Freiheitsimpuls: Vom Glück, einfach mal kindlich zu sein
…nicht kindisch!
von David Andres drucken

Wer als Erwachsener auslebt, was er als Kind liebte, aber nur in Grenzen tun durfte, findet Momente zweckfreien Glücks.
Kindisch sind sie alle. Die Politikdarsteller in Berlin, wenn sie die Welt abseits realistischer Geopolitik nach den Maßstäben ihrer Hypermoral betrachten und sich mit Anwälten und Majestätsbeleidigungsparagrafen vor Kritik schützen wollen. Wenn sie mit Geld spielen, das sie nicht erarbeitet haben und das nicht ihres ist. Wenn sie im Klassenzimmer, Verzeihung, im Bundestag, buhen und dazwischenrufen.
Nein, kindisch, das sollten wir nicht sein.
Aber haben sie es mal mit Kindlichkeit versucht?
„Glück ist die Erfüllung von Kinderwünschen“, schrieb Siegmund Freud im Jahre 1930 in „Das Unbehagen in der Kultur“. Es sei im Grunde die Befriedigung aufgestauter Bedürfnisse, die auf frühkindlichen Bedürfnissen beruhen. Pragmatisch gedacht bedeutet das, aus der Zweckbindung herauszutreten, die im Erwachsenenleben unser aller Handeln bestimmt – auch das von uns Freiheitlichen. Wenn wir etwas tun, muss es immer etwas „bringen“ oder zu „etwas gut sein“, einen „Nutzen“ in sich tragen oder wenigstens einen „Sinn“. Wir arbeiten in unseren Brotberufen, um Geld zu verdienen, die Kosten zu decken und Wohlstand aufzubauen. Wir werfen uns in politische Debatten, um einen Unterschied zu machen und Veränderungen anzustoßen. Wir treiben Sport oder verkneifen uns den einen oder anderen Genuss, um die Gesundheit zu fördern. Selbst das Gegenteil, der gepflegte Exzess, entspringt manchmal nicht der reinen Freude, sondern einer Mischung aus Gruppenzwang, Ausflucht und einer anderen Form der Regeneration.
Kindlich sein bedeutet, etwas vollkommen ohne Sinn, Zweck oder Nutzen zu machen. Beginnen Sie sanft, indem Sie einen Weg, den Sie immer auf der gleichen Route zurücklegen, verlassen und ausschweifen. Falls Sie zu Fuß unterwegs sind, gehen Sie Nebenstraßen in Vierteln Ihrer eigenen Stadt, die Sie womöglich noch nie gesehen haben. Finden Sie Schleichwege und schleichen Sie tatsächlich, statt zu eilen. Finden Sie sich auf einmal wieder vor dem Schaufenster eines Antiquariats, eines Pfeifenlädchens oder einer Eckkneipe, die Ihnen immer entging. Betreten Sie die Bar, und sei es erst früher Abend, und dann bestellen Sie dort einen (!) Drink, den Sie im Leben noch niemals hatten. Sie dürfen das, Sie sind schon groß.
Es ist Sommer? Fahren Sie in den Wald und springen Sie mal wieder in einen wilden See. Oder brettern Sie gleich durch bis ans Meer und sei es nur für einen Tag und eine Nacht. Spazieren Sie den Strand entlang um 3 Uhr nachts unter dem Mond, erinnern Sie sich währenddessen daran, wie es war, sich genau das mit acht Jahren zu wünschen – so lange aufbleiben, wie man will und einfach raus. Zurück im Hotelzimmer, haben Sie womöglich was zum Spielen mitgenommen, sei es die alte Konsole der Jugend, wieder neu gekauft, ein Super Nintendo, ein Mega Drive, zur Not haben Sie sogar den kleinen, klobigen Fernseher mit dem Scart-Anschluss dabei. Oder Sie bauen ein Lego-Set zusammen, in aller Ruhe, unterbrochen nur von dem gigantischen Burger mit Steak Fries vom Zimmerservice, den Sie sich auch noch leisten können, weil das Taschengeld groß genug ist. Danach noch ein Eis mit Apfelstrudel und Sie springen in den warmen Hotel-Pool, obwohl der Magen voll ist und man mit vollem Bauch angeblich sofort ertrinkt, wie Mama früher sagte.
Was mochten Sie, als Sie ein Kind waren? Den Zoo? Fahren Sie hin, allein, in jeden Tierpark, der Sie interessiert und schlendern Sie im eigenen Tempo. Den Zirkus? Überall steht einer herum und wer sagt, dass dort nur Familien willkommen sind? Den Flohmarkt? Stellen Sie sich vor – heute dürfen Sie sich dort alles leisten und sollte der Besuch Sie dazu animieren, die Sammlung von Actionfiguren, die Sie damals als junger Mann verkauft haben, wieder neu zu beginnen, greifen Sie zu! Aber wirklich aus reiner Freude, nicht im Sinne von Spekulationsobjekten. Das wäre wieder „Sinn“ und „Zweck“.
„Selbst wenn man das Hobby nicht mehr aktiv ausübt, lässt das passive Interesse in der Regel nicht nach“, heißt es in einem Beitrag im Marketingjournal „marke41“ zum Thema Freizeitgestaltung. „Fast 90 Prozent aller Personen, die ein Hobby für einen gewissen Zeitraum ruhen lassen (müssen), geben an, dass sie auch weiterhin Artikel oder Nachrichten zu ihrem Steckenpferd lesen.“ Ich erwähne dieses Zitat, obschon mein Begriff wirklich freier Kindlichkeit weiter und spontaner gefasst ist als der enge Rahmen eines festen Hobbys, weil das Phänomen des „passiven Interesses“ die tiefe Sehnsucht nach dem zweckfreien Spaßhaben gut fasst. Ich kenne Männer, die Stunden um Stunden anderen auf Youtube dabei zusehen, wie sie querfeldein Parcours laufen oder sich albernen Challenges im Zielschießen mit dem Fußball stellen – oder stundenlang ungeschnitten ein riesiges Lego-Set auf Twitch zusammenbauen. Spätestens hier möchte ich die Kollegen schütteln und fragen: Wieso macht ihr es in der Zeit nicht einfach selbst?
Ich gönne mir regelmäßig derlei Momente, oftmals in der Natur, vielfach aber auch, wenn ich in einer fremden Stadt unterwegs bin und meine Seminare oder Coachings beendet habe. Sie finden mich dann womöglich zur spätesten Vorstellung in einem Kinofilm, den ich danach ausgewählt habe, dass er mir bislang überhaupt nichts sagt und ich mich überraschen lasse. Oder im höchstmöglichen Stockwerk auf dem höchsten Gebäude der Stadt, weil ich den Ort aus dieser Perspektive sehen möchte. Auch denkbar, dass ich in einem Park eine Partie Schach mit diesen Riesenfiguren spiele, wenn sich ein Partner findet – oder mich einer Fußballpartie in einem Bolzplatzkäfig anschließe. Sie fühlen das Konzept? Falls nicht, schließe ich wieder auf den Anfang: Beginnen Sie sanft…
Quellen:
Lebenslänglich verbunden, immer wieder reizvoll: Hobbys im Lebensverlauf (marke41)
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