenrechte.
Anspruchsrechte, die jedem Menschen auf Kosten anderer die Macht zugestehen wollen, etwas zu tun, können auch keine Menschenrechte sein, weil sie ebenfalls nicht universell anwendbar sind und im Widerspruch zu den ursprünglichen Menschenrechten – den individuellen Abwehrrechten – stehen.
Während Anspruchsrechte die Menschen zwingt, etwas zu tun – beispielsweise die Früchte ihrer Arbeit für andere zu opfern –, sind sie bei Abwehrrechten lediglich dazu angehalten, gewisse Dinge zu unterlassen. Es geht dabei um sämtliche Handlungen, welche das Leben oder Eigentum anderer Menschen verletzen.
Im Gegensatz zu Anspruchsrechten und kollektiven Rechten genügen Abwehrrechte dem Universalitätsgebot und können daher als Menschenrecht qualifiziert werden. Sie können auf alle Menschen angewendet werden, ohne gleichzeitig die Rechte einiger Menschen zu verletzen. Das Abwehrrecht des einen verletzt nicht das Abwehrrecht des anderen. Die eingeräumte Freiheit für alle, zu tun und zu lassen, was man will, findet dank der Durchsetzung der Abwehrrechte jedes Einzelnen dort seine Grenze, wo sie mit Abwehrrechten anderer Menschen kollidiert. Insofern sind Abwehrrechte nicht nur universell anwendbar, sondern dienen auch der friedlichen Koexistenz der Gesellschaftsmitglieder unter Einräumung maximal möglicher Freiheiten für jeden Einzelnen.
Ausschließlich Abwehrrechte können daher universell anwendbare Menschenrechte sein. Darunter fallen grob gesagt zwei Arten von Rechten, die eng miteinander verbunden sind. Einerseits ist es das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Dieses bedeutet nicht, dass Drittpersonen per Gesetz dazu angehalten werden können, einem anderen Menschen die Existenz mit ihrer Arbeitskraft zu sichern. Denn dies käme einer Legalisierung der Sklaverei gleich und würde in die Kategorie der Anspruchsrechte fallen. Das Recht auf Leben umfasst vielmehr die Tatsache, dass jeder Mensch sein eigenes Leben mit eigener Anstrengung erhalten darf. Es bedeutet, dass andere gegen ihn keine körperliche Gewalt und keinen Zwang initiieren dürfen, schon gar nicht, wenn dies das Leben und die körperliche Unversehrtheit gefährdet.
Vom Recht auf Leben leitet sich untrennbar das Recht auf Eigentum ab, denn ohne geschütztes Eigentum ist der Schutz des Lebens unmöglich. Das Recht auf Eigentum bedeutet nicht, dass jeder eine Garantie erhält, irgendwelches Eigentum zu erlangen oder dass andere Menschen jemanden mit Eigentum versorgen müssen, sondern dass jeder das Recht hat, die Früchte der eigenen Arbeit und anderes rechtmäßig erworbenes Eigentum (beispielsweise durch Handel, Schenkungen oder Erbschaften) sein Eigen zu nennen und damit zu tun und zu lassen, was er will, solange er damit die entsprechenden Rechte anderer nicht verletzt – das heißt, solange er keine Gewalt oder Zwang gegen andere initiiert. Die einzig wahren, universell anwendbaren Menschenrechte sind folglich das Recht auf Leben und das Recht auf Eigentum (wovon sich auch alle anderen Abwehrrechte wie die Meinungsäußerungsfreiheit, die Glaubensfreiheit, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit et cetera ableiten). Wenn also Sozialdemokraten von Menschenrechten schwadronieren, in Wahrheit aber Zwangsumverteilung und Sklaverei meinen, ist auf diese Wortverdrehung mit Nachdruck hinzuweisen.
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