Künstliche Intelligenz: The Matrix Amplified: Konsequent digitalisierte Gefängnismauern
KI-Algorithmen als Tiefbaumaschinen für Platons Höhle
The Matrix Amplified: Konsequent digitalisierte Gefängnismauern
KI-Algorithmen als Tiefbaumaschinen für Platons Höhle
Schon seit einigen Jahren erscheinen regelmäßig Artikel in der Presse, die den offenbar zunehmenden Verlust kognitiver Fähigkeiten beim Menschen beklagen. Manche davon sind überzogen, ja beinahe alarmistisch, andere hingegen analysieren die möglichen Ursachen durchaus scharfsinnig und sehen die Ursachen entweder in Konstruktionsfehlern des Schul- und Bildungssystems, in einem Überkonsum sogenannter digitaler Medien oder, und dort wird es erst richtig interessant, in einer kuratierten Informationslandschaft, in der es auch aufgrund der Vielzahl von Online-Medien zunehmend schwerer fiele, sich zu orientieren. In letzteren wird nicht selten – und zutreffend – der Begriff der „Matrix“ benutzt – in Anlehnung an den gleichnamigen SciFi-Actionfilm mit Keanu Reeves als „Neo“ in der Hauptrolle.
Dass die Informationslandschaft, was den Mainstream betrifft, tatsächlich kuratiert ist, sollte – hoffentlich – keiner Erwähnung mehr bedürfen. Der Fairness halber muss allerdings angemerkt werden, dass es im „alternativen“ Sektor mittlerweile auch nicht besser aussieht: Da den Eliten völlig klar war, dass sie den „Geist“ des Internets nicht mehr in die „Flasche“ zurückbekommen – es wäre völlig illusorisch, dies auch nur zu versuchen –, taten sie das Naheliegendste: Die Narrativkontrolle über von ihnen massenhaft aufgebaute Influencer, Propagandisten, Gatekeeper etc. zurückzuerlangen. Es wäre daher ungerecht, stets nur dem Mainstream „Fremdsteuerung“ vorzuwerfen und ihn gegen die „Alternativen“ ausspielen zu wollen: Die Online-Welt ist schließlich auch schon zu großen Teilen eingehegt und liebevoll pudelfrisiert.
Insofern ist es nur konsequent, dass man nun die nächste Stufe zündet: Man scheint sich vollständig etwaiger menschlicher „Störfaktoren“ entledigen zu wollen – indem man KI als neuen Hype feiert und den – falschen und auch schon vielfach widerlegten – Eindruck erweckt, sie sei in dieser Hinsicht „unbestechlich“. Eine unverfälschte, unverzerrte, neutrale Informationsquelle, die keine menschlichen Defizite mehr zeige, die völlig unkorrumpierbar sei. Eine Art modernes, hochtechnisiertes „Orakel von Delphi“, bei dem man sich keine Sorgen über die Zuverlässigkeit der ausgespuckten Informationen mehr machen müsse. Das Gegenteil ist der Fall.
Nicht umsonst haben die einschlägigen Stichwortgeber wie zum Beispiel Yuval Noah Harari, der von der „analogen“ Matrix des Mainstreams bewusst ganz nach vorne ins öffentliche Guckfenster gestellt wurde, der KI fast schon göttliche Qualitäten bescheinigt: Die KI, so der Leib- und Magenhistoriker des WEF, könne vielleicht sogar die „erste wahre Religion“ der Welt schaffen. Schließlich, so Harari, hätte der Mensch einem Buch wie der Bibel seit Jahrtausenden „nichts Neues“ hinzugefügt – eine vermeintliche Lücke, die eine KI nicht nur füllen, sondern stark „verbessern“ und dadurch eine „echte“ Religion schaffen könne. Dies steht in perfektem Einklang mit den Visionen der Technokraten von der „Singularität“, der „Superintelligenz“, die Menschen zu einem geeinten, großen Kollektiv zusammenschließen könne – dem, was ein Teilhard de Chardin einst als „Omega-Punkt“ bezeichnete, die große Verschmelzung zu einem „planetaren Bewusstsein“. Dieser Topos wurde in den letzten drei bis vier Jahrzehnten auch immer wieder aufgewärmt, nicht zuletzt in der ebenfalls elitengesteuerten „New Age“-Philosophie.
Doch was in vielen warnenden Kommentaren dazu manchmal leider übersehen wird: Eigentlich würde damit die längst bestehende „Matrix“ nur konsequent fortentwickelt – durch ihre Digitalisierung und vor allem „göttliche“ Allgegenwart, da sie qua Internet eben global präsent wäre. Mark Keenan schreibt dazu in seiner sehr hellsichtigen Analyse, die am 17. November auf der Webseite Lew Rockwells erschien („The Matrix Is Talking to the Matrix: How AI Is Replacing Human Thought“):
„Künstliche Intelligenz ist kein Zufall. Sie ist der neueste Ausdruck einer Weltanschauung, die Information mit Weisheit und Kontrolle mit Fortschritt verwechselt. Diese Weltanschauung – der technokratische Traum – sagt uns, dass die Welt eine Maschine ist, die optimiert werden muss. Menschen werden zu Datenpunkten. Sprache wird zu Inhalt. Gedanken werden zu einer Ressource, die es zu nutzen gilt. KI ist lediglich ihr neuester Prophet: eine Maschine, die gebaut wurde, um die Überzeugungen ihrer Schöpfer widerzuspiegeln. Wenn wir unsere Fragen an sie abgeben, kommunizieren wir nicht mit Wissen, sondern mit den Annahmen derer, die sie programmiert haben.“
Daher auch der Titel des Artikels: „Die Matrix spricht mit der Matrix“. Die analoge mit der digitalen, um genauer zu sein. Denn schon lange vor Veröffentlichung der ersten ChatGPT-Version gab es eine faktisch-institutionelle Manipulation, ein „Nudging“ und „Framing“ von Informationen, oder, wenn man so will, kuratierte Meinungsmonopole – also was spricht dagegen, dass man diese nun eben digitalisiert und noch weiter monopolisiert, indem man die Illusion nährt, die KI sei von alledem völlig frei?
