Gefahren und Chancen der Künstlichen Intelligenz: Technofeudalismus und die Zukunft der Freiheit
Wie KI die Machtverhältnisse zwischen souveränen Individuen und Staaten verändert
Die Sanktionen der Trump-Regierung gegen fünf mehr oder weniger prominente europäische Zensoren waren das größte und beste Weihnachtsgeschenk für freiheitlich gesinnte Europäer seit der geräuschlosen Implosion der Sowjetunion am 25. Dezember 1991. Wie vielen von ihnen ist aber bewusst, wie sehr diese beiden Ereignisse miteinander verknüpft sind? Wie vielen ist bewusst, dass das jüngere Ereignis zwar mehr Freiheit, gleichzeitig aber das Potenzial neuer Knechtschaft ankündigt? Denn: Wer treibt diese Sanktionen an? In wessen Interesse werden sie umgesetzt?
Beide Ereignisse wurzeln in derselben zugrundeliegenden Ursache; sie sind beide Teil eines einzigen, größeren Umbruchereignisses. Dieses Umbruchereignis ist der Wandel in der Natur der souveränen Entitäten. An die Stelle kollektiver Souveränitäten, wie sie Staaten vorgeben zu vertreten, treten individuelle Souveränitäten. „Tech Bros“ wie Elon Musk wollen sich die Einnahmequelle Europa nicht von pedantischen Bürokraten und von ideologisierten Xanthippen jedweden Geschlechts vermiesen lassen. Zumal diese finanziell und jetzt auch institutionell am kürzeren Hebel sitzen.
Schon das Chaos und das Hin und Her um die Veröffentlichung der Epstein-Akten zeigen, dass es mit der Macht staatlicher Institutionen bergab geht. Die neue Initiative gegen die Zensoren Europas, die offensichtlich von den Tech-Bros ausgeht, passt genau in dieses Bild.
In dieser Situation könnte manch einem Bürokraten und Kollektivisten die Künstliche Intelligenz (KI) wie ein Rettungsanker vorkommen. Aber auch die „souveränen Individuen“ haben Pläne mit ihr, die der Freiheit nicht gerade dienlich sind. Möglicherweise täuschen sich beide Gruppen.
Die Diskussion um die Künstliche Intelligenz (KI) erinnert ein wenig an die in den 1990er Jahren im Hinblick auf das Internet. Der Konsens damals war, da kommt ein großes Ding auf uns zu, das unser aller Leben verändern wird. Aber wie genau die Änderung aussehen wird, darüber waren sich die wenigsten klar. Durch Versuch und Irrtum tastete man sich voran. Einige wenige, wie die Gründer von Amazon und Google, hatten den richtigen Riecher und/oder die richtigen Verbindungen zum tiefen Staat und buchten bald galaktische finanzielle Erfolge. Aus ihnen und einigen wenigen anderen wurden die von James Dale Davidson und William Rees-Mogg im gleichnamigen Buch 1997 vorhergesagten „souveränen Individuen“. Heute können sich diese kräftemäßig mit Staaten, ja sogar Staatenbünde wie die EU messen. Andere in den 90ern, mit weniger gutem Riecher oder Verbindungen ausgestattet, versprachen sich und anderen das Blaue vom Himmel und stürzten nach dem Platzen der Tech-Blase von 2001 gnadenlos ab.
Noch etwas anderes sagten die beiden genannten Autoren voraus: Das, was heute Populismus genannt wird. Denn sie postulierten eine Schwächung der Kraft nicht nur der Staaten, sondern auch der klassischen Medien. Der Einfluss dieser wenigen „Torwächter“ des für Staaten existenziell wichtigen herrschenden Narrativs würde dramatisch schrumpfen. 2016 erhielt diese Matrix ihre ersten zwei ernsthaften Risse: Brexit und Trump. Beide Risse sind jetzt weitgehend, noch im Sinne der alten herrschenden Klasse, „geflickt“. Aber nur das. Die Narben sind sichtbar; trotz aller Planierungsversuche während der Pandemie steht das Gewebe der Matrix weiterhin unter immensem Druck. Die wichtigste Änderung seither: Nun lassen die souveränen Individuen offen ihre Muskeln spielen.
