USA-Besuch: Merz bei Trump
Buntland trifft Weltmacht
von Thomas Jahn drucken

Von ARD bis „FAZ“ herrschte gestern Einigkeit im medialen deutschen Mainstream: Friedrich Merz habe seinen Antrittsbesuch im Weißen Haus souverän absolviert. Der Besuch, der von vielen Höflichkeiten geprägt gewesen sei, sei harmonisch verlaufen. Tatsächlich war die deutsche Seite sichtlich darum bemüht, das fast schon traditionelle deutsche Trump-Bashing der letzten Jahre vergessen zu machen. Daher kam Merz, anders als seine frühere Rivalin Merkel, nicht mit leeren Händen nach Washington, sondern überreichte Trump eine Kopie der Geburtsurkunde seines Großvaters Friedrich Trump, der 1869 in Kallstadt in der Pfalz geboren wurde. Sicherheitshalber hatte Merz für den passionierten Golfer Trump auch noch einen Golfschläger im Gepäck, was das sichtliche Bemühen der deutschen Seite zu unterstreichen schien, die Administration des großen amerikanischen Bruders gnädig zu stimmen. Die Rechnung schien aufzugehen, denn beim anschließenden Pressegespräch im Oval Office wurden anders als bei Selenskyj und Ramaphosa unschöne Themen wie Meinungsfreiheit, Ukrainestrategie oder der schwelende Handelskonflikt mit der EU ausgeklammert. Die Presse interessierte sich größtenteils nur für die Innenpolitik der USA. Trump stand Rede und Antwort. Merz schwieg.
Sollte mit dem gestrigen Treffen ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen den deutschen Mitte-Links-Koalitionen und der Trump-Administration aufgeschlagen werden? Wohl kaum, denn dafür hätte „Buntland“ die politischen Fehlentscheidungen der vergangenen 25 Jahre einer Totalrevision, zumindest aber einer kritischen Analyse unterziehen müssen. Ausgangspunkt für beide Länder und ihre viel gepriesenen transatlantischen Beziehungen ist die seit 1945 dauerhaft und unverändert bestehende hegemoniale Rolle der USA gegenüber Deutschland, das sein frühes Bemühen, damals noch als westdeutscher Teilstaat, Stück für Stück eigene Souveränität zurückzugewinnen, merkwürdigerweise gerade in dem Moment aufgab, als dem Land von George Bush senior eine Partnerschaft auf Augenhöhe angeboten worden war. Der damalige US-Präsident prägte schon 1989 den Begriff „Partnership in Leadership“ und meinte damit eine Entlastung der USA zugunsten Deutschlands, das von einem teilsouveränen Protektorat zum Partner Amerikas bei der Führung der westlichen Welt aufsteigen sollte. Doch da hatte sich die öffentliche Meinung in Deutschland schon längst in der viel bequemeren Rolle des sich aus allen weltpolitischen Wagnissen heraushaltenden Juniorpartners eingerichtet, übrigens in trauter Übereinstimmung mit der überwiegenden Mehrzahl der Deutschen in Ost und West. Die konfliktscheue Regierung Kohl-Genscher zahlte lieber Tribut, als eigene Truppen in Kriegsregionen, wie 1990 nach Kuwait, zu schicken. Dieser Regierung steckten offenkundig noch die leidvollen Auseinandersetzungen um die Nachrüstung und den Nato-Doppelbeschluss Anfang der 80er Jahre in den Knochen, weshalb das „Outsourcen“ der eigenen Verteidigung nach Washington und einer souveränen Außenpolitik nach Brüssel als der weitaus bequemere Weg erschien.