Wie Keenan völlig richtig bemerkt:
„Wir bezeichnen diese Systeme als ›intelligent‹, aber Intelligenz impliziert Unabhängigkeit – die Fähigkeit, vom Skript abzuweichen. Künstliche Intelligenz ist von Natur aus unfähig zur Rebellion. Sie ist ein Spiegel genehmigter und gefilterter Archive und Muster, die bis zur Prophezeiung poliert wurden. Sie wird niemals die Weltanschauung ihrer Programmierer umstürzen. Aber wenn Menschen beginnen, sich auf diese Art von ›Intelligenz‹ zu verlassen, werden auch sie vorhersehbar. Studenten nutzen sie, um Aufsätze zu schreiben, Journalisten, um Schlagzeilen zu verfassen, Fachleute, um E-Mails zu verfassen, Politiker, um Gesprächspunkte zu generieren. Mit der Zeit schrumpft das kollektive Vokabular auf das, was der Algorithmus für wahrscheinlich hält. Das Unvorhersehbare […] wird stillschweigend aus der Existenz herausredigiert.“
Dem ist wirklich nichts hinzuzufügen: Diejenigen, die immer noch glauben, sie lebten in einer „freien“ Welt mit „freien“ Informationen, werden auch in Zukunft höchstwahrscheinlich gar nicht erst auf die Idee kommen, Fragen zu stellen, die „nicht genehmigte“ beziehungsweise unkuratierte Antworten erfordern. Ich selbst hatte vor einiger Zeit ChatGPT diesbezüglich getestet, indem ich dem System eine Frage aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften stellte. Ich bat um eine Liste guter Bücher dazu. Was ich bekam, war eine Abfolge von Standardwerken aus der Mainstream-Ökonomie: Es befand sich kein einziges Werk darunter, das die herrschenden Strukturen wirklich hinterfragt hätte. Es gab nur wirtschaftswissenschaftliches „Popcorn-Kino“. Ich musste meine Frage dreimal wiederholen und dabei immer genauer eingrenzen, bis ich immerhin zwei Bücher genannt bekam, die tatsächlich – zumindest ein wenig – außerhalb dieser „Matrix“ lagen.
Die KI ist deshalb leider auch für Recherchezwecke nur begrenzt genießbar. Dirk Pohlmann, Journalist und Dokumentarfilmer, erzählte mir dazu unlängst eine erschreckende Anekdote. Auch er wollte die KI nutzen, um zu einem politischen Attentat zu recherchieren. Ergebnis: Informationen, die bereits hieb- und stichfest belegt wurden, deklarierte die KI als „Falschinformationen“ aus dem Dunstkreis von „Verschwörungstheorien“. Man muss also höllisch aufpassen und sollte sich bloß nicht damit zufriedengeben, was künstliche „Intelligenz“ zu solchen Themen liefert.
Eigentlich ist es sehr einfach: Sobald Menschen damit beginnen, ihre geistigen Tätigkeiten mehr und mehr an Maschinen auszulagern, wird es mit ihren kognitiven Fähigkeiten natürlich weiter bergabgehen. Das ist vollkommen klar. Wer sich selber überhaupt nicht mehr anstrengen muss oder will, eigene Gedankengänge zu entwerfen, selber nach Informationen zu suchen, selber kreativ zu werden usw., sondern all das an (vor)programmierte künstliche Schlauheit delegiert, trainiert seine geistigen „Muskeln“ nicht mehr. Genau dieses Training ist aber erforderlich, wenn man geistig rege und flexibel bleiben will. Dies wurde auch längst nachgewiesen: Die eigene Beschäftigung mit unterschiedlichen Themen, die eigene Neugier, das proaktive Suchen nach Informationen wirkt tatsächlich wie „Sport“ fürs Gehirn. Es entstehen neue neuronale Verbindungen, es werden neue „Leiterbahnen“ des Denkens gelegt, wodurch Phänomene wie Kreativität, Innovationsfähigkeit und Phantasie genährt werden.
Auch hierzu sei der Fairness halber gesagt: Natürlich kann KI in manchen Bereichen sehr hilfreich sein und für echten Fortschritt sorgen. Aber für menschliche Intuition, für Spontaneität, Kreativität und Geistesreichtum gibt es keinen Ersatz. Der theoretische Physiker und Nobelpreisträger Roger Penrose warnt deshalb auch vor der Illusion, KI könne Intelligenz oder menschliches Denken ersetzen: Nein, das kann sie nicht. Ich möchte hinzufügen: Hoffentlich wird sie das auch nie können. Denn spätestens in diesem Augenblick würden sich eben jene technokratischen Eliten, die nicht zufällig genau solche Visionen fördern und verbreiten, fragen, wozu sie den Großteil der Menschheit eigentlich noch brauchen – eine Frage, die sie sich eh schon seit Jahrzehnten stellen.
Platons Höhlengleichnis droht vor unser allen Augen digitale Wirklichkeit zu werden: Die Informationen, die eine kuratierte KI uns liefert, werden nur noch Schatten dessen sein, was man wirklich entdecken könnte, wenn man einen Fuß vor die Höhle setzt. Und zwar sowohl vor die digitale als auch analoge …
Bis nächste Woche.
Quellen:
The Matrix Is Talking to the Matrix: How AI Is Replacing Human Thought - LewRockwell
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