Unter anderem aus diesem Grund schreitet die Welt in Richtung „Technofeudalismus“ voran. Ein Begriff, den der griechische Politiker Yanis Varoufakis geprägt hat. Ein Linker zwar, der aber deswegen hier nicht falsch liegen muss. PayPal-Mitgründer Peter Thiel, einer der souveränen Individuen, schenkt mit der Datenanalysefirma Palantir Technologies den Staaten – und sicher auch den Banken und anderen am Korporatismus Beteiligten – bisher ungekannte Überwachungs- und Verfolgungsmöglichkeiten. Und nun kommt die KI noch dazu. Aber ob sie den neuen Feudalherren wirklich das bringen, was viele befürchten, ist noch unklar.
Kurz vor Weihnachten erschienen zwei Beiträge, die meiner Ansicht nach ein wenig Klarheit in den dichten Nebel bringen, der die KI noch immer umgibt. Der eine Beitrag bestätigt die Furcht vor dem Technofeudalismus. Der andere ist ein Stück weit optimistischer und zeigt, wie die Natur der KI ungewollt einen weiteren, viel breiteren und tieferen Riss in der Matrix verursachen könnte. Und damit der Macht der „souveränen Individuen“ Grenzen setzen könnte.
Zuerst zum pessimistischen Text: Zwar bräuchten wir keine Angst davor zu haben, dass die KI ein eigenes Bewusstsein entwickle, schreibt Mark Keenan in einem von LewRockwell.com veröffentlichten Beitrag. Sie bedrohe unsere Freiheit jedoch, indem sie zu einem „Betriebssystem“ unserer Gesellschaften wird. Ein Betriebssystem, „von dem das technokratische, institutionell gesteuerte Wirtschafts-, Informations- und Verwaltungsleben zunehmend abhängt.“ Wenn erst einmal die Kontrolle der Gesellschaft auf der KI-Ebene verankert ist, „muss sie nicht mehr öffentlich verkündet werden“, also auch nicht mehr diskutiert, debattiert und über sie abgestimmt werden. Sie führt dann einfach nur noch aus. Selbst die heutige Scheindemokratie wäre dann nicht mehr nötig.
Der Grund: Urteilsvermögen, Verantwortung und Selbstverwaltung werden bereits jetzt durch automatisierte Systeme verdrängt, „deren Autorität eher prozeduraler als rechenschaftspflichtiger Natur ist“. Dabei gehe Freiheit verloren, allerdings nicht „im dramatischen Sinne“, also nicht zum Beispiel so, dass Dissidenten weggesperrt würden. Sondern die Gewohnheit des Gebrauchs des menschlichen Urteilsvermögens selbst löse sich auf. Im Sinne des Regimes handeln die Menschen nicht mehr „falsch“. Und zwar, weil sie aufgrund erzwungener Handlungsgewohnheit gar nicht mehr „falsch“ denken. Keenan sieht die KI also als Vollendung von George Orwells dystopischer Vision von „Neusprech“, dessen alleiniger Zweck es ist, selbst die Formulierung regimekritischer Gedanken zu verunmöglichen. Womit auf die Präsenz eines teuren und schwache Nerven strapazierenden, imperfekten Repressionsapparates weitgehend verzichtet werden kann.
Wer wird die Menschheit vor diesem Schicksal retten? Ironischerweise die KI selbst. So jedenfalls Dave Cullen, der mir während der Pandemiezeit als nüchterner, realistischer, lockdown- und impfskeptischer Beobachter des Geschehens auffiel. In einem ebenfalls kürzlich veröffentlichten Video („The Great Turning Away“)beginnt Cullen mit der Aussage, dass wir wohl nur noch wenige Monate bis Jahre davon entfernt sind, von KI-generierten „realistisch“ aussehenden und klingenden Inhalten im Internet regelrecht zugeschüttet zu werden. Insbesondere mit Videos, insbesondere in den sogenannten sozialen Medien. Mehr denn je zuvor werde das Internet dann zu einem reinen, endlosen „Spiegelkabinett“, in dem es vielfach unmöglich sein wird, zwischen Wahrheit und Fiktion zu unterscheiden. Selbst eigene Erinnerungen könnten gefälscht werden, indem Böswillige echtes Material mit falschem vermischen.