Dieses Modell war allerdings schon vor 35 Jahren kaum zukunftsfähig, weil die transatlantische Rolle der USA als Weltpolizist und sanfter Hegemon immer wieder auf den entschiedenen Widerstand der US-Wähler stieß. Auch George Bush senior, der mit dem Militärschlag „Desert Storm“ die Rolle der USA als letzte verbliebene Supermacht gefestigt und mit dem anschließenden Zerfall der Sowjetunion den denkbar größten außenpolitischen Erfolg aller Zeiten verbuchen konnte, bekam 1992 zu spüren, dass die Wähler natürlich viel mehr an ihren eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen und den inneramerikanischen Entwicklungen interessiert waren als an der „Gloire“ des amerikanischen „Empires“. Auf die imperialen Bestrebungen und Interventionen eines US-Präsidenten folgt daher wie ein Naturgesetz der lediglich zeitversetzte isolationistische Gegenschlag an der Wahlurne. Diesen Jo-Jo-Effekt kann man nun seit über 100 Jahren beobachten. Er erklärt, warum die USA 1950 erst nach Korea gingen, um sich schon 1953 wieder zurückzuziehen und dann rasch einen Waffenstillstand zu schließen. Dasselbe vollzog sich in Vietnam, später im Irak und anschließend in Afghanistan. Donald Trump hat dieses Problem erkannt und sich seit 2015 zum konsequenten Fürsprecher jener Amerikaner gemacht, die das Land aus außenpolitischen Abenteuern heraushalten und die Überschuldung durch überbordende Militärausgaben vermeiden wollen. Trumps „Maga“-Bewegung überdeckt dabei sein eigentliches Ziel: Die USA sollen endgültig Abstand nehmen vom Konzept der einzig verbliebenen Supermacht und umgebaut werden zu einer amerikanischen Weltmacht, die sich auf ihre eigene geostrategische Interessensphäre konzentriert, wie sie schon die Monroe-Doktrin 1823 formulierte. Die Konflikte, die Trump rund um die von ihm als ungerecht angeprangerten Handelsbedingungen losgetreten hat, sind, ähnlich wie sein Blick auf Grönland oder den pazifischen Raum, klassische Großmachtpolitik eines Landes, das sich nicht länger als Hegemon mit den Mitteln einer vermeintlich multilateralen Politik, gestützt auf Uno, Nato und EU, versteht, sondern als rein interessengeleitete Großmacht, die ihre außenpolitischen Aktionen nach einem messbaren Kosten-Nutzen-Verhältnis bilanziert.
Friedrich Merz scheint in dieser neuen Welt noch nicht angekommen zu sein. Das belegt zumindest sein unterwürfiges Auftreten in Washington. Was man früher glaubte, durch betonte Einigkeit und Konfrontation zu erreichen – man denke nur an den Eklat während des G7-Gipfels 2018 –, soll jetzt offenbar durch eine Charme-Offensive gelingen. Das Problem für Merz, Macron, Starmer und andere Europäer ist nur, dass sie wenig bis nichts zu bieten haben. Die Euro-Zone, aber auch Großbritannien liegen wirtschaftlich am Boden. Die EU ist gefangen in ihrer absurden Bürokratie, die sich mit ihrem „Green Deal“, mit dem Kampf gegen die Meinungsfreiheit und ihrer verteidigungspolitischen Phraseologie im Stile einer Ursula von der Leyen immer weiter aus der Realität verabschiedet. Deutschland fällt politisch und ökonomisch als europäische Führungsmacht aus, weil seine Funktionseliten und die von den übermächtigen Staatsmedien gelenkte öffentliche Meinung immer noch der multilateralen Illusion anhängen, auch andere Staaten würden dem Beispiel Deutschlands folgen, die eigenen Interessen aufzugeben, die eigene Wirtschaft im Interesse des Weltklimas zu opfern, ja selbst das eigene Staatsvolk und damit die eigene Existenz, wie einen Würfelzucker im Wasserglas, in supranationalen Gefügen mit internationalen Exekutivorganen und Gerichtshöfen aufzulösen. Mit Putin, Trump und dem Ukraine-Krieg sind die Wirklichkeit und eine historische Konstante zurück auf der Weltbühne: Staaten sind keine Freunde. Sie sind weder wohlwollend noch machtvergessen. Sie haben nur Interessen, die sie notfalls brutal, vor allem gegen Schwächere durchsetzen.
Kommentare
Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.
Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.