Cullens Schlussfolgerung ist, dass wir das Internet, hier wieder insbesondere die sozialen Medien, zunehmend ignorieren werden. Wir werden aus ihnen sozusagen auswandern. Das Internet werden wir weiterhin für direkte Kommunikation, etwa über E-Mails, für Dienstleistungen wie Banken, für Produktionszwecke, fürs Ein- und Verkaufen, fürs Streamen von Filmen oder Videospielen nutzen. Aber nicht mehr für das wilde Verbreiten von visualisierten, verbalisierten oder auf sonstige Weise digital generierten „Informationen“ von zweifelhafter Qualität zum Zeitgeschehen oder was auch immer. In der Hinsicht werden bald selbst 8 Milliarden Menschen nicht mehr mit der KI mithalten können. Mit anderen Worten: Die Macht, Narrative im großen Stil zu gestalten und zu beherrschen, zerbricht.
Stattdessen, so kann man aus Cullens Gedanken ableiten, wird ein Netzwerk von vertrauenswürdigen Quellen entstehen. Die sich auf verschiedenste Weise qualifizieren und so allmählich Vertrauen gewinnen. Die mit fundierten Quellen und entsprechenden Angaben arbeiten, weil die Nachfrage nach solchen Qualitätsgewährleistungen stark steigen wird. Es entstehen so echte, im Markt der Meinungen und Nachrichten gewachsene „trusted flagger“, die die vom (tiefen) Staat finanzierten Büttel verdrängen werden. Mit anderen Worten: Manipulierende Propaganda wird es zunehmend schwieriger haben, sich durchzusetzen.
Cullen sagt voraus, dass die KI so viele Probleme der oben beschriebenen Art erzeugen wird, dass eine „große Sehnsucht nach Authentizität“ entstehen werde. Der einzige Weg dazu sei, die eigene Welt zu „verkleinern“ und zu „vereinfachen“. Wir werden uns wieder stärker mit Familie und Freunden beschäftigen. Wir werden uns auf das Lokale konzentrieren. Dann hätte auch, so kann man schlussfolgern, die von Keenan befürchtete „prozedurale Autorität“ wenig Durchsetzungskraft.
Letzteres Ergebnis dauerhaft zu sichern, hängt jedoch von zwei wichtigen Voraussetzungen ab. Die eine ist das Ende des Fiatgeldsystems und somit der Konzentration von Macht auf wenige, die Finanzwelt verzerrende Geld-„Schöpfer“. Das Ende also unter anderem der Möglichkeit, Leute mit der Drohung des „Debanking“ auf Reihe zu bringen.
Die andere, noch grundlegendere Voraussetzung ist ein weitverbreiteter Sinn für den Wert der „Wahrheit“, besser gesagt der Wahrheitssuche. Der römische Präfekt Pontius Pilatus fragte Jesus bekanntlich, was denn „Wahrheit“ sei. Er tat dies als Antwort auf die Aussage von Jesus, dass jeder, der „aus der Wahrheit ist“, auf seine Stimme höre. Man achte darauf, dass Pilatus nicht fragte, was denn „die“ Wahrheit sei, von der der vor ihm stehende Angeklagte sprach. Der Staatsmann brachte seine Frage ohne Artikel vor, also abschätzig, spottend. Nach dem Motto: Wahrheit – was ist das schon? Pilatus war nicht einer von jenen, die „aus der Wahrheit“ sind – jedenfalls nicht zu dem Zeitpunkt – sondern, wenig überraschend für einen Karrierepolitiker, „aus der Macht“.
Was ist den meisten Menschen langfristig wichtiger: die Wahrheit oder die Macht? Aufgrund der Existenz der KI werden wir auf diese historische Frage bald eine definitive, allumfassende Antwort erhalten. Diese Antwort entscheidet langfristig über Freiheit oder Knechtschaft für die Menschheit.
In diesem Sinne: Frohes neues Jahr!
Quellen:
AI as the Operating System of Digital Totalitarianism - LewRockwell